Linke streitet über Umgang mit Russland

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Berlin – Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Gregor Gysi, hat seine Fraktionskollegin Sahra Wagenknecht und andere prominente Politiker der Partei für deren Haltung in der Russland-Ukraine-Krise scharf kritisiert.

Hintergrund ist eine Erklärung, die Wagenknecht und sechs weitere Linken-Abgeordnete am Sonntag nach der Sondersitzung des Bundestags verfasst hatten. Die Unterzeichner kritisieren darin unter anderem die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland. Darüber hinaus legen sie in ihrer Argumentation nahe, dass die Nato-Osterweiterung auch mitverantwortlich für das aktuelle Verhältnis zu Russland sei.

Das und einige weitere Punkte weist Gysi deutlich zurück. Die Nato habe aktuell „keinen einzigen Fehler begangen, der den Krieg Russlands rechtfertigte”, schreibt Gysi in dem Brief an die Fraktionsmitglieder, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, und über den zuvor auch andere Medien berichtet hatten.

Die Erklärung der Gruppe um Wagenknecht konterkariere die Positionierung der Fraktions- und Parteispitze, beklagt Gysi weiter. Diese hatte zuvor Sanktionen gegen Russland nicht pauschal abgelehnt.

Gysi wirft der Gruppe um Wagenknecht eine „völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid” in der Ukraine vor. Auch für die pauschale Ablehnung von deutschen Waffenlieferungen äußert er Unverständnis. Damit sprächen Wagenknecht und Co der „Ukraine faktisch ein Selbstverteidigungsrecht ab”. Sie seien damit indirekt dafür, dass die Ukraine „nur die Chance zur bedingungslosen Kapitulation bekommt”, schreibt er.

Auch in seiner Rolle als außenpolitischer Sprecher sieht er sich angegriffen: Er sei vorab „weder gefragt noch einbezogen” worden, „was wohl ebenso eure Absicht war”, schreibt der ehemalige Fraktionschef. „Nun werde ich über meine Rolle neu nachdenken müssen.”

Wagenknecht wies die Vorwürfe auf ihrer Homepage aufs Schärfste zurück. „Ich bin entsetzt über den Brief von Gregor Gysi, der den Eindruck erweckt, es gäbe in der linken Bundestagsfraktion Mitglieder, mich eingeschlossen, die Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht unmissverständlich verurteilt hätten”, schrieb sie auf ihrer Homepage. Gysis Ausführungen grenzten an „Rufmord”.

Forderung aus Linksfraktion: Schutz für Deserteure

Am Dienstag forderte die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger (Linke) die Bundesregierung dazu auf, russischen Deserteuren Asyl in Deutschland anzubieten. Außerdem solle sich die Regierung dafür einsetzen, dass ukrainischen Männern, die in ihrer Heimat nicht kämpfen wollten, die Ausreise gestattet werde, sagte die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Berlin. „Kein Mensch darf zum Kriegsdienst gezwungen werden”, fügte sie hinzu. Die ukrainischen Behörden hindern Männer im wehrfähigen Alter aktuell an der Ausreise.

Bünger sagte, russische Soldaten und Wehrpflichtige, die sich weigerten, an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine teilzunehmen, bräuchten Schutz. „Sie riskieren schwerste Bestrafungen oder setzen sogar ihr Leben aufs Spiel, um sich nicht an Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen beteiligen zu müssen.” Deutschland und die EU müssten ihnen deshalb wirksamen Schutz und volle Unterstützung zusichern, sagte Bünger mit Blick auf den an russische Soldaten gerichteten Aufruf des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, ihre Waffen niederzulegen und ihr Leben zu retten. Die Ukraine hat russischen Soldaten Straffreiheit und Geld angeboten, wenn sie sich ergeben. Ob Russen, die die Waffen niederlegen, das Geld tatsächlich erhalten, ist bislang nicht zu überprüfen.

© dpa-infocom, dpa:220301-99-335510/3 (dpa)

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