Migranten als Sündenböcke?Moderator weist Österreichs Kanzler Kurz in die Schranken

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Sebastian Kurz 031220

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz

Die österreichische Regierung hat am Mittwoch eine zehntägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden aus Corona-Risikogebieten eingeführt und damit einen Skiurlaub über Weihnachten in den Alpen so gut wie unmöglich gemacht. Hinzu kommt, dass Übernachtung und Essen schwierig zu organisieren wären: Hotels und Gaststätten in Österreich bleiben bis zum 6. Januar zu.

Die Infektionszahlen seien nach wie vor auf einem viel zu hohen Niveau, war sich die Regierung einig. Am Mittwoch wurden 3972 Neuinfektionen binnen eines Tages verzeichnet. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist dieser Wert um ein Mehrfaches höher als in Deutschland.

Kurz macht Reiserückkehrer verantwortlich

Für Irritationen im Land sorgte allerdings die Begründung der österreichischen Regierung. Bundeskanzler Kurz verwies auf Reiserückkehrer und sagte, nach dem Lockdown habe es im Sommer niedrige Infektionszahlen in Österreich gegeben, diese seien aber nach den Ferien wieder in die Höhe gegangen. Mindestens ein Drittel der Neuinfektionen sei dabei über Reiserückkehrer „eingeschleppt“ worden. Vor allem aber über Personen, die ihre Wurzeln auf dem Balkan oder in der Türkei hätten.

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In den österreichischen Medien wird diese These kritisiert und widerlegt: So verweist der Sender Puls 24 darauf, dass sich diese zweite Behauptung nicht mit Daten belegen lasse, da überhaupt keine Daten dazu erhoben werden, welche Reiserückkehrer einen Migrationshintergrund hätten. Es könne beispielsweise genauso gut sein, dass ein österreichischer Staatsbürger einfach seinen Urlaub in Kroatien verbracht und sich dort infiziert habe. 

ORF-Moderator Wolf lässt Kurz nicht ausreden

Nicht zum ersten Mal sieht sich Kurz damit dem Vorwurf ausgesetzt, Migranten verbal zu diskriminieren. Ihren medialen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung am Mittwochabend in der ORF-Sendung „ZIB 2“. Kurz verteidigte die Reisebeschränkungen und die Quarantänepflicht für Rückkehrer. Sie seien angesichts der hohen Infektionszahlen in Österreich „notwendig“.

Journalist Armin Wolf konfrontiert ihn daraufhin mit seinen Äußerungen von der Pressekonferenz am Mittwoch und fragt: „Warum erwecken Sie den Eindruck, Migranten wären Schuld am Virus in Österreich?“ Migranten würden sich als Sündenböcke fühlen. Kurz reagiert gereizt und versucht auszuweichen, er habe von Reiserückkehrern gesprochen, beispielsweise Menschen, die in Prag über Silvester Party machen wollten und damit nach den Feiertagen die Infektionszahlen in die Höhe treiben könnten. Kurz verlangt, ausreden zu dürfen, wird aber von Wolf erneut gestoppt: Er dürfe nicht weiterreden, „weil das, was Sie hier erzählen, stimmt so nicht“, sagt der renommierte Journalist.

Kurz habe auf der Pressekonferenz wörtlich gesagt „insbesondere Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben", führt Wolf an. „Also da geht's ja wohl um Migranten?“ Kurz gibt daraufhin zu, dass dies aus seiner Sicht richtig sei. Der Westbalkan und Kroatien seien ein sehr relevanter Faktor. (cme, mit dpa)

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