„Wissen, warum er jetzt getötet wurde“Nawalny-Team erhebt schwere Vorwürfe gegen Kremlchef Putin

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Der am 16. Februar in einem russischen Straflager gestorbene Oppositionsführer Alexej Nawalny bei einem Gedenkmarsch für den 2015 ermordeten Kremlkritiker Boris Nemzow.

Der am 16. Februar in einem russischen Straflager gestorbene Oppositionsführer Alexej Nawalny bei einem Gedenkmarsch für den 2015 ermordeten Kremlkritiker Boris Nemzow.

Laut Nawalnys Team sollte der Kremlkritiker „in diesen Tagen“ gegen den in Deutschland inhaftierten „Tiergartenmörder“ ausgetauscht werden.

Der im russischen Straflager ums Leben gekommene Kremlgegner Alexej Nawalny hätte Angaben seines Teams zufolge gegen den in Deutschland inhaftierten „Tiergartenmörder“ ausgetauscht werden können. „Nawalny sollte in den nächsten Tagen freikommen, weil wir eine Entscheidung zu seinem Austausch erreicht hatten“, sagte die politische Direktorin des Nawalny-Fonds für die Bekämpfung der Korruption, Maria Pewtschich, am Montag in einem auf Youtube veröffentlichten Video.

„Wir wissen, warum Alexej gerade jetzt getötet wurde“, schrieb Nawalnys Sprecherin, Kira Jarmysch, bei X (vormals Twitter). „Er sollte in diesen Tagen ausgetauscht werden. Putin wurde ein Angebot gemacht“, fügte sie an.

Anfang Februar sei Kremlchef Wladimir Putin demnach ein Angebot unterbreitet worden, wonach der im Dezember 2021 in Deutschland verurteilte „Tiergartenmörder“ Wadim K. an Russland übergeben hätte werden können – im Austausch gegen Nawalny und zwei US-Amerikaner.

Wer genau an der Ausarbeitung dieser vermeintlichen Austauschpläne beteiligt gewesen sein soll und wie konkret sie waren, sagte Pewtschich nicht. Die deutsche Bundesregierung lehnte am Montag ein Statement zunächst ab, berichtete der „Spiegel“. Demnach habe Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärt, dass man die Berichte zur Kenntnis genommen habe. „Wir können uns dazu nicht äußern“, fügte Hoffmann jedoch an.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich nicht direkt zu den neuen Vorwürfen, erklärte bei X jedoch: „Es war das russische Regime, das Alexej Nawalny getötet hat – davon gehe ich aus. Sein Tod ist die Konsequenz einer Diktatur, in der Menschen, die gegen den Präsidenten und gegen die Regierung aufbegehren, um ihre Freiheit und um ihr Leben fürchten müssen.“

Roman Abramowitsch offenbar an Vorschlag für Nawalny-Austausch beteiligt

Nach Angaben des russischen Exil-Mediums „Meduza“ sei der Multimilliardär Roman Abramowitsch an dem Vorschlag für einen Austausch Nawalnys beteiligt gewesen und habe diesen Putin unterbreitet. Zudem seien „bekannte Politiker“ und „die reichsten Menschen auf dem Planeten“ eingebunden gewesen, erklärte Pewtschich „Meduza“ zufolge. Am 15. Februar habe sie die Information erhalten, dass sich die Verhandlungen „in der Endphase“ befänden. 

Pewtschich warf Putin vor, daraufhin persönlich die Tötung Nawalnys angeordnet zu haben, der Kremlchef sei „besessen von Hass“ auf Nawalny. Er habe den Kremlkritiker um keinen Preis freigeben wollen und erkannt, dass der Westen bereit sei, Wadim K. auszutauschen und dann entschieden, Nawalny als Tauschobjekt loszuwerden, vermutet Pewtschich. „Das ist das absolut unlogische, irrationale Verhalten eines verrückten Mafiosi“, sagte sie. Beweise oder Dokumente, um ihre Angaben zu stützen, legte Pewtschich zunächst nicht vor. 

„Tiergartenmörder“ sitzt in deutscher Haft – und sollte angeblich gegen Nawalny ausgetauscht werden

Wadim K. hat 2019 in Berlin einen Exil-Tschetschenen ermordet. K. soll den Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen verübt haben. Immer wieder war spekuliert worden, dass Putin ihn im Zuge eines Gefangenenaustauschs freibekommen wollte. Zuletzt hatte er dies in einem Gespräch mit dem US-Talkmaster Tucker Carlson quasi bestätigt.

Der Kreml reagierte zunächst nicht auf die neuen Vorwürfe von Pewtschich. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies am Montag laut der staatlichen Agentur Tass lediglich Berichte als „absurd“ zurück, wonach Nawalnys Mutter vor der Herausgabe des Leichnams des Kremlkritikers von den russischen Behörden erpresst worden sei. (mit dpa)

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