Ermittlungen gegen WoelkiSPD fordert Aufklärung und will Kirche Aufarbeitung entziehen

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Köln: Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln, steht im Zentrum der Aufklärungsarbeit zum Missbrauchsskandal der Kirche. Die SPD fordert eine unabhängige Aufarbeitung auf gesetzlicher Grundlage.

Die SPD-Fraktion verlangt im Rechtsausschuss Auskunft über den Stand der Ermittlungen gegen den Kölner Kardinal Rainer Woelki.

Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag verlangt im Rechtsausschuss Auskunft über den Stand der Ermittlungen gegen Kardinal Woelki. Zugleich will sie den Kirchen die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals entziehen.  

Die nordrhein-westfälische SPD fordert im Missbrauchsskandal der Kirchen eine unabhängige Aufarbeitung auf gesetzlicher Grundlage. Dazu solle die Landesregierung zeitnah im Bundesrat eine Initiative einbringen, heißt es in einem Antrag der SPD-Fraktion an die Landesregierung, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Als zentrales Ziel nennt die SPD die gesetzliche Grundlage für die Aufarbeitung nach einheitlichen Standards. Nach dem Vorbild des Bundes sollen auch in NRW ein unabhängiger Missbrauchsbeauftragter bestellt und eine Kommission („Wahrheitskommission“) zur Aufarbeitung eingerichtet werden. Zudem soll es eine erweiterte Akteneinsicht und eine Rechenschaftspflicht der Organisationen geben, in denen Kinder und Jugendliche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Der sexuelle Missbrauch im Seelsorgeverhältnis soll ein eigener Straftatbestand werden.

Thomas Kutschaty: Die Kirche kriegt es selbst nicht hin

„Das Vertrauen in die Kirchenführung und eine interne Aufarbeitung ist weg“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und verwies exemplarisch auf die Situation im Erzbistum Köln unter Führung von Kardinal Rainer Woelki. „Die Kirche kriegt es offensichtlich selbst nicht hin. Wir sind deshalb an dem Punkt angekommen, wo die Politik sich einmischen muss. Auch und gerade als überzeugter Katholik habe ich große Zweifel, dass die Kirche es allein schafft.“ Ihr die Aufarbeitung aus der Hand zu nehmen, sei „kein Angriff, sondern eine vertrauensbildende Maßnahme – auch für Menschen, die an der Schwelle stehen, die Kirche zu verlassen“.

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Kutschaty erinnerte in diesem Zusammenhang an die anhaltende Welle von Kirchenaustritten. Die Kirche sei in der Vergangenheit „ein wichtiger Stabilitätsanker“ gewesen. „In Zeiten von Krieg und anderen bedrohlichen Krisen wäre vielen Menschen der Halt durch starke Kirchen wichtig. Aber besonders meine katholische Kirche kann diesen Halt kaum bieten, weil sie Vertrauen verspielt hat und mit sich selbst beschäftigt ist.“

Bisherige Ergebnisse der Aufarbeitung „erschütternd“

Die Kirche sei ihrer Verantwortung bei der Aufarbeitung des Missbrauchs nicht gerecht geworden, heißt es auch im Antrag der SPD-Fraktion. Mit zunehmendem „Entsetzen“ schaue die Öffentlichkeit seit zehn Jahren dem Versuch der katholischen Kirchenleitungen zu, den Missbrauch und dessen Vertuschung aufzuarbeiten. Die Ergebnisse seien „zum Teil ernüchternd, zum Teil erschütternd“. Deshalb müsse der Staat „im Sinne seines partnerschaftlichen Verhältnisses zur Kirche diese Verantwortung jetzt übernehmen“. Insbesondere bei Taten, die wegen Verjährung oder Tod strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden können, seien einheitliche Standards für die Aufarbeitung entscheidend.

Die Vorgänge um den früheren Papst Benedikt XVI. und um Kardinal Woelki hätten die Kirchen „in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt“. Dass inzwischen ein im Erzbistum Köln beauftragter Missbrauchsgutachter als Rechtsanwalt für den Erzbischof tätig sei, erhöhe das Vertrauen in die Unabhängigkeit des innerkirchlichen Aufarbeitungsprozesses nicht. Der Antrag erwähnt in diesem Zusammenhang auch das von der Staatsanwaltschaft Köln eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Kardinal Rainer Woelki wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung.

Ermittlungen gegen Woelki Thema im Rechtsausschuss des Landtags

Mit diesem Thema soll sich auf Betreiben der SPD an diesem Mittwoch auch der Rechtsausschuss des Landtags befassen. „Wir erwarten von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) einen Bericht zum Stand der Ermittlungen“, sagte Kutschaty. „Als Parlamentarier vertrauen wir der Arbeit der Staatsanwaltschaft, setzen aber auf Transparenz und eine umfassende Information der Öffentlichkeit.“

Benjamin Limbach, Minister der Justiz von Nordrhein-Westfalen, aufgenommen am Rande der Ernennung des neues Landeskabinetts.

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne)

In ihrem Antrag dringen die Sozialdemokraten auf bestmögliche Unterstützung für die Opfer sexualisierter Gewalt. Diesem Anspruch seien die Institutionen, in deren Umfeld die Taten erfolgt sind, aber auch der Staat in der Vergangenheit nicht gerecht geworden, stellt die SPD fest. NRW müsse jetzt vorangehen.

Das Taten-Umfeld reiche über staatliche und private Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportvereine und kirchliche Einrichtungen weit hinaus. Auch deswegen bedürfe es einer zentralen Anlaufstelle. Die Verantwortung für die Aufarbeitung könne nicht bei den Betroffenen selbst liegen. „Sie haben keine Verantwortung für das, was ihnen geschehen ist und es ist ihnen auch nicht zuzumuten, mit Organisationen zusammenarbeiten zu müssen, in deren Rahmen die Taten stattgefunden haben.“

Die bisherige Aufarbeitung in Regie der Kirche sei insgesamt ungenügend, so die SPD-Fraktion weiter. Missbrauchsstudien wie die in den Bistümern Köln, Aachen und Münster unterlägen keinen unabhängigen und vergleichbaren Standards und reichten deshalb für eine umfassende Aufarbeitung nicht aus.

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