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Reform im RegionalverkehrNRW plant zentrale Verwaltung für Regionalzüge und S-Bahnen

Lesezeit 4 Minuten
S-Bahnen fahren im Kölner Hauptbahnhof ein, am Gleis warten Leute.

Die schwarz-grüne Landesregierung will den Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen künftig aus einer Hand planen und weiterentwickeln.

Die Landesregierung will die drei großen Verkehrsverbünde in einer Gesellschaft zentralisieren. Beim Mobilitätsforum blieb dies ein Tabuthema: Die Verbünde befürchten einen ersten Schritt zu ihrer Abschaffung. 

Das Thema brennt der Nahverkehrsbranche seit Monaten auf den Nägeln: Die schwarz-grüne Landesregierung will den Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen künftig aus einer Hand planen und weiterentwickeln. Noch vor der Sommerpause wollen CDU und Grüne im Landtag dazu einen Gesetzentwurf vorlegen. Beim jährlichen NRW-Mobilitätsforum, das auf Einladung der drei großen Verkehrsverbünde go.Rheinland, Rhein-Ruhr (VRR) und Westfalen-Lippe (NWL) am Donnerstag in Gelsenkirchen stattfand, war das aus ihrer Sicht wichtigste Thema im offiziellen Programm nicht zu finden, aber bei den Gesprächen allgegenwärtig. Kein Wunder: Die mächtigen Verbünde fürchten, dass das nur der erste Schritt sein könnte, um sie endgültig abzuschaffen.

Was verspricht sich das Land von der Reform?

Bisher kümmern sich drei sogenannte Aufgabenträger um den Regionalverkehr: der VRR, der NWL und go.Rheinland. Sie planen den Zugverkehr, schreiben die Strecken aus, um deren Betrieb sich die Bahnunternehmen bewerben können, vergeben die Aufträge und kontrollieren, ob die Fahrleistungen wie vereinbart erbracht werden. All das soll nun in einer Gesellschaft zentralisiert werden.

Was wird dann aus go.Rheinland, dem VRR und dem NWL?

Zunächst müssen sie erhalten bleiben, sind aber nur noch für die Organisation des Betriebs von Bahnen und Bussen auf lokaler Ebene verantwortlich, wie zum Beispiel die KVB und die Stadtwerke Bonn. Auf Dauer könnte aber auch das nicht mehr nötig sein. So planen der Verkehrsverbund Rhein-Sieg und der Aachener Verkehrsverbund bereits ein einheitliches Tarifsystem, das im Jahr 2026 mit nur noch drei Preisstufen und erheblichen Vereinfachungen an den Start gehen soll. VRS und AVV bilden zusammen den Verbund go.Rheinland.

Warum will die Landesregierung das System ändern?

Weil sie es für nicht mehr zeitgemäß hält und die Reform im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen so vereinbart wurde. Die bisherigen Verbundgrenzen machen aus ihrer Sicht nach der Einführung des Deutschlandtickets keinen Sinn mehr, weil die überwiegende Mehrzahl der Pendler inzwischen mit dem Deutschlandticket oder dem Digitalticket eezy.NRW fährt. Im Rheinland sind das rund 90 Prozent aller Nutzer von Regionalzügen und S-Bahnen. Bis auf wenige Ausnahmen fahren diese Züge über die Verbundgrenzen hinweg. Das Land verspricht sich durch die Zentralisierung auch mehr Effizienz bei der Ausschreibung und Vergabe von Fahrleistungen an die Eisenbahnunternehmen. Es soll zunächst eine neue Gesellschaft gegründet werden, in der Vertreter der drei Verkehrsverbünde gemeinsam agieren.

Was muss sich verbessern?

„Das Schienensystem ist das Rückgrat der Verkehrswende in NRW und funktioniert nicht. Das Land ist damit überhaupt nicht zufrieden“, sagte Udo Sieverding, Staatssekretär im Verkehrsministerium, in Gelsenkirchen. Die Pünktlichkeit im Regionalverkehr habe im vergangenen Jahr bei 78 Prozent gelegen. 14 Prozent aller Züge sind ausgefallen. „Wenn wir Landesgeld ausgeben, muss das effizienter geschehen“, so Sieverding. Man hoffe darauf, dass NRW aus dem neuen Sondervermögen des Bundes, von dem 100 Milliarden an die Länder fließen sollen, einen überdurchschnittlichen Anteil erhalte. „Alle Studien belegen, dass wir in NRW einen größeren Nachholbedarf als der Südwesten haben“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Unter den Teilnehmern des Mobilitätsforums machte am Donnerstag in Gelsenkirchen immer wieder das Motto vom „Aufbau West“ die Runde. Nach München und Hamburg seien zuletzt deutlich mehr Mittel in die Modernisierung des Nahverkehrs geflossen.

Das klingt doch vernünftig. Warum gibt es an den Plänen der Landesregierung so viel Kritik?

Die kommt vor allem von den Kommunen. In einem Brief der kommunalen Spitzenverbände an das NRW-Verkehrsministerium fürchten sie, kaum noch Zugriff auf die neue landesweite Nahverkehrsgesellschaft nehmen zu können, die sich dann um die Fahrpläne und den Fahrplantakt und Ausbauvorhaben kümmern soll. Auch könnte es deutlich schwieriger werden, Einfluss auf die Gelder des Bundes zu nehmen. Bisher wird ein Teil der Mittel auch beispielsweise darauf verwandt, auf kommunaler Ebene sogenannte Mobilstationen zu bauen, an denen Pendler vom Fahrrad oder Auto auf die Bahn umsteigen können.

Das ist alles?

Nein. Die Kommunen fürchten vor allem, auf den Betriebskosten für Regionalzüge und S-Bahnen sitzenzubleiben, wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen sich vom Markt verabschiedet. Das war Anfang 2021 bei Abellio in NRW der Fall. Die Kosten für die Abellio-Insolvenz, einschließlich Ersatzverkehre und Neuvergaben, belasten die Steuerzahler bis heute mit über 500 Millionen Euro. Ende 2024 konnte die Eurobahn nur gerettet werden, weil der Nahverkehr Westfalen-Lippe einsprang und die betroffenen Linien im Grunde verstaatlicht wurden.

Dann ist es doch sogar von Vorteil, dass eine Landesgesellschaft den regionalen Zugbetrieb in NRW organisiert, oder?

Auf den ersten Blick schon. Aber die Sache hat einen Haken. Im Gegensatz zu Bayern plant NRW nicht die Gründung einer Landesgesellschaft, sondern ein sogenanntes Fusionsmodell, bei dem die Kommunen in der finanziellen Verantwortung bleiben. Sie müssten also Defizite übernehmen, wenn die Fördermittel des Bundes und des Landes nicht ausreichen oder den Zugverkehr ausdünnen.

Weniger Mitbestimmung, aber volle finanzielle Verantwortung. Warum sollte sich ein Oberbürgermeister oder Landrat darauf einlassen?

Nur dann, wenn es Garantien gibt, dass genau das nicht eintreten wird. „Die Kommunen dürfen für den Schienenpersonennahverkehr nicht in die finanzielle Verantwortung geraten“, sagt Oliver Wittke, Vorstandschef des VRR. „Das war ursprünglich Sache des Bundes, ist dann auf das Land übergegangen. NRW hat diese Aufgabe vom Land auf die Kommunen übertragen. Wenn wir es dabei belassen, darf das auch künftig nicht zu deren Lasten gehen.“