Polizei-Azubis fallen zu oft durchJetzt gibt es Rechtschreib-Nachhilfe für Kommissar-Anwärter

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Polizeischüler sind im Einsatz von hinten zu sehen. Sie tragen eine dunkelblaue Jacke, auf der das Wort Polizei deutlich in Weiß zu lesen ist.

Polizeischüler in der Ausbildung fallen zu oft durch.

Die NRW-Polizei bekommt den Fachkräftemangel zu spüren. Dort können Stellen nicht besetzt werden, weil es immer weniger geeignete Bewerber gibt.

Die Polizei in NRW hat ein Problem: Die Quote der Abbrecher in der Ausbildung ist zu hoch. Im kommenden Jahr werden im Land 448 Polizisten weniger zur Verfügung stehen als geplant. Das geht aus einer Vorlage des Innenministeriums für den Personalausschuss des Landtags hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Demnach verließen 147 Anwärter die Ausbildung auf eigenen Wunsch, 290 fielen bei den Prüfungen durch. Um die Durchfallquote zu senken, bietet die Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung jetzt erstmals Nachhilfekurse unter anderem in Rechtschreibung und Zeichensetzung an.  So nutzen jeweils 640 bis 800 Anwärter die Unterstützungsangebote zum Eingriffsrecht, Staats-, Straf- und Verkehrsrecht.

Die Personalnot bei der Polizei wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst von NRW. Aus einer Aufstellung des NRW-Finanzministeriums geht hervor, dass zum Stichtag 1. Januar 2023 rund 17.000 Beamtenstellen und rund 4200 Stellen für Angestellte nicht besetzt waren. Fast alle Bereiche sind betroffen. Zu den Spitzenreitern bei den offenen Stellen zählt das Landesamt für Finanzen: Dort sind 39,95 Prozent der Stellen nicht besetzt.

Polizei steht vor Pensonierungswelle

Die Polizei ist wegen der bevorstehenden Pensionierung der Babyboomer-Jahrgänge besonders stark gebeutelt. Deswegen wurden die Einstellungszahlen kontinuierlich erhöht, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) will jährlich 3000 neue Polizisten ausbilden. Das ist aber offenbar deutlich schwerer als gedacht. „Es gelingt uns einfach nicht, genug qualifizierten Nachwuchs zu finden“, sagt Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. „Die Quote der Abbrecher ist derzeit noch viel zu hoch.“

Früher sei der Polizeiberuf bei den Schulabgängern begehrt gewesen, sagte der GdP-Landeschef. „Wir hatten das Glück, den Besten eine Zusage geben zu können.“ Heute stehe die Polizei in harter Konkurrenz zu anderen Arbeitgebern, die oft attraktivere Konditionen anböten. „Deswegen müssen wir uns um die, die zur Polizei wollen, gut kümmern. Und ihnen helfen, die Ausbildung erfolgreich zu beenden“, erklärt Mertens.

Abitur ist keine Erfolgsgarantie

Der Fachkräftemangel erreicht den öffentlichen Dienst von NRW. Trotz der Krisenzeit mit vielen Unsicherheiten üben auf Lebenszeit sichere Beamtenstellen mit attraktiver Alterssicherung keine große Anziehungskraft mehr aus. Mehr als zehn Prozent der für 2022 geplanten Polizeianwärter-Einstellungen sind durch Bewerbermangel nicht zustande gekommen. „Damit findet auch die Ertüchtigung der Polizei nicht wie geplant statt, und die Überstundenberge bleiben bestehen“, sagt Ralf Witzel, Personalexperte der FDP im Düsseldorfer Landtag.

Für die Einstellung in den Polizeidienst in NRW ist die Fachhochschulreife oder ein vergleichbarer Abschluss erforderlich. Ein bestandenes Abitur ist aber noch lange keine Garantie dafür, dass die Polizeiausbildung erfolgreich durchlaufen wird. Mittlerweile bietet die Polizeihochschule Repetitorien und Lerngruppen für die unterschiedlichen Fachgebiete an.  

Die Anwärter scheitern oft im ersten Ausbildungsjahr an den Klausuren. Wir sind dafür, eine Joker-Klausur zu ermöglichen
GdP-Chef Michael Mertens

Die Gewerkschaft der Polizei setzt sich jetzt dafür ein, die rigide Prüfungsordnung zu flexibilisieren. „Bislang ist es so, dass die Anwärter oft im ersten Ausbildungsjahr an den Klausuren scheitern“, sagt GdP-Chef Mertens. Die Prüfung dürfe nur einmal wiederholt werden. „Wir sind dafür, eine Joker-Klausur zu ermöglichen. Das bedeutet, dass in einem Fach auch zwei Wiederholungen möglich sein sollen. Das könnte Vielen eine faire Chance bieten, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen“, so Mertens. Es ist sei sinnvoller, Wackelkandidaten intensiv zu unterstützen, als sie einfach auszusortieren: „Damit ist am Ende niemandem geholfen.“

Arbeitszeit, Besoldung und Karrierewege sollen auf den Prüfstand

Die Polizeigewerkschaft sieht die Hauptursache für den Personalnotstand in den schlechten Rahmenbedingungen. Eine 41-Stunden-Woche sei insbesondere für den Schichtdienst nicht attraktiv genug, heißt es. Die Zulagen seien seit 1992 nicht erhöht worden. Man müsse zurück zur 38,5-Stunden-Woche, brauche eine bessere Besoldung und attraktivere Laufbahnmodelle. Auch die Option, Quereinsteigern langjähriger Berufserfahrung aus anderen Bereichen eine Chance zu geben, müsse stärker genutzt werden.

Über die Personalkrise im öffentlichen Dienst wird nächste Wochen im Personalausschuss des Landtags debattiert. „Die staatliche Handlungsfähigkeit in Kernbereichen ist in Gefahr“, warnt Ralf Witzel. Es mangele in vielen Bereichen an der nötigen Anzahl und Qualifikation von Neueinsteigern. „Wir brauchen neue Wege zur Generation Z, um diese mitzunehmen. Mit mehr Modernität und Attraktivität im öffentlichen Dienst müssen wir den Knoten durchschlagen“, so der Politiker aus Essen.

Gute Noten werden belohnt

Das NRW-Innenministerium sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Polizeiausbildung zu verändern. „Die Tatsache, dass nicht alle Studentinnen und Studenten den angestrebten Abschluss erreichen, ist kein singuläres Phänomen bei der Polizei, sondern kommt in allen Studiengängen vor“, heißt es dort.

Der Anteil der nicht erfolgreichen Studentinnen und Studenten im Bachelorstudiengang Polizeivollzugsdienst sei im Verhältnis zu anderen Studiengängen „eher moderat“. Künftig sollen sich  gute oder sehr gute Leistungen positiv auf die Absolventen auswirken: Junge Polizisten mit Bestnoten sollen sich aussuchen können, wo sie nach der Ausbildung eingesetzt werden.

Das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW-Polizei hat zudem mit einer Befragung derjenigen Studentinnen und Studenten begonnen, die freiwillig das Studium abgebrochen haben. „Die Abfrage soll die Basis für Maßnahmen schaffen, dem negativen Trend entgegenzuwirken“, teilt das Amt mit. Die ersten Ergebnisse sollen Mitte des Jahres vorliegen.

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