Polizisten lebensgefährlich verletztStaatsanwaltschaft erhebt nach Brandanschlag Anklage gegen 57-Jährigen

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11.05.2023, Ratingen: Eine Person steht auf dem Balkon von einem Hochhaus, aus dem Rauch quillt. Bei einer Explosion in einem Hochhaus in Ratingen am Donnerstagvormittag wurden mehrere Menschen verletzt - darunter auch Polizisten und Einsatzkräfte der Feuerwehr. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Polizeikreisen. Foto: David Young/dpa - ACHTUNG: Die Perso wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++

Der mutmaßliche Täter steht am 11. Mai auf dem Balkon des Ratinger Hochhauses.

Dem ehemaligen Maler und Lackierer wird nach dem Brandanschlag in Ratingen neunfacher versuchter Mord vorgeworfen.

Viereinhalb Monate nach dem Brandanschlag auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute in Ratingen hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Anklage gegen den 57-jährigen Tatverdächtigen erhoben. Wie eine Behördensprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mitteilte, soll sich der ehemalige Maler und Lackierer Thomas S. (Name geändert) unter anderem wegen neunfachen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung in acht Fällen vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten.

Acht der neun Einsatzkräften sind noch dienstunfähig

Am 11. Mai wollten Einsatzkräfte an der Wohnadresse von Thomas S. einen Haftbefehl vollstrecken. Dieser hatte eine Geldstrafe wegen Körperverletzung nicht bezahlt und sollte eine kurze Ersatzhaftstrafe verbüßen. Im zehnten Stock eines Mietshauses lebte der arbeitslose Handwerker zusammen mit seiner Mutter. Als zwei Polizisten die Wohnungstür aufbrechen ließen und hineinstürmten, zündete der Tatverdächtige einen in Benzin getränkten Lappen an und warf ihn den Beamten entgegen.

Ein Feuerball breitete sich bis hinaus auf den niedrigen Laubengang aus und setzte zahlreiche Einsatzkräfte in Flammen. Brennend stürmten die Beamten die Treppen herunter. Neun Männer und Frauen überlebten die Attacke mit teils schwersten Verletzungen. Ein Spezialeinsatzkommando nahm den Angeklagten kurz darauf fest.

Von den neun beim Anschlag verletzten Einsatzkräften sind acht noch immer dienstunfähig. Die schwerstverletzte Polizistin liegt noch immer im Krankenhaus, sie ist jedoch mittlerweile aus dem Koma aufgewacht und befindet sich nicht mehr auf der Intensivstation. Ihr ebenfalls schwerstverletzter Kollege hat das Krankenhaus verlassen, befindet sich jedoch noch in einer Anschlussbehandlung.

Bei der Explosion wurden sieben Kräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst verletzt. Eine Rettungssanitäterin ist wieder im Dienst, die anderen sechs Einsatzkräfte befinden sich noch immer in ambulanter oder stationärer Behandlung, teilte die Feuerwehr Ratingen am Freitag auf Anfrage mit.

Thomas S. trieb sich auf Verschwörungsseiten rum

Wie sich herausstellte, hatte sich Thomas S. in der Wohnung verbarrikadiert. Er hatte riesige Lebensmittelvorräte angesammelt. Zudem chattete er auf vielen kruden Verschwörungsseiten beim Messengerdienst Telegram. In einschlägigen Kanälen wurde die Demokratie verteufelt, vom „Great Reset“ war die Rede. Antisemitische Verschwörungsideologen vermuten dahinter einen Masterplan zum Umbau der Menschheit, ausgehend von einem elitären jüdischen Geheimbund. Pandemie, Klimawandel, Energiekrise – alles nur inszeniert, um die Menschheit zu unterjochen.

Die Corona-Pandemie galt in diesen Kreisen als Lügengebilde. In dem halbverbrannten Quartier fanden sich bei der Durchsuchung Zettel mit Sätzen wie „Covid 19 Impfung des Todes“. Grammatik und Rechtschreibung sind äußerst fehlerhaft. Auf manche Einträge können sich die Strafverfolger keinen Reim machen. So steht etwa auf einem Zettel „Kindergarten“ notiert und auf einem anderen Papier der Name der Schlagersängerin Helene Fischer. Ein Ausdruck von Hass oder Verehrung?

Monatelang muss Thomas S. zudem mit seiner verstorbenen Mutter gelebt haben. Ihre Leiche wurde nach dem Einsatz in der 60 Quadratmeter großen Wohnung gefunden.

In der Untersuchungshaft hat der Angeklagte bisher keine Aussage gemacht. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, hat ein psychiatrischer Gutachter Thomas S. in seiner vorläufigen Expertise für voll schuldfähig erklärt.

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