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Kommentar

Zum 8. Mai 1945
Dieser Krieg darf nie vergessen werden

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Lesezeit 3 Minuten
München in Trümmern Blick in die Theatinerstrasse mit der beschädigten Theatinerkirche am 4. Juli 1945 in München. . Patricia

München in Trümmern Blick in die Theatinerstrasse mit der beschädigten Theatinerkirche am 4. Juli 1945 in München. . Patricia

Der 8. Mai 1945 war kein Tag der Befreiung, sondern einer der Kapitulation. Die Deutschen mussten besiegt werden, um befreit werden zu können. Ein Menschenleben später ist die Frage: Leben wir in einer neuen Vorkriegszeit?

80 Jahre, das sind ein Menschenleben. 80 Jahre sind seit 1945 vergangen, ein Menschenleben ist es her, dass in Europa die Waffen schwiegen, nach dem größten und blutigsten aller Kriege bisher, der weltweit 65 Millionen Tote forderte.

Drei Jahre sind der Beginn eines Menschenlebens. Seit mehr als drei Jahren tobt wieder ein Krieg in Europa, an Orten, die im Zweiten Weltkrieg unter dem Vernichtungsfeldzug und mörderischem Rassenwahn der Deutschen litten. „Wir müssen durchleben, was wir vor 80 Jahren bereits durchlebt haben“, sagt Oleksii Makeiev, Ukraines Botschafter in Berlin über den russischen Eroberungskrieg gegen sein Land.

Leben wir in einer neuen Vorkriegszeit?

80 Jahre, nachdem die Waffen schwiegen, haben viele Menschen in Mitteleuropa wieder Angst vor einem neuen großen Krieg. Und einige befürchten, dass die Erinnerung an das Grauen und seine Ursachen nach einem Menschenleben im Nebel der Geschichte verschwindet. Weil diejenigen nicht mehr da sind, die das alles mitgemacht und miterlebt haben. Weil sie nicht mehr warnen können.

Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Oberkommandierender der Wehrmacht (1938-45), unterzeichnet am 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst die Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. (Archivbild)

Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Oberkommandierender der Wehrmacht (1938-45), unterzeichnet am 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst die Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. (Archivbild)

In Danzig, der Stadt, in der 1939 mit den Schüssen des deutschen Kriegsschiffs „Schleswig-Holstein“ auf das polnische Munitionsdepot auf der Westerplatte dieser Weltkrieg begann, steht ein spektakuläres Gebäude, das diesem Vergessen entgegenwirken will. Ein scharfkantiger rostroter Fremdkörper ragt aus der Erde, das Museum des Zweiten Weltkriegs.

Es zeigt den deutschen Vernichtungskrieg in Mitteleuropa in all seinen erschreckenden Details - und erinnert daran, dass es 1945 im späteren Ostblock keine Befreiung durch die sowjetischen Panzer gab, sondern nur eine Diktatur durch die andere ersetzt wurde. In einer Region, die sich seit Putins Überfall auf das Nachbarland Ukraine in einer neuen Vorkriegszeit wähnt, mahnt Museumsdirektor Rafal Wnuk: „Wir wollen zeigen, dass Krieg kein Computerspiel ist. Krieg ist der blanke Horror.“

Ein Moment des Innehaltens und der Trauer

In Moskau wird sich am 9, Mai, dem „Tag des Sieges”, der Aggressor Wladimir Putin vor einer Militärparade mit mehr als 10.000 Soldaten, Panzern und Raketen ein weiteres Mal als Alleinerbe des Sieges über Nazideutschland inszenieren. In Berlin wird sein Botschafter Sergej Netschajew, am Monument des siegreichen Rotarmisten im Treptower Park dasselbe tun. Ukraine-Botschafter Makeiev, der dazu das gleiche historische Recht hätte, meidet diesen Ort. Er plant ein stilles Gedenken an der Neuen Wache, der zentralen deutschen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Ein Innehalten in der Wiederkehr der Zerstörung seines Landes.

Und die Deutschen? Je weiter die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verblasst, diffuser wird, desto nötiger wird es, daran zu erinnern, dass „Befreiung“ auch ein irreführender Begriff sein kann. „Die Befreiung war 1945 von außen gekommen. Sie musste von außen kommen – so tief war dieses Land verstrickt in sein eigenes Unheil, in seine Schuld.“ So sagte es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor fünf Jahren, zum 75. Jahrestag des Kriegsendes. Er sprach auch die „innere Befreiung“ an, die „Aufarbeitung und Aufklärung über Mitwisserschaft und Mittäterschaft“.

Am 80. Jahrestag des Kriegsendes werden wir den alliierten Soldaten danken, die den deutschen Nationalsozialismus besiegen mussten, weil wir es nicht selber konnten. Und wir werden die Toten betrauern, an die Verbrechen erinnern, die Zerstörung und das Leid in allen Völkern Europas, auch in unserem eigenen. Und vor allem werden wir dafür sorgen müssen, dass dieser Krieg nach einem Menschenleben nicht in Vergessenheit gerät. Damit er sich nicht wiederholt.