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Ditib-Moscheen betroffenEntsendung türkischer Imame endet – Volker Beck: „Schritt in richtige Richtung“

Lesezeit 4 Minuten
Die Ditib-Zentralmoschee in Köln. Die größte Islam-Dachorganisation in Deutschland will nach zugesagten Reformen und angekündigter Transparenz über neue Projekte informieren. In einer Pressekonferenz der Ditib in Köln soll es am Mittwoch um Entwicklungen auf Bundes- und Landesebene sowie um die Imam-Ausbildung gehen.

Die Diyanet-Imame sind hauptsächlich in den Moscheen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) tätig.

Die rund 1000 in Deutschland tätigen Prediger der türkischen Religionsbehörde sollen schrittweise durch in Deutschland ausgebildete Imame ersetzt werden.

Die Bundesregierung hat mit der Türkei einen Fahrplan für eine Beendigung der Entsendung von Imamen nach Deutschland vereinbart. Diese ist seit Jahren umstritten, weil die in der Regel für vier Jahre entsandten Prediger als türkische Staatsbeamte Weisungen aus Ankara folgen und meist nur lückenhaftes Wissen über die Lebensrealität in der deutschen Gesellschaft mitbringen. Wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag mitteilte, sollen die derzeit rund 1000 in Deutschland tätigen Prediger der türkischen Religionsbehörde Diyanet über die nächsten Jahre schrittweise durch in Deutschland ausgebildete Imame ersetzt werden.

Die Diyanet-Imame sind hauptsächlich in den Moscheen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) tätig. Einige Dutzend von ihnen predigen nach Informationen der Bundesregierung in den Gemeinden der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (Atib), hinter dem sich die Grauen Wölfe verbergen und von Milli Görüs - zwei Verbänden, die im aktuellen Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwähnt werden.

Regierung will selber Ausbildung zusätzlicher Imame im Inland fördern

Um den ausländischen Einfluss auf das, was in deutschen Moscheen gepredigt wird, noch vor dem endgültigen Ende der Entsendung von Imamen zurückzudrängen, soll die fachliche Verantwortung für diese Prediger im Laufe des Jahres 2024 nicht mehr bei den türkischen Generalkonsulaten liegen, sondern auf die Ditib übergehen.

Die Bundesregierung will ihrerseits die Ausbildung zusätzlicher Imame im Inland fördern. Diese Ausbildung, die Absolventen von Studiengängen für islamische Theologie offensteht, soll aus drei Säulen bestehen: Deutschunterricht, islamische Religionslehre sowie deutsche Geschichte, gesellschaftspolitische Fragen und Werte.

„Ich freue mich, dass wir nach langen Verhandlungen erstmalig eine Vereinbarung mit der Türkei schließen konnten, mit der die Entsendung von staatlich bediensteten Imamen aus der Türkei beendet wird“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie betonte: „Wir wollen, dass Imame sich in den Dialog zwischen den Religionen einbringen und Glaubensfragen in unserer Gesellschaft diskutieren.“

Beck: Muss Institutionen schaffen, die unabhängig von Ankara agieren

„Mit dem Ausbildungsort ändert sich per se noch gar nichts. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob bei der Ditib nicht das gleiche Curriculum gelehrt wird wie in Ankara“, sagt der Kölner Religionswissenschaftler Volker Beck. Der frühere Grünen-Bundestagsangeordnete ist heute als Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien und Geschäftsführer am Tikvah Institut tätig ist.

Um 1000 Imame in Deutschland auszubilden, werde man nach Faesers Plänen rund zehn Jahre benötigen. Allein die Ditib habe rund 900 Moscheen. Hinzu kämen rund 100 Imame in Moscheen bei der Atib und bei Milli Görüs. Die Ditib betreibt bereits heute eine eigene Ausbildungsstätte, die sich im Lehrplan nicht von der Türkei unterscheide, so Beck. Es müsse darum gehen, Institutionen zu schaffen, die unabhängig von Einflüssen aus Ankara agieren können.

Grundsätzlich sei die Vereinbarung der Bundesinnenministerin mit der Türkei „ein Schritt in die richtige Richtung, aber für sich genommen bewirkt er noch nichts“, sagt Beck. Es müsste auch geklärt werden, „mit wem die Imame künftig Arbeitsverträge abschließen und wer sie bezahlt. Sollte das auch wieder Ankara sein, ist doch völlig klar, dass das auch mit einem entsprechenden Einfluss einhergeht.“

„Der türkische Staat bewegt sich. Das ist eine gute Nachricht.“

Deutschland biete bereits eine universitäre Ausbildung für islamische Theologie an. Die werde von den muslimischen Verbänden „nicht gerne gesehen, weil die Absolventen halt universitär aufgestellt sind“, so Beck. Das Islamkolleg Deutschland in Osnabrück „sei aktuell die beste Version für die Imam-Ausbildung, die im Angebot ist“.

Dort werden nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Samy Charchira seit 2019 pro Jahr 25 Imame ausgebildet. „Wir sind die einzige Institution in Deutschland, die eine grundständige Ausbildung in deutscher Sprache organisiert. Wir wären der natürliche Partner, wenn es darum geht, auch eine Ausbildung mit der Ditib zu organisieren.“

Bisher sei die Ditib an die Anweisungen aus der Türkei gebunden. Der Wegfall der Fachaufsicht durch die türkischen Generalkonsulate sei nur ein erster Schritt. „Der türkische Staat bewegt sich. Das ist eine gute Nachricht. Jetzt müssen die Detailfragen geklärt werden.“

Die Ditib bildet seit Januar 2020 in einer eigenen Akademie in Dahlem in der Eifel eigene Kurse für muslimische Theologen zu Religionsbeauftragten in der Gemeindearbeit an. Sie dauert zwei Jahre. Derzeit läuft der zweite Kurs mit 32 Teilnehmenden. Er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. (mit dpa)