Der Fall einer seit 16 Jahren krankgeschriebenen Lehrerin, die nie amtsärztlich untersucht worden ist, erhitzte zuletzt die Gemüter. Nun kommen weitere Fälle ans Licht.
16 Jahre nicht im DienstSkandal um jahrelang krankgeschriebene Lehrer weitet sich aus – Ministerium bestätigt Verfahren

Der Skandal um die seit 16 Jahren krankgeschriebene Lehrerin weitet sich aus.
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NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) schien sich ihrer Sache sicher zu sein. Ende August verkündete ihr Sprecher, dass jene Lehrerin, die seit 16 Jahren krankgeschrieben ist, eher einen Einzelfall darstelle. Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf hatte jahrelang versäumt, eine amtsärztliche Untersuchung einzuleiten. Vor diesem Hintergrund habe sich das Ministerium bei allen Bezirksregierungen erkundigt, wie die dortige Schulaufsicht „Zurruhesetzungen wegen Dienstunfähigkeit bearbeitet und kontrolliert“, hieß es.
Die Untersuchung belege demnach eindeutig: „Es gibt etablierte Verfahren mit Regeln und Kontrolle. Die bisherigen Rückmeldungen zeigen, dass die bestehenden Strukturen grundsätzlich funktionieren. Nach aktuellem Stand gibt es keine Hinweise auf ein systemisches Problem, sondern es handelt sich um gravierendes Fehlverhalten innerhalb der Bezirksregierung Düsseldorf.“
Das könnte sich als Trugschluss herausstellen: Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben weitere dubiose Krankheitsfälle von Lehrern zutage gefördert. So etwa an einer Bornheimer Schule. An der Lehrstätte fehlt eine Studiendirektorin bereits seit fünf Jahren. Dennoch steht die Beamtin weiterhin im Lehrerregister und bezieht ihren Sold nach A15, der zwischen 6289 Euro bis 7846 Euro brutto pro Monat liegt. Auf Anfrage bat die zuständige Bezirksregierung Köln um Verständnis, dass man sich „aus Datenschutzgründen weder zu Erkrankungen einzelner Lehrkräfte noch zu konkreten Verfahrensständen äußern darf. Es handelt sich hier um sensible Daten“. Und somit bleibt ungeklärt, warum die Stelle einer langzeiterkrankten Pädagogin seit Jahren nicht neu besetzt wurde. Liegen Schlamperei, Schlendrian oder ein Versagen der Schulaufsicht vor?
Weiterer Fall an Bornheimer Schule
Üblicherweise kann der Dienstherr Beamtinnen und Beamte, die wegen gesundheitlicher Probleme binnen sechs Monaten mehr als zwölf Wochen ausfallen, zum Amtsarzt schicken. Anhand der Diagnose prüft die Bezirksregierung, ob der oder die Lehrerin anderweitig eingesetzt werden kann oder wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden muss.
Besagte Studiendirektorin steht allerdings weiterhin auf der Lohnliste der Schule in Bornheim. Zu den Hintergründen wollte man sich im Kölner Regierungspräsidium nicht äußern. Genauso wenig wie zu einem zweiten Fall: Mit A 14 (zwischen knapp 5200 bis nahezu 7000 Euro) streicht eine Lehrerin an der Schule ein üppiges Gehalt ein. Seit zwei Jahren ist sie im Kollegium krankheitsbedingt nicht mehr aufgetaucht. Anfragen von Lehrern nach den Gründen blieben unbeantwortet. Die Folge: „Wir müssen den Unterricht dann für die Langzeiterkrankten mitmachen“, beklagt Walter M. (Name geändert) gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Was früher die Ausnahme gewesen sei, ist heutzutage gängige Praxis: „Neben unserem Vollzeitjob müssen wir inzwischen mindestens zwei Stunden in der Woche für kranke Kollegen einspringen. Dabei fahren wir personell ohnehin auf der letzten Rille“, moniert der Oberstudienrat. Im kommenden Jahr will sich Walter M. mit 63 vorzeitig zur Ruhe setzen, die entsprechenden Abzüge bei der Pension nimmt er in Kauf. „Nach mehr als 35 Jahren reicht es“, sagt der Lehrer.
Sachbearbeiter überlastet
Allerdings steht er vor einem gravierenden Problem. Seit eineinhalb Jahren versucht der Pädagoge beim Landesamt für Besoldung herauszufinden, wie hoch sein Altersruhegeld sein wird. „Aber dort ließ man mich wissen, dass die Bezirksregierung Köln bis heute nicht in der Lage war, entsprechende Unterlagen zu liefern“, berichtet Walter M.. Als der Lehrer in Köln nachfasste, vertröstete ihn sein Sachbearbeiter auf später. Erst wenn es neue personelle Unterstützung gebe, könne man schneller agieren, so der Tenor. „Ich bedaure die Zeitverzögerung, die der enormen Auslastung geschuldet ist“, mailte der zuständige Sachbearbeiter.
Empört wandte sich der Lehrer an den Personalrat. Dort riet man ihm, die Bezirksregierung wegen Untätigkeit zu verklagen. M. ließ es letztlich bleiben, um Ärger zu vermeiden. Dennoch steigt der Zorn bei ihm hoch, wenn er daran denkt. „Mein bisheriger Eindruck hat sich bestätigt, für die Bezirksregierung Köln bin ich nur eine Nummer, die diese Behörde mit störenden Anfragen belästigt.“
Skandal um 16 Jahre krankgeschriebene Lehrerin
Unterdessen wächst sich der Fall jener Lehrerin, die seit 16 Jahren psychisch erkrankt sein soll, zu einem Skandal aus. So wurde bekannt, dass die Duisburgerin bereits 2017 erfolgreich gegen ihre Versetzung aus dem Berufskolleg in Wesel geklagt hatte. Laut „Bild“-Zeitung hatte sie ein Eilverfahren gegen das Land NRW angestrengt. Weder wurde die Beamtin versetzt noch amtsärztlich auf ihren Gesundheitszustand untersucht. Erst im März 2024 wurde eine neue Sachbearbeiterin auf den Fall aufmerksam. Die Beschäftigte bei der Schulaufsicht ordnete eine amtsärztliche Untersuchung an. Wieder klagte die Lehrerin gegen die Anweisung – doch diesmal erfolglos.
Inzwischen wurde bekannt, dass die angeblich psychisch schwer angeschlagene Lehrerin in all den Jahren als Heilpraktikerin gearbeitet haben soll. Zudem soll sie auch an Gründerwettbewerben teilgenommen und für eine spezielle Handcreme ein Preisgeld von 5000 Euro kassiert haben. Niemandem fiel auf, dass da jemand womöglich gegen das Beamtenrecht verstieß.
Mit Blick auf die augenscheinlichen Versäumnisse zeigte sich Schulministerin Dorothee Feller fassungslos: „Viele Menschen sind zurecht empört, wenn jemand über einen so langen Zeitraum bei vollen Bezügen krankgeschrieben ist, ohne dass der Sache nachgegangen wird. Der jetzt bekannt gewordene Fall ist nicht akzeptabel und in seiner Dimension nicht nachvollziehbar.“
Gegen die Lehrerin ist nun ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Auch in der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf sei intern ein Disziplinarverfahren eröffnet worden, sagte ein Sprecher des NRW-Schulministeriums. Zuvor hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.
Die Bezirksregierung Düsseldorf hat die Disziplinarverfahren gestartet, war aber für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Innerhalb der Behörde betreffe das Disziplinarverfahren die zuständige Person, berichtet „Spiegel“.