Betroffenenrat enttäuschtBistum Aachen lehnt Einzellösung für Missbrauchsopfer ab

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Der Aachener Bischof Helmut Dieser ist im Porträt zu sehen.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat im vergangenen Jahr die Nachfolge des Trierer Bischofs Stephan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz angetreten. Jetzt steht er in der Kritik der Betroffenen in seinem Bistum.

Der Betroffenenrat für Missbrauchsopfer im Bistum Aachen fürchtet um die Errungenschaften monatelanger Verhandlungen, nachdem das Bistum eine Einzellösung in Aachen nun ablehnt. 

Nachdem der Generalvikar des Bistums Aachen, Andreas Frick, vergangenen Dienstag die Vergleichsverhandlungen mit dem Betroffenenrat des Bistums kurzfristig verschoben hat, zeigt sich das Gremium bestürzt. Schon vergangene Woche hatte der Aachener Bischof Helmut Dieser in einem Interview einer Einzellösung eine Absage erteilt; mittlerweile hat auch das Bistum offiziell bekannt gegeben, dass es Einzellösungen zwischen dem Bistum und den Opfern ablehnt. Nun fürchtet der Rat um die Arbeitsergebnisse monatelanger Verhandlungen, erklärte der Pressesprecher der Betroffenenvertretung, Paul Leidner, am Montag vor Journalisten.

Im Kern geht es in dem Konflikt um die Rolle des Betroffenenrats auf dem Weg zu Entschädigungen für Missbrauchsopfer. Der Rat schlägt ein eigenes „Aachener Modell vor“ - ein außergerichtliches Lösungsmodell, das über die im „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ festgeschriebene Entschädigungen hinausgeht. Für den Rat sei die Positionierung ein Schlag ins Gesicht, man werde das Verhältnis zwischen Bistum und Betroffenenrat neu diskutieren müssen.

Es geht nicht um die Menschen, es geht ums Geld
Manfred Schmitz, Betroffenenrat Bistum Aachen

Bisher habe Bischof Helmut Dieser immer vollstes Verständnis für die Arbeit der Opfervertretung gezeigt, deshalb käme die Absage so unerwartet, erklärte der Betroffenenrat: „Es geht nicht um die Menschen, es geht ums Geld.“ Das Bistum spekuliere darauf, dass kaum ein Betroffener den Rechtsweg beschreite. Aus Sicht des Gremiums seien die Verhandlungen zwischen Bistum und Betroffenenrat damit gescheitert.

Bistum Aachen lehnt Einzellösung in Aachen ab

Das Bistum Aachen weist die Kritik des Betroffenenrats und den Vorwurf der Scheinverhandlungen zurück. Die Absage des Generalvikars sei aus terminlichen Gründen erfolgt und man nehme die Impulse des Betroffenenrats mit, um das „Verfahren zur Anerkennung des Leids" zu verbessern, hieß es. Es könne aber keine Einzellösung nur für das Bistum Aachen geben. Vielmehr werde das Urteil des Landgerichts Köln von Juni, bei dem das Erzbistum Köln zu einer Schmerzensgeldzahlung von 300.000 Euro an ein Opfer verurteilt wurde, auch einen positiven Einfluss auf das „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ haben.

Neben dem juristischen Weg können Betroffene über dieses Verfahren  Entschädigungen von der Kirche erhalten. Dabei müssen die Betroffenen keine Beweise vorlegen, sondern plausibel ihre Erlebnisse schildern. Dadurch sollen Retraumatisierungen vermieden werden. Die Entschädigungen fallen jedoch deutlich geringer aus als die Schadenersatzklagen vor Gericht.

Für Opfer bedeutet der Klageweg oft, dass sie Missbrauchserlebnisse aus ihrer Jugend und Kindheit erneut aufarbeiten müssten. Dabei besteht die Gefahr einer Retraumatisierung der Opfer.

Aus Sicht des Betroffenenrats sind Zahlungen im Rahmen des Verfahrens zur Anerkennung des Leids aber deutlich zu gering - weshalb der Rat sich seit März 2021 um eine außergerichtliche Einigung zwischen Bistum und Betroffenen bemüht, das sogenannte Aachener Modell. 

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