Tim Achtermeyer, Co-Landesvorsitzender der Grünen in NRW, spricht über Wohnungspolitik – und die Lage der Partei nach der Wahlschlappe.
Tim Achtermeyer„Der Staat muss sagen: So geht das nicht“ – Grüne wollen weniger Airbnb in Köln

Tim Achtermeyer ist Co-Landesvorsitzender der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Am Wochenende trifft sich die Partei zum Landesparteitag in Köln.
Copyright: picture alliance/dpa
Herr Achtermeyer, beim Landesparteitag geht es unter dem Motto „Zuhause von 18 Millionen“ in einem Leitantrag auch um den Wohnungsbau. Sind sie mit der Politik von Bauministerin Ina Scharrenbach nicht zufrieden?
Tim Achtermeyer: Ich bin sogar sehr zufrieden mit der schwarz-grünen Wohnungspolitik. Wir schützen Mieter, machen Bauen einfacher und fördern beim Wohnungsneubau. Aber das heißt doch nicht, dass wir uns selbst genug sein können. Jeder, der gerade eine Wohnung sucht, sieht, dass Wohnen die zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit ist.
Bei der Flächenpolitik soll das Gemeinwohl in den Mittelpunkt gestellt werden. Was bedeutet das?
Ich will, dass wir für Menschen bauen, nicht für Rendite. Wenn der Preis die einzige Kategorie ist, nach der wir Fläche verteilen, gewinnt gegen Wohnungen immer das Bürohaus. In Zeiten von Home-Office sind das aber oft menschenleere Stuhl- und Schreibtischlager. Da müssen wir gegensteuern, allein schon, um unsere Innenstädte lebendig zu halten.
In Städte wie Köln ist Wohnraum extrem knapp. Sollte AirBnB verboten werden?
Wer durch die Kölner Innenstadt läuft, sieht gefühlt an jeder zweiten Hauswand Schlüsselboxen – viele Wohnungen stehen dem Markt gar nicht zur Verfügung, weil sie für 100 Euro die Nacht vermietet werden. Das sorgt für dicke Portemonnaies bei wenigen und für steigende Mieten bei vielen. Und ja, da helfen keine Appelle, da muss ein Staat auch mal sagen: So geht es nicht. Wir wollen deshalb Übernachtungsplattformen wie AirBnB in angespannten Wohnungsmärkten begrenzen. Andere Städte wie Berlin oder München tun das bereits.
Beim Landesparteitag will sich die Partei auf die Kommunalwahlen im Herbst vorbereiten. Derzeit stellen die Grünen in Bonn, Aachen und Wuppertal den oder die OB, in Köln kam die parteilose Henriette Reker durch die Unterstützung der Grünen ins Amt. Wieso konnten die Grünen in den ländlichen Bereichen bislang nicht stärker punkten?
Das sehe ich nicht so. Ich kenne keine Partei, die so dafür kämpft, dass der Bus im ländlichen Raum nicht nur zweimal am Tag kommt. Und wir erleben gerade die nächste Dürre, Landwirte schlagen jetzt schon Alarm. Wir sind die einzige Partei, die bei Klima- und Artenkrise reinen Wein einschenkt und Lösungen anbietet. Wir ducken uns nicht weg. Ich will diese Kommunalwahl gewinnen, nicht um unserer selbst willen, sondern für ein zukunftsfestes Zuhause von 18 Millionen Menschen in ganz NRW.
„Wir erleben gerade die nächste Dürre, Landwirte schlagen jetzt schon Alarm. Wir sind die einzige Partei, die bei Klima- und Artenkrise Lösungen anbietet. Wir ducken uns nicht weg“
Bei den vergangenen Wahlen haben die Grünen an Zustimmung verloren. Orientieren sich die Grünen zu stark als Partei der bürgerlichen Mitte?
Diese Debatte kenne ich seit Jahren. Aber Politik ist doch kein taktisches Spielchen, wo man die Politik nach einem angeblichen Wählermarkt ausrichtet. Wir machen Politik für reale Menschen mit realen Problemen. Menschen, die keine bezahlbare Wohnung mehr finden, die sich von grassierendem Rassismus bedroht fühlen, die wollen, dass der Bus kommt und für Schüler, die auf der Toilette nicht mehr die Luft anhalten wollen. Ist das noch bürgerlich oder schon zu links? Ich finde es einfach richtig.
Teile der Grünen Jugend sind zur Linkspartei gewechselt. Sehen Sie darin ein Alarmsignal?
Ich finde es gar nicht schlecht, dass es wieder eine linke Partei gibt, die auch wieder sichtbar ist. Allerdings habe ich schon Probleme mit dem Verhältnis einiger Linken zur Kohlekraft, aber auch oft zu Russland. Deswegen braucht es einfach starke Grüne.
Die neue Symbolfigur der Linken, die Co-Parteivorsitzende Heidi Reichinnek, hat durch ihre Forderung nach massiver Umverteilung hohe Beliebtheitswerte erzielt. Können die Grünen aus ihrem Erfolg etwas lernen?
Der Erfolg von Heidi Reichinnek in den sozialen Medien ist schon beeindruckend. Davon kann jeder was lernen, auch dass man bei TikTok der AfD nicht hilflos ausgeliefert ist. Dafür werbe ich auch. Da müssen wir alle besser werden.
„Illusion von Klingbeil und Merz: zurück in die vermeintlich gemütlichen 1990er Jahre“
Ist die Kommunalwahl in NRW auch ein Stimmungstest für die neue Bundesregierung von CDU und SPD?
Und wie! Die Bundesregierung zeigt gerade, was Schwarz-Rot bedeutet. Positiv könnte man sagen: Die leben sehr im Hier-und-Jetzt. Aber mir fehlt jede Vision, wohin sie mit dem Land eigentlich wollen. Und handwerkliches Geschick konnte ich bei Verfassungsänderung und Kanzlerwahl nur bedingt beobachten.
Die Wählerinnen und Wähler in NRW können sich im September entscheiden, ob sie in einer modernen Kommune leben wollen, die sicher und gut für die Zukunft aufgestellt ist. Wir Grüne machen ein Angebot mit Zielen und Konzepten, wie man da hinkommt. Oder ob sie der Illusion von Klingbeil und Merz folgen, man könne zurück in die vermeintlich gemütlichen 1990er Jahre.
Die Grünen in NRW unterstützen den Plan, die AfD zu verbieten. Besteht nicht die Gefahr, dass ein solcher Schritt der AfD mehr nützt als schadet?
Eine Partei, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will, ist verfassungswidrig. In der Verfassung steht dazu keine Kann-Sein-Formulierung. Die Verfassung schreit uns geradezu an, die Demokratie vor ihren Feinden zu schützen. Deswegen ist die Entscheidung für einen Verbotsantrag für mich eine Frage des Verfassungspatriotismus.