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Kritik an neuer Gesellschaft für den NRW-SchienenverkehrEin Wasserkopf löst keine Probleme

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22.04.2024, Köln: Neues Zeitalter für die S-Bahn Köln: go.Rheinland, VRR und DB präsentieren preisgekrönte Fahrzeuge. Foto: Arton Krasniqi

Losgelöst aus den bisherigen Verkehrsverbünden: Regionalzüge und S-Bahnen sollen nach den Plänen der Landesregierung ab Anfang 2027 unter dem Dach einer neuen Schienenverkehrsgesellschaft fahren. Foto: Arton Krasniqi

Die Pläne des Landes, den Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen in NRW mit einer neuen Schienenverkehrsgesellschaft zu organisieren, stoßen bei go.Rheinland auf Widerstand.

„Schiene NRW.“ Das ist der Arbeitstitel einer neuen Gesellschaft, mit der die schwarz-grüne Landesregierung ab Anfang 2027 den Regionalverkehr, also den Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen organisieren will. Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hofft auf mehr Effizienz, der Verkehrsverbund go.Rheinland sieht das anders. Bisher teilt er sich diese Aufgabe mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL).

Was will die Landesregierung mit der Reform erreichen?

„Wir versprechen uns davon deutlich verschlankte Prozesse, klare Zuständigkeiten und eine einheitliche Linienplanung“, sagt Krischer. Die Grenzen zwischen den drei Verkehrsverbünden machen aus seiner Sicht keinen Sinn mehr, weil die meisten Regionalzüge und S-Bahnen quer durch NRW fahren. Dass der VRR in seinem noch im 30-Minuten-Takt unterwegs sei, während go.Rheinland längst einen 20-Minuten-Takt anbiete, sei widersinnig. Das gelte auch für die unterschiedlichen Bahnsteighöhen im Rheinland und im Ruhrgebiet.

Ein gemeinsamer Verkehrsverbund für NRW. Das klingt doch vernünftig.

Stimmt. Wenn das mal so wäre. Ist es aber nicht. „Schiene NRW“ wird das Verbund-Trio von go.Rheinland, VRR und NWL nicht ablösen, sondern als vierte übergeordnete Organisation hinzukommen. Mit einem zusätzlichen vierköpfigen Vorstand und einem Verwaltungsrat, der aus jeweils sieben Vertretern von go.Rheinland, VRR und NWL bestehen wird.

22.04.2024, Köln: Lässt sich vom Michael Vogel, Geschäftsführer go.Rheinland, das neue Designe der Bahn erklären, Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (v.l.). Neues Zeitalter für die S-Bahn Köln: go.Rheinland, VRR und DB präsentieren preisgekrönte Fahrzeuge. Foto: Arton Krasniqi

Geteilter Meinung über die geplante Strukturreform im Schienenverkehr von NRW: Michael Vogel, Geschäftsführer go.Rheinland und Landesverkehrsminister Oliver Krischer (r.), hier bei der Vorstellung modernisierter S-Bahnen in Köln. Foto: Arton Krasniqi

Was sagt go.Rheinland dazu?

Offiziell äußert sich niemand. Aber klar ist: Bei go.Rheinland stößt die geplante Reform auf erheblichen Widerstand. Es entstehe eine „ineffiziente Doppelstruktur“, ein „Wasserkopf“, der keinerlei Verbesserungen für die Fahrgäste bringe. Es sei nicht zu erkennen, wie „Schiene NRW“ die bekannten Probleme wie die schlechte Betriebsqualität, die marode Infrastruktur und den Personalmangel beheben soll, heißt es einem internen Papier, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Was sagt der Verkehrsminister zu den Vorwürfen? Warum sollte die neue Gesellschaft effizienter arbeiten?

Krischer räumt ein, dass die alten Strukturen nicht ursächlich für die beschriebenen Probleme sind. Dennoch ergebe der Zusammenschluss Sinn: „Wir stehen großen internationalen Konzernen wie der DB oder National Express gegenüber.“  Das gelte auch für die Zughersteller. Bei Ausschreibungen wie dem Fünf-Milliarden-Auftrag für 90 neue Züge für die S-Bahn Rheinland müsse man künftig mit einer Stimme sprechen. Bei der wirtschaftlichen Schieflage der Eurobahn im vergangenen Jahr, die kurz vor der Insolvenz stand, „bedurfte es am Ende 19 kommunaler Beschlüsse und unzähliger Gremiumsitzungen, um nach Monaten zu einer Entscheidung zu kommen. Das war kaum noch handelbar“, so Krischer.

Welche Aufgaben bleiben den alten Verbünden noch, wenn „Schiene NRW“ kommt?

„Die drei Gesellschaften, go.Rheinland, NWL und VRR, bleiben insofern erhalten, als sie für die Koordination des ÖPNV, also das, was an Bussen und Straßenbahnen in den Kommunen stattfindet, nach wie vor eine Funktion haben“, sagt Krischer. Der größte Teil ihrer insgesamt 700 Mitarbeitenden werde aber „in Zukunft bei Schiene NRW tätig sein“.

Der öffentliche Nahverkehr ist chronisch unterfinanziert. Deshalb wird entgegen allen Beteuerungen der Politik der Preis für das Deutschlandticket Anfang 2026 auf 63 Euro steigen. Wird „Schiene NRW“ daran etwas ändern?

Laut Krischer sollen die Kommunen künftig deutlich besser abgesichert sein, wenn ein Verkehrsunternehmen wie zuletzt Abellio im Jahr 2022 Insolvenz anmeldet. Eine Pleite, die NRW rund 530 Millionen Euro gekostet hat. Das Land werde garantieren, in einem solchen Fall ein Grundangebot aus den Regionalisierungsmitteln zu finanzieren, die vom Bund kommen, damit die Städte um Gemeinden nicht zur Kasse gebeten werden. Außerdem werde das Land die Pauschale für den öffentlichen Personennahverkehr, also für Bahnen und Busse, die in den Kommunen fahren, von 130 in zwei Schritten auf 160 im Jahr 2026 und auf 170 Millionen im Jahr 2028 erhöhen.

Immerhin, etwas mehr Geld zum Beispiel für die Kölner Verkehrs-Betriebe ist doch besser als nichts.

Das stimmt. Das garantierte Grundangebot an Regionalzügen und S-Bahnen in Krisenzeiten hat aus Sicht von go.Rheinland einen Haken. Es ist nicht genau geklärt, wie das im Ernstfall geregelt werden soll. Pauschale Leistungskürzungen nach dem Rasenmäherprinzip träfen den ländlichen Raum deutlich härter als die Ballungsräume. Wo pro Stunde nur ein Zug fährt, bräche im Krisenfall gleich die gesamte Wege-Kette zusammen. Bisher haben die Kommunen über die drei Verbünde Einfluss auf solche Entscheidungen. Ob das bei „Schiene NRW“ auch der Fall sein wird, sei „mehr als fraglich“.

Was sagen die Kommunen zu den Plänen?

Der Deutsche Städtetag und der Landkreistag NRW fordern, dass das Land sämtliche finanzielle Risiken im Schienennahverkehr haftet und in Krisenfällen mindestens 90 Prozent des Fahrtenangebots garantiert.

Wo soll die neue Gesellschaft ihren Sitz haben?

Das ist noch nicht geklärt. Die Zentrale von go.Rheinland ist in Köln, der VRR sitzt in Gelsenkirchen, der NWL in Unna. Bisher sei nicht geplant, die Mitarbeitenden von „Schiene NRW“ an einem Ort zusammenzuführen. Es sei nicht geplant, „jetzt große neue Gebäude anzumieten“, sagt der Minister. „Die Menschen arbeiten an den Orten weiter, so sie im Moment gerade sind.“

Wie geht’s jetzt weiter?

Krischer plant, die Strukturreform noch im ersten Quartal 2026 auf den Weg zu bringen. Der Landtag müsste dann über die ÖPNV-Novelle abstimmen.

Was ändert sich für die Fahrgäste, wenn „Schiene NRW“ kommt?

In ihrem Pendler-Alltag kurzfristig gar nichts. Die Baustellen werden bleiben, die Verspätungen auch. Das Deutschlandticket wird ab 2027 der Inflationsrate entsprechend erhöht. Auch die von Krischer kritisierten unterschiedlichen Bahnsteighöhen im Rheinland und im Ruhrgebiet werden noch über Jahre bleiben. Schlagartig von heute auf morgen ändere sich durch eine neue Gesellschaft nichts. Aber in der Perspektive schon. „Wir versprechen wir uns davon, dass die ganzen Schwierigkeiten, die in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten sind, in Zukunft nicht mehr auftreten werden“, so der Verkehrsminister.