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Männer töten, wenn Frauen sich trennen wollenZahl der Femizide in NRW steigt weiter

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Bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen hält eine Teilnehmerin ein Plakat mit der Aufschrift „Femizide stoppen“.

Bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen hält eine Teilnehmerin ein Plakat mit der Aufschrift „Femizide stoppen“.

Wenn Männer, die in traditionellen Rollenbildern verhaftet sind, Entscheidungen ihrer Partnerinnen nicht akzeptieren, kann sich eine Gewaltspirale entwickeln. Die Zahl der Femizide ist in NRW auf 72 Fälle gestiegen.

Die Zahl der Femizide in Nordrhein-Westfalen ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 um 30 Prozent gestiegen. Das geht aus der Antwort von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Susanne Schneider, Sprecherin für Gleichstellung der FDP-Landtagsfraktion hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Danach hat die Polizei im Jahr 2024 in 72 Fällen ermittelt. „Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Jede dieser Taten ist eine Tragödie“, erklärte Reul. Häusliche Gewalt könne ein Vorbote solcher schrecklichen Verbrechen sein.

Seit dem Berichtsjahr 2022 veröffentlicht das Landeskriminalamt das Lagebild „Häusliche Gewalt“, in dem verschiedene Aspekte der Partnerschaftsgewalt und der innerfamiliären Gewalt dargestellt werden. Die Gewalt geht meist vom Partner oder Ex-Partner aus und resultiert meist aus vermeintlichen Besitzansprüchen und tief verwurzelten Machtfantasien. Eine offensichtliche Form des Femizids ist der sogenannte „Ehrenmord“, bei dem der Tod einer Frau die „Familienehre“ wiederherstellen soll.

FDP-Politikerin: „Dramatische Zahlen“

„Die steigende Zahl der Femizide in NRW ist dramatisch“, sagte die Liberale Susanne Schneider unserer Zeitung. Die Taten geschähen größtenteils im nahen Umfeld. „Oft ist die Gewalteskalation auch ein längerer Prozess. Wir sind daher alle aufgerufen, genauer hinzuschauen, wenn es Hinweise auf Gewalt gibt. Von der schwarz-grünen Landesregierung erwarte ich, dass sie alles dafür tut, dass die Zahl der Frauenhausplätze stärker ausgebaut wird“, sagte Schneider.

Die Gleichstellungsexpertin forderte NRW-Frauenministerin Josefine Paul (Grüne) auf, die Prävention zu stärken, damit es erst zu solchen Taten komme. „Es muss besser über mögliche Warnsignale und Handlungsoptionen informiert werden. Alle Institutionen, die mit der Trennungs- und Scheidungssituation befasst sind, brauchen mehr Information über Gefährdungsmuster, um Warnsignale besser ernst zu nehmen und Leitfäden zu entwickeln.“

Täter zu 99 Prozent männlich

Das Landeskriminalamt hatte im Sommer eine umfassende Studie zu Femiziden vorgestellt. Danach wurden im Forschungszeitraum von 2014 bis 2023 mehr als 1600 versuchte und vollendete Tötungsdelikte an Frauen erfasst. In 99 Prozent der als Femizid eingeordneten Delikte waren die Täter männlich. „Bei den untersuchten Fällen sind Täter nicht deutscher Staatsangehörigkeit gegenüber anderen Tötungsdelikten überproportional häufig vertreten“, erklärte das NRW-Innenministerium. Viele Täter zeigten ein stark patriarchales Frauenbild, das mit Kontrolle, Besitzdenken und Eifersucht einhergehe. Experten zufolge war in den meisten Fällen eine angekündigte oder bereits vollzogene Trennung oder Scheidung Auslöser für die Tat.

In Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 70 landesgeförderte Frauenhäuser mit insgesamt 698 Schutzplätzen für Frauen. Vor allem in ländlichen Gebieten gibt es große Versorgungslücken. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass in NRW rund 1200 Plätze in Frauenhäusern fehlen.

Im Mai hatte das Kölner Landgericht einen 45 Jahre alten Mann wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Die Familie war aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet und lebte in Frechen. Die Frau hatte sich von ihrem Mann getrennt. Nach einem Streit war die Mutter von drei Kindern in ihrer Wohnung erwürgt worden.