Welche Dinosaurier haben im Rheinland ihre Spuren hinterlassen? Wie realistisch ist die Tierdarstellung in Jurassic World? Ein Paläontologe der Uni Bonn gibt Antworten. - Mit Freizeittipps!
Dinosaurier im RheinlandJurassic World - „Wahrscheinlich fand man gefiederte Raubsaurier zu wenig gruselig“

Gabs derlei gut bezahnte Mäuler auch mal im Rheinland? Ein Paläontologe der Uni Bonn über Funde und die Möglichkeit des Klonens.
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Die Krallen des Tyrannosaurus rex bohren sich in die gelbe Schlauchboothaut. Eine Gruppe mutierter Raptoren durchsucht blutrünstig einen Tankstellenshop nach einem versteckten Kind. Das wenig friedliche Zusammentreffen von seit 66 Millionen Jahren ausgestorbenen Spezies und dem Menschen findet derzeit lediglich auf den Kinoleinwänden statt. In dieser Woche startete mit „Jurassic World 4 - Die Wiedergeburt“ die Fortsetzung des berühmten Dino-Franchise auf den Kinoleinwänden. Es zehrt noch immer von Steven Spielbergs Meisterwerk Jurassic Park, das 1993 einen wahren Dino-Boom weltweit auslöste. Aber wie realistisch ist die Rückkehr der Dinosaurier aus Sicht von Paläontologen? Und wo steht die wissenschaftliche Forschung abseits der Leinwände? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Vor 32 Jahren haben die Forscher in Spielbergs „Jurassic Park“ Dinosaurier geklont. Geht das nicht langsam auch mal in echt?
Zum Dino-Ausbrüten bräuchte man zunächst mal entsprechende Eier. Hier ist Darius Nau, Paläontologe von der Universität Bonn, noch ganz zuversichtlich. Zwar hätten einige der gefundenen Dinosauriereier etwa die Größe eines Fußballs und derlei wuchtiges Gelege finde man heutzutage natürlich nicht mehr. Ein kleinerer Dinosaurier wie beispielsweise der Velociraptor passe als Embryo aber mit Leichtigkeit in ein Straußenei. „Auch ausgewachsen haben diese Tiere eher Truthahngröße“, sagt Nau im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dennoch beantwortet der 28 Jahre alte Forscher die Klon-Frage mit einem deutlichen Nein und zerstört damit die Träume einer ganzen Generation von Science-Fiction-Hobby-Paläontologen.
Theoretisch ist Klonen einer ausgestorbenen Art zwar möglich „und zumindest beim Pyrenäensteinbock auch schon einmal gelungen“, sagt Nau. Den Weg zu einer realen Begegnung mit einem schneidigen Triceratops an der Tankstellenkasse versperren aber mindestens zwei weitere Hürden. Wer bisher dachte, man könne wie einst in „Jurassic Park“ aus dem eingesogenen Dino-Blut eines in Bernstein konservierten Moskitos die notwendige DNA extrahieren, der muss zunächst einsehen, dass Moskitos in Bernstein nach derart langer Zeit nur als Hohlformen existieren, „da ist schlicht nichts mehr drin“, sagt Nau. Und selbst wenn, scheitert das Unterfangen spätestens an der nächsten Hürde Halbwertszeit. Jegliche DNA aus dem Mesozoikum, so nennt man die Zeit, in der die berühmtesten Dinosaurier wie Stegosaurier oder T. rex lebten, ist heute schlicht zerfallen: Genetisches Erbgut löscht sich Forschern zu Folge nämlich nach knapp sieben Millionen Jahren vollständig aus.
Beim Pyrenäensteinbock hat man da rechtzeitig reagiert. Das Tier war gerade mal drei Jahre ausgestorben als der Kitzklon ins Leben trat – wenn auch nur für wenige Minuten, er starb an Lungenversagen.
Welche Dinosaurier waren in der Rheinischen Bucht überhaupt zu Hause?
Was Dinosaurierfunde betrifft, sieht es im Rheinland eher schlecht aus. „Das liegt daran, dass die Gesteine an der Oberfläche hier sehr viel jünger sind, sie lagerten sich viele Millionen Jahre nach dem Mesozoikum ab, das vor 66 Millionen Jahren mit dem Aussterben der meisten Dinosaurier endete“, sagt Nau. Das bedeutet nicht, dass über der Stelle, an der heute Köln steht, früher beispielsweise nicht mal ein Archaeopteryx rumflatterte. Die Existenz dieses Urvogels ist durch die Funde in bayerischen Steinbrüchen wie in Solnhofen überliefert.
Wie die Landtiere ausgesehen haben könnten, zeigt ein Blick nach Niedersachsen in den Hartz. Dort hat man Ende der 1990er Jahre Spuren einer verzwergten Miniform der Sauropoden gefunden. Europasaurus nennt man die auch. „Da Deutschland vor 150 Millionen Jahren größtenteils unter Wasser lag, hatten kleine Tiere auf den engen Inseln mit begrenztem Nahrungsangebot einen Überlebensvorteil. Deshalb setzten sich dort wohl Mini-Versionen der Festland-Verwandten durch“, erläutert Nau.

Darius Nau, Paläontologe an der Uni Bonn, forscht an der Fossilien-Fundstelle Balve im Sauerland.
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Nau selbst forscht an der Fossilien-Fundstelle Balve im Sauerland: „Es handelt sich dort um eine Höhle, in die Knochen verschiedener Dinosaurier geschwemmt wurden.“ Identifiziert hat man beispielsweise Überreste vom Iguanodon, „man nennt ihn auch die Kuh des Mesozoikums, er und seine Verwandten besaßen Kauzähne, was ungewöhnlich ist für Dinosaurier“. Der pflanzenfressende Dino wurde bis zu zehn Meter lang und brachte bis zu fünf Tonnen auf die Waage, so viel etwa wie ein heutiger Elefant. Verglichen mit den größten Dinosauriern ist der Sauerland-Fund Nau zu Folge eher schmächtig. Die größten bekannten Dinosaurier konnten bis zu 100 Tonnen schwer werden. Zur zeitlichen Einschätzung: Die Unterkreide-Kuh lebte vor 125 Millionen Jahren, früher als der T. rex (vor 66 Millionen Jahren), aber später als der Stegosaurus (vor 150 Millionen Jahren). T. rex lebte also auch zeitlich gesehen näher an der Jetztzeit als an manch anderem berühmten Dinosaurier.
Welche Saurierspuren wurden sonst noch in Deutschland gefunden?
Die ältesten Dinosaurier-Spuren Deutschlands hat man in Franken und Baden-Württemberg entdeckt. Als Urheber vermutet man kleine fleischfressende Saurier, die vor mehr als 200 Millionen Jahren lebten. In Thüringen fand man gar die Knochen eines gesamten Liliensternus, eines frühen Raubdinosauriers. In Niedersachsen stieß man auf Spuren von Sauropoden, mit teilweise mehr als 30 Metern Körperlänge waren diese langhalsigen Giganten die größten Landtieren der Erdgeschichte, außerdem fossile Fußspuren eines Dromaeosauriers, umgangssprachlich nennt man ihn auch Raptor. Auch die großen fleischfressenden Dinosaurier Torvosaurus und Allosaurus lebten vor rund 150 Millionen Jahren wohl in Europa.
Wie realistisch ist die Dino-Darstellung in den Jurassic-Filmen aus Sicht des Paläontologen?
Nau ist da gespalten. Der erste Film in den 90er Jahren sei in der Darstellung der Tiere in gewisser Weise eine Revolution gewesen. Anders als beispielsweise noch in „The Lost World“ (1925) wurden Dinosaurier erstmals nicht mehr als langsame, hirnlose und kaltblütige Reptilienmonster dargestellt. „Spielberg hat auch kleine Saurier auftreten lassen, die waren schnell, aktiv und intelligent.“ Damit war die Hollywood-Darstellung damals ziemlich auf der Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Heute hinkt die Darstellung in den Sequels den Forschungsfortschritten dagegen weit hinterher, sagt Nau. So sei es mittlerweile wissenschaftlicher Konsens, dass mindestens etwa die Hälfte der im Film gezeigten Dinosaurier ein volles Federkleid besaßen. Das könne man an den Federkiel-Ansatzstellen an den Knochen, zum Beispiel bei Velociraptor, erkennen. „In der Filmreihe hat aber lediglich ein einziges Tier im dritten Jurassic World-Teil dieses vogelhafte Aussehen. Wahrscheinlich fand man gefiederte Raubsaurier zu wenig gruselig“, vermutet Nau. Auch das Brüllen der Tiere bei der Jagd sei kaum realistisch. Die wenigen Funde, die es zum Stimmapparat gebe, legten nahe, dass sich Dinosaurier nicht wie Säugetiere angehört haben. „Abgesehen davon brüllen auch Raubtiere wie Löwen bei der Jagd nicht“, sagt Nau.
Was lässt sich aus einem derart an der Vergangenheit orientierten Fachgebiet wie der Paläontologie für die Gegenwart und Zukunft lernen?
Die Auseinandersetzung mit einer ausgestorbenen Tierart kann helfen, die Biodiversitätskrise von heute besser zu verstehen, sagt Nau. „Massenaussterbeereignisse hatten fast immer mit einem Klimawandel zu tun.“ Zum Ende des Mesozoikums schlug beispielsweise ein Meteorit ein. „Da rauschte die Energie von einer Milliarde Hiroshima-Bomben in Kalkstein rein und setzte eine Schockwelle an CO₂ frei“, sagt Nau. Nach allem, was man weiß, spielte das Klima verrückt und entzog den Dinosauriern so die Lebensgrundlage.
Wer jetzt glaubt, so schlimm wie damals sei es heute sicher nicht, den muss Nau korrigieren. „Wir befinden uns erdgeschichtlich ja erst seit extrem kurzer Zeit in dem sechsten der großen Massenaussterbeereignisse der Erdgeschichte. Wir rechnen für unsere aktuelle Biodiversitätskrise meist ab Kolumbus, das sind 500 Jahre. In diesem Zeitraum war die Rate des Aussterbens mindestens so hoch wie in den vergangenen Massenaussterbeereignissen, und auch der Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte verlief schneller als alles vorher dokumentierte.“ Als es vor 252 Millionen Jahren den ersten Verwandten der Säugetiere an den Kragen ging, war das die Folge einer Erwärmung um acht Grad – in einem Zeitraum von tausenden bis hunderttausenden von Jahren.
Wo haben Dinosaurierfans in der Umgebung noch Spaß?
Dinosaurier im Flamingo-Gehege, ein Tyrannosaurus Rex am Zoo-Weiher: Das „Dinoversum“ im Kölner Zoo kann man noch bis zum Herbst 2026 besuchen. Konzipiert wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Paläontologen Don Lessem. Der Wissenschaftler, der unter dem Spitznamen „Dino Don“ berühmt wurde, war bereits als wissenschaftlicher Berater für Steven Spielbergs „Jurassic Park“ tätig. Neben den 17 bis zu 15 Meter hohen Figuren gibt es Kurzfilme und Erlebnisse hinter der Virtual-Reality-Brille.

Auch im Kölner Zoo sind derzeit Dinosaurier zu Hause.
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Das LWL-Museum in Münster bietet für Darius Nau die mit Abstand bedeutendste Sammlung an Dinosaurierfunden aus NRW. Dort landete unter anderem das Fossilmaterial aus dem Teil von Nordrhein-Westfalen, in dem es mesozoische Sedimente gibt.
Auch die Uni Bonn bietet mit dem Goldfuß-Museum viele Funde für paläontologisch Interessierte. Es hat allerdings seit knapp zwei Jahren wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, der Wiedereröffnungstermin steht noch nicht fest.
Abdrücke von pflanzenfressenden Sauriern und einem Raubsaurier kann man in einem ehemaligen Steinbruch an den Saurierfährten Bad Essen-Barkhausen entdecken. Auf einem 16 Kilometer langen Rundweg sind Nachbildungen und Infotafeln zu finden.
In der Eifel wartet ein Urzeit-Abenteuer im Dinopark Teufelsschlucht. Auf dem knapp zwei Kilometer langen Rundweg reisen Besucher durch die Erdgeschichte. Im Mittelpunkt stehen Dinosaurier aus der Jura- und Kreidezeit. Mit 45 Metern Länge und acht Metern Höhe übertrifft der Seismosaurus in der Größe alle anderen europäischen Sauriermodelle.