Die vorgezogene Bundestagswahl zwingt auch die Parteien in NRW dazu, Tempo bei der Kandidatenaufstellung zu machen. Wie läuft die Vorbereitung? Ein Überblick.
Poker um ListenplätzeWer ist für die NRW-CDU wichtiger? Jens Spahn oder Armin Laschet?
Die Sitzung wird mit Spannung erwartet. Am Sonntag treffen sich die Vorsitzenden der Bezirke in der NRW-CDU mit Chef Hendrik Wüst, um einen Vorschlag für die Landesliste zur Bundestagswahl aufzustellen. Das Ranking löst in der Regel heftige Kontroversen aus. Denn die Liste wird auch als Tabelle des politischen Gewichts gedeutet. Es geht um Eitelkeiten. Ein Teilnehmer spricht augenzwinkernd von einem „Beauty-Contest“.
Die Platzierung auf der Landesliste ist nur für die Politiker wichtig, die bei der Bundestagwahl ihren Wahlkreis nicht direkt gewinnen. Bei der Bundestagwahl 2021, bei der die CDU nur 24,2 der Zweitstimmen bekam, zogen zwölf CDU-Vertreter aus NRW über die Liste in den Bundestag ein, der letzte war auf Rang 22 platziert. 2017, als die die CDU 32,9 Prozent holte, schafften nur vier Bewerber den Sprung über die Liste nach Berlin. Alle anderen Plätze, die zu vergeben waren, besetzten schon Kolleginnen und Kollegen, die ihren Wahlkreis durch Erststimmen direkt gewonnen hatten. Als Faustregel gilt: Je besser das Ergebnis, umso unbedeutender ist die Listenplatzierung.
Laut Prognose gewinnt die CDU fast alle Wahlkreise in NRW direkt
Sollte das politische Stimmungsbild so bleiben wie bisher, würden nach einer Hochrechnung der Plattform Wahlkreisprognose in NRW alle Bundestagswahlkreise bis auf Leverkusen (dort tritt Karl Lauterbach für die SPD an) direkt von der CDU gewonnen. Weil der Bundestag verkleinert wird, können aber wohl nicht einmal alle Wahlkreisgewinner ein Mandat bekommen. „Wir gehen je nach Wahlergebnis von einem Minus von vier bis sieben Abgeordneten aus“, heißt es bei der CDU in Düsseldorf. Draußen blieben dann die Erststimmensieger mit den schlechtesten Ergebnissen. Das konnte beispielsweise auch Serap Güler treffen, die in ihrem Kölner Wahlkreis aus jetziger Sicht kein glorreiches Ergebnis erwarten darf. Über die Liste würde in diesem Fall erst recht niemand mehr einziehen. Die Reihenfolge darauf sei also „so gut wie irrelevant“.
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Stand jetzt ist Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union selbstredend auf Platz eins gesetzt. Auf Platz zwei wird wohl Vize-Landeschefin Lisa Winkelmeier-Becker folgen, Ex-Bildungsministerin Anja Karliczek und die Kölnerin Serap Güler dürften die weiteren Frauen-Plätze belegen. Bei den Männern ist die Abfolge spannender. Zu den Favoriten für einstellige Platzierungen zählen Ex-Ministerpräsident Armin Laschet, Bundesgeneralsekretär Carsten Linnemann, Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn und Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU.
Unklar ist, ob Außen-Experte Norbert Röttgen bedacht werden soll. Oft verzichten Politiker darauf, sich ins Rennen zu begeben, weil eine nur mäßige Platzierung für der Reputation in Hauptstadt abträglich wäre. Unter ferner liefen dürfte Thomas Haldenwang platziert werden, der bisherige Chef des Verfassungsschutzes. Er kandiert in Wuppertal erstmal für den Bundestag.
Bei der SPD soll die Liste bei einer Landesdelegiertenkonferenz im kommenden Jahr beschlossen werden. Im Landesvorstand geht man davon aus, dass sich das Spitzen-Trio neu sortiert. Möglicherweise wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die neue Nummer eins. Dies wird als Hinweis auf den Plan gewertet, die Duisburgerin 2027 als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl ins Rennen zu schicken. Auf Platz zwei könnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach folgen, der 2021 noch auf Platz 23 Stand. Nummer drei wäre in diesem Szenario Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze, gefolgt von Rolf Mützenich, dem Fraktionschef im Bundestag. Der frühere SPD-Landeschef Sebastian Hartmann (zuletzt Rang drei) dürfte im Ranking zurückfallen.
Bei den Grünen gelten auf den ersten Plätzen die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge als gesetzt. Den ersten Männerplatz dürfte der neue Parteichef Felix Banaszak aus Duisburg einnehmen. Er löst auf der Pole-Position Oliver Krischer ab, der seit 2022 Minister für Umwelt und Verkehr in NRW ist. Auf Platz vier dürfte Queer-Beauftragter Sven Lehmann folgen. Über die Liste wird am kommenden Wochenende bei der Landesdelegiertenkonferenz in Bielefeld entschieden. Anders als bei CDU und SPD sind Kampfkandidaturen auch bei einstelligen Listenplätzen durchaus möglich.
Die Landeswahlversammlung der FDP findet am 15. Dezember in Bielefeld statt. Bislang war Parteichef Christian Lindner auf Platz eins gesetzt, daran dürfte sich trotz der Diskussionen über die Planungen für das Ampel aus nichts ändern. Für das BSW wird Parteigründerin Sahra Wagenknecht in Düsseldorf antreten und auf Platz eins kandidieren. Dort hatte sie bereits ihr Wahlkreis-Büro für die Linke. Die AfD hält ihren Parteitag im Januar ab. 2021 war Verteidigungsexperte Rüdiger Lucassen, früherer Chef der Landespartei, die Nummer eins auf der NRW-Liste für den Bundestag. Er trat im Wahlkreis Euskirchen an.