Landwirtin aus WindeckDiese Herdenschutzhunde dürfen ihre Herde nicht mehr vor Wölfen schützen

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Jutta Rokitta hat sieben Herdenschutzhunde für ihre gemischte Herde. Nachbarn beschwerten sich über das Bellen, jetzt muss sie die Tiere abends in den Stall bringen.

Jutta Rokitta hat sieben Herdenschutzhunde für ihre gemischte Herde. Nachbarn beschwerten sich über das Bellen, jetzt muss sie die Tiere abends in den Stall bringen.

Jutta Rokitta schaffte sich die Hunde zum Schutz ihrer Herde vor Wölfen an. Der Schafzüchterverband befürchtet ein Grundsatzurteil. 

Die endgültige Entscheidung ist gefallen, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr anfechtbar. Jutta Rokitta muss ihre Hunde nachts ins Haus holen, weil sich die Nachbarn über deren Lärm beschwert hatten. Das Problem ist: Die Herdenschutzhunde sollen eigentlich nachts Rokittas Weidentiere vor Wölfen verteidigen. 

Nun dürfen die Hunde zwischen 22 und sechs Uhr morgens keine Pfote vor die Tür setzen, ebenso wenig an Sonn- und Feiertagen zwischen 13 und 15 Uhr. Weil die sieben Herdenschutzhunde, so die Begründung des Gerichts, „rund um die Uhr häufig und andauernd bellen“. 

Gutmannseichen ist ein ausgewiesenes Wolfsgebiet

Jutta Rokitta sieht das anders. „Sie reagieren auf Störungen, also wenn ein Wildschwein im Wald auftaucht oder ein Wolf“, so die Halterin. Als nebenberufliche Landwirtin hält sie insgesamt 14 Galloway-Rinder, acht Ponys, drei Esel, sechs Ziegen und elf Schafe auf Weideflächen, die direkt an das Dorf Gutmannseichen in Windeck grenzen. Zweimal habe sie hier schon Wölfe gesehen, einmal ein einzelnes Tier, das andere Mal drei zusammen.

Gutmannseichen und die Umgebung sind ein ausgewiesenes Wolfsgebiet; 2018 schaffte Rokitta deshalb Herdenschutzhunde an, Mischlinge aus dem Pyrenäenberghund und jugoslawischem Hirtenhund. Als Gebrauchshunde sind sie von der Hundesteuer der Gemeinde befreit. Doch genau diese Gemeinde erließ die erste Verfügung, nach der diese Hunde nachts im Stall oder im Haus bleiben sollen. 

Ich habe getan, was Naturschutzverbände und Regierung empfohlen haben
Jutta Rokitta

Rokitta hat gegen den sofortigen Vollzug Beschwerde eingelegt, Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben sie abgewiesen. „Damit sind wir am Ende des juristischen Wegs“, sagt ihr Anwalt, Frank Burkhardt: „Es bliebe noch das Verfassungsgericht, aber das erscheint uns wenig sinnvoll.“ Mit seiner Mandantin überlegt er, ob sie gegen das Land Ansprüche geltend machen sollen.

Jutta Rokitta hat sieben Herdenschutzhunde für ihre gemischte Herde. Nachbarn beschwerten sich über das Bellen, jetzt muss sie die Tiere abends in den Stall bringen.

Jutta Rokitta, Landwirtin in Hennef

Denn aus Düsseldorf kam die Empfehlung, Herdenschutzhunde anzuschaffen. „Ich habe nur das getan, was Naturschutzverbände und Regierung empfohlen haben“, so Rokitta. Burkhardt sieht die politischen Entscheidungsträger in der Verantwortung: „Es gibt drei Optionen: Wölfe im Siedlungsgebiet nicht zulassen, die Weidetierhalter sich selbst zu überlassen und keine Nutztiere zulassen oder den Emissionsschutz zurücknehmen.“

Konflikt mit den Nachbarn spitzte sich nach Hundenachwuchs zu

Zwar gehöre Hundegebell in einer dörflich geprägten Gegend in gewissem Umfang zur ortsüblichen Geräuschkulisse, auch der Herdenschutz sei zu berücksichtigen, befand das Gericht. Das Gebell genieße jedoch auch in einem ausgewiesenen Wolfsgebiet keinen absoluten Vorrang vor dem berechtigten Interesse der Nachbarn. Die Frau habe nicht nachgewiesen, auch während der Ruhezeiten zwingend auf den Einsatz der Hunde angewiesen zu sein: Sie verfüge über einen Stall und einen Elektrozaun. Auch habe sie keine Angaben gemacht, wie viele Herdenschutzhunde für ihre Nutztiere notwendig wären und keinen Nachweis geliefert, dass die Hunde nach einem „anerkannten Standard“ als Herdenschutzhunde zertifiziert sind.

Jutta Rokitta hat sieben Herdenschutzhunde für ihre gemischte Herde. Nachbarn beschwerten sich über das Bellen, jetzt muss sie die Tiere abends in den Stall bringen.

Jutta Rokitta hat sieben Herdenschutzhunde für ihre gemischte Herde.

„Ich hatte schon immer Herdenschutzhunde für meine gemischte Herde“, argumentiert Rokitta. Seit 32 Jahren hat sie ihren Hof in Gutmannseichen. Angesichts der vielen Senken und Kuhlen, der steilen Hänge und des unübersichtlichen Geländes seien zwei Hunde zu wenig für den Schutz. Ein Rudel Wölfe sei zudem in einem Kampf überlegen. Die Wirkung von Zäunen sieht sie angesichts dieser Topografie kritisch, wichtiger wäre ihr zufolge ein Untergrabungsschutz. „Das kann ich aber nicht bezahlen“, sagt sie.

Der Konflikt mit den Nachbarn hatte sich zugespitzt, nachdem im vergangenen Jahr aus einem Wurf weitere Hunde dazukamen.

Darscheid: „Wir sind nachts auf die Hunde angewiesen“

Simon Darscheid vom Schafzüchterverband hat den Beschluss mit „großen Sorgen“ aufgenommen. Wie einige seiner Kollegen befürchtet er, das Gericht könne ein Grundsatzurteil gesprochen haben. „Wir müssen schwer aufpassen, dass das Urteil nicht richtungsweisend wird“, so der Schäfer aus Hennef. „Ansonsten ist das mit unseren Hunden ganz schnell vorbei.“

Seit drei Jahren bewachen Schutzhunde auch seine Herde. Seither sorgt er sich auch über Beschwerden über Lärmbelästigung: Wenn er seine Herde verlegt, versucht er dies den Anwohnern rechtzeitig mitzuteilen. „Ich glaube, die Politik stellt sich vor, dass man den Hunden sagen kann: Halt jetzt den Mund und dann hält der Hund auch den Mund. Aber so funktioniert das nicht. Wir sind nachts auf die Hunde angewiesen, dann müssen die Hunde allein entscheiden, ob sie gerade einen Freund oder Feind anbellen“, sagt Darscheid. „Es ist schließlich ihre Aufgabe, den Wolf durch Bellen zu vertreiben.“

Tag der offenen Weide, organisiert von Schäfer Simon Darscheid aus Hennef-Söven

Schafzüchter Simon Darscheid aus Hennef-Söven

Die Beschwerden aus der Nachbarschaft der Landwirtin könne er verstehen, sagt Darscheid. „Ich könnte das auch bei meiner Nachbarschaft verstehen.“ In Nordrhein-Westfalen gäbe es schließlich weniger freie Fläche als in Brandenburg, die Schafherden grenzen deshalb häufiger an Ortschaften. Die Anordnung, dass die Hunde der Landwirtin nun nachts ins Haus gebracht werden müssen, sieht er trotzdem kritisch. Hunde und Herde seien schließlich ein Team, sie verbringen 24 Stunden am Tag zusammen und ertragen eine Trennung schwer. Zudem sei es „eine einzige Katastrophe“ für einen Hund, der eigentlich den Winter draußen bei den Schafen verbringt, mit seinem Winterfell ins beheizte Wohnhaus gesperrt zu sein.

Eine Katastrophe für den Hund und eine Katastrophe für die Halter, findet Darscheid. Vom Land sieht er sich allein gelassen. „Wir kriegen gesagt: Holt euch die Zäune, holt euch die Hunde, um die Herde vor Wölfen zu schützen“, sagt Darscheid. „Wir machen das alles und der Wolf geht trotzdem bei uns plündern. Und jetzt das.“ Er wünscht sich mehr Gesprächsangebote seitens des Landes, mehr Rechtssicherheit für die Schäfer. „Der Beschluss betrifft Hunde, die nicht vom Land gefördert wurden. Aber was ist, wenn das mal bei einem von uns passiert, die aus Landesmitteln geförderte Hunde haben? Soll ich die abends dem Land zurückgeben?“, so Darscheid. „Wir können die Herdenschutzhunde nicht einfach aus dem Regal nehmen und nach Belieben wieder zurückstellen.“ (mit det)

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