Seit Jahrzehnten kämpft NRW-Innenminister Herbert Reul gegen die Zeitumstellung. Als EU-Abgeordneter trieb er die Debatte an, als „Mister Sommerzeit“ wurde er verspottet. Jetzt kommt das Thema zurück – und Reul sieht seine Stunde gekommen.
NRW-InnenministerHerbert Reuls ewiger Kampf gegen die Zeitumstellung

Fotomontage in Herbert Reuls Büro: Der Innenminister wurde in ein Filmplakat des Stummfilms „Ausgerechnet Wolkenkratzer“ montiert.
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Wer Nordrhein-Westfalens Innenminister in seinem Büro besucht, dem fällt ein Bild ins Auge, das neben dem Schreibtisch an der Wand hängt. Es scheint sich um ein Filmplakat des Stummfilms „Ausgerechnet Wolkenkratzer“ aus dem Jahr 1923 zu handeln, bei dem der Hauptdarsteller am Zeiger einer riesigen Uhr über dem Abgrund zappelt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass es sich dabei nicht um den US-Komiker Harold Lloyd handelt. Der Mann, der sich an den Zeiger klammert, ist Herbert Reul. „Eine Fotomontage“, erklärt der CDU-Politiker und schmunzelt. „Das Motiv habe ich damals als Postkarte verschickt. Das ist unglaublich gut eingeschlagen und hat richtig Schwung in meine Kampagne gebracht.“
Die „Kampagne“ – damit meint Reul seinen Kampf für die Abschaffung der Zeitumstellung. „Heute habe ich damit ja politisch nichts mehr am Hut“, sagt der Innenminister. Das Bild habe er aufgehängt, weil es für ihn hohe Symbolkraft habe. „Es erinnert mich jeden Tag daran, dass man als Einzelner in der Demokratie ganz viel bewegen kann, wenn man genug Energie investiert und gute Argumente auf seiner Seite hat“, so Reul.
Reuls Kernanliegen als EU-Parlamentarier
Der Kampf gegen die Sommerzeit war ein Kernanliegen von Reul in seiner Zeit als EU-Parlamentarier. Alles habe mit der Zuschrift einer Bürgerin begonnen, die sich darüber beschwert habe, dass die alljährlichen Zeitumstellungen im Frühjahr und im Herbst für sie eine große Belastung darstellten. „Ich habe zuerst nur den Kopf geschüttelt und mich gefragt, ob die Menschen keine anderen Sorgen hätten. Aber als guter Abgeordneter bin ich der Sache nachgegangen. Je tiefer ich in die in Materie eingedrungen bin, umso mehr wurde mein Jagdinstinkt geweckt“, erinnert sich der Innenminister.
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Schnell stellte sich heraus, dass das ursprüngliche Ziel, Energie einzusparen, nicht erreicht werden konnte. Aber die Neigung, die Sommerzeit wieder rückabzuwickeln, war gering. Wohl auch deshalb, weil sich mit dem Thema politisch kaum ein Blumentopf gewinnen ließ. „Ich habe das trotzdem angepackt“, sagt Reul. „Das war eine mühsame Angelegenheit.“
Schnell wurde Reul wegen seiner Initiative mit dem Spitznamen „Mister Sommerzeit“ verulkt. Mit großer Ausdauer nervte er Freund und Feind in der Bundespolitik mit seinem Anliegen. Es gelang ihm, auf einem CDU-Bundesparteitag einen Beschluss zur Abschaffung der Sommerzeit zu erwirken, und den Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer als prominenten Mitstreiter zu gewinnen.
EU: Klare Mehrheit für Ende der Zeitumstellung
Tatsächlich führte die EU 2018 eine Umfrage durch, in der sich 84 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Sommerzeit aussprechen. Das Europäische Parlament beschloss, dass die EU-Kommission die Entscheidung umsetzen soll. Das ist allerdings bis heute nicht erfolgt. Die Mitgliedstaaten können sich nicht darauf verständigen, ob künftig permanent die Normalzeit gelten oder ob es bei der Sommerzeit bleiben soll. Pünktlich zur Zeitumstellung am Wochenende kommt jetzt erneut Schwung in die Debatte. Der zuständige EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas aus Griechenland sagte in Straßburg, nun sei die Zeit gekommen, „der Zeitumstellung endlich ein Ende zu setzen“. Diese sei „eine Quelle unnötiger Komplikationen in der Gesellschaft“.
Lange bevor Hetze und Spaltung in den sozialen Netzwerken zum gesellschaftlichen Normalzustand wurden, war die Zeitumstellung ein Thema, an dem sich die Geister schieden. Unterstützer und Gegner der Zeitumstellung führen einen zum Teil unerbittlichen Kulturkampf. Während die Fans der Sommerzeit anführen, sie wollten im Sommer gerne abends noch lange bei Tageslicht im Biergarten verweilen, sehen die Anhänger von streng geregelten Schlafphasen die Umstellung als Angriff auf Wohlbefinden und Gesundheit. Die „Schlafspießer“ sehen ihre Position durch zahlreiche medizinische Gutachten gestützt. Eltern von kleinen Kindern wären wohl froh, wenn sich ihr Schlafrhythmus nicht jeden einzelnen Tag um deutlich mehr als „nur“ eine Stunde verschieben würde.
Herbert Reul: „Können uns viel Klimbim sparen“
NRW-Innenminister Reul ist zuversichtlich, dass sein Lebenswerk bald vollendet wird. „Ich bin für die Rückkehr zur Normalzeit“, erklärt der CDU-Politiker. „Damit können wir uns viel Geld und Klimbim sparen – zum Beispiel die fällige Fahrplan-Umstellung, bei der Züge nachts eine Stunde am Bahnhof warten müssen“, sagt der Mann, der sich nach seinem Wechsel in die Landespolitik im Jahr 2017 mit dem Kampf gegen die Clankriminalität erneut ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat. Um die Fotomontage echt wirken zu lassen, hatte sich Reul übrigens an eine Reckstange auf einem Spielplatz in Leichlingen gehängt. „Das sah wahrscheinlich etwas albern aus, aber der Einsatz hat sich gelohnt“, sagt Reul.
