Verbindung zum Clan-MileuHat Jaluce einen Obdachlosen ausgenutzt? Der Tiktoker streitet Spendenbetrug ab

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Der Eingangsbereich des neuen Justizzentrums Bochum ist zu sehen, es ist beleuchtet, die Umgebung dunkel.

Die zuständige Staatsanwältin geht davon aus, dass der Influencer Jaluce die finanzielle Not eines Obdachlosen zu seinen Gunsten ausgenutzt hat. (Symbolbild)

Wohltäter oder Betrüger? Der Influencer Jaluce beschäftigt die Staatsanwaltschaft. Hat er einen Obdachlosen benutzt, um sich zu bereichern?

Mit hochemotionalen Videos warb der Influencer Jaluce auf seinem TikTok-Kanal vor 900.000 Followern für Spenden – sie sollten einem obdachlosen Mann in Essen zugutekommen. Mutmaßlich wurde das Mitgefühl vieler Menschen aber ausgenutzt. Denn tatsächlich soll der 24-jährige Deutsch-Libanese rund 34.000 Euro für sich abkassiert haben. Das legen die Vermerke der Polizei und Staatsanwaltschaft nahe, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte.

Jaluce heißt im richtigen Leben mit Nachnamen Remmo (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt). Er soll dem gleichnamigen kurdisch-libanesischen Clan mit bundesweit 1000 Mitgliedern angehören, auf dessen Konto etwa der Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden oder der Diebstahl der Riesen-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum geht. Neben Berlin operiert ein Ableger des Remmo-Clans auch im Ruhrgebiet, insbesondere in Essen.

Der 24-jährige Jaluce galt bei den Clanermittlern der Ruhrmetropole bislang kaum als Größe. Bis zum 16. August 2023. Eine Polizeistreife stieß in der Essener City auf den Obdachlosen Khoder K.. Ein Kontrolleur wunderte sich, dass der junge Mann wieder auf der Straße gelandet war. Laut den Videos sollte Jaluce ihm wieder zu einem besseren Leben verholfen haben.

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Weinen, wenn der Tod der Eltern zur Sprache kommt

K. schilderte den Ermittlungen zufolge, wie es ihm stattdessen schlecht ergangen sein soll: Ein Kontaktmann hat demnach die Verbindung zwischen K. und Jaluce hergestellt. K. sollte in einem Video seine Geschichte erzählen und so Hilfe erhalten. Er soll dabei ausdrücklich aufgefordert worden sein, seine Lebensgeschichte zu dramatisieren und zu weinen, wenn er auf den Tod seiner Eltern zu sprechen käme. „Das habe ich auch gemacht und 20 Euro dafür bekommen“, gab der Zeuge zu Protokoll.

Remmo soll K. auch am Folgetag getroffen haben und ihm erzählt haben, dass das Video viral gegangen sei und schon 8000 Euro auf das Spendenkonto eingegangen seien. Jaluces Bekannter, ebenfalls eine Clan-Größe, soll den Obdachlosen erst in einem Hotel, später in einer Wohnung untergebracht haben. In dieser Zeit flossen die gut 30.000 Euro Spenden auf das Paypal-Konto des Influencers. „Davon habe ich 700 Euro bekommen, den Rest hat der Remmo behalten“, so der Zeugenbericht.

Als Khoder K. für zwei Tage die Wohnung verließ, soll ihn ein Suchtrupp aufgespürt haben. Jaluce soll seine beiden Begleiter als Angehörige des Al Zein- und des Saado-Clans vorgestellt haben – beides mächtige Familien-Syndikate, die im Clan-Ranking des NRW-Landeskriminalamts weit oben stehen. Es kam zum Streit, die drei Männer sollen auf K. eingeprügelt haben. Vor der Kamera habe man ihn gezwungen auszusagen, das Geld für Drogen ausgegeben zu haben, sagte K. den Ermittlern. 

Verfahren wegen Spendenbetrugs und gefährlicher Körperverletzung

Der Zeuge konsumiert nach Ermittlungen tatsächlich Drogen, dennoch vertrauten die Strafverfolger seinen Angaben. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Spendenbetruges und gefährlicher Körperverletzung ein. Die Ermittler fanden Spendeneingänge von 34.350 Euro auf dem genannten Konto, die aber schnell wieder abflossen – der Staatsanwaltschaft zufolge in die Taschen von Jaluce.

Etwa 40 Videos des Influencers drehen sich um Khoder K.. Als die Nachforschungen von Justiz und Polizei sowie die Kritik in den sozialen Medien zunahmen, änderte sich dort der Ton. Jaluce warf seinem vermeintlichen Schützling vor, den Tod seiner Familie erfunden zu haben und schwer drogenabhängig zu sein.

In einem Clip widerrief K., er sei nie verprügelt worden, Spendenbetrug habe es nicht gegeben; vielmehr habe er von Jaluce 20.000 Euro in bar bekommen. Dieser ließ an die Staatsanwaltschaft eine Erklärung übermitteln, die der Obdachlose unterzeichnet hatte. Demnach sei er von anderen Influencern für seine Falschaussage bezahlt worden.

Einige hundert Euro für Dementi gezahlt

Am 25. September 2023 saß Khoder K. erneut bei den Essener Clan-Spezialisten im Büro. Die Ermittler wollten wissen, warum er das unterschrieben habe. Seine Erklärung: Jaluce habe ihn gebeten, die Sache aus der Welt zu schaffen, gegen Geld. Khoder K. stimmte zu, erhielt eigener Aussage zufolge insgesamt 150 Euro für den Widerruf. 

Die zuständige Staatsanwältin sieht den Fall so: Jaluce habe mutmaßlich die finanzielle Not eines Obdachlosen ausgenutzt, um sich „reinzuwaschen“. Der Beschuldigte soll sein Opfer dazu gebracht haben, „sich selbst einer falschen Verdächtigung auszusetzen“. Auf ihren Antrag hin erließ das Amtsgericht einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen Verdunkelungsgefahr. Der Haftbefehl gegen Remmo wurde indes ausgesetzt.

Influencer Jaluce: Habe Morddrohungen bekommen

Jaluce weist die Vorwürfe gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zurück: „Ich werde kurzfristig der Staatsanwaltschaft Beweise über meinen Anwalt vorlegen, dass ich unschuldig bin. Für mich war es immer eine große Freude, Influencer und vielen jungen Menschen ein Vorbild zu sein“, so sein Statement. „Nachdem die Vorwürfe öffentlich gemacht wurden, habe ich nicht nur Beleidigungen, sondern auch viele Morddrohungen bekommen. Ich möchte allen zeigen, dass ich nichts Schlimmes gemacht habe.“

Inzwischen hat Strafverteidiger Burkhard Benecken den Fall übernommen: „Nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe hat im Netz eine regelrechte Hetzjagd gegen meinen Mandanten stattgefunden. Was da teilweise gemacht wird, ist eine Umkehrung der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung in ihr Gegenteil und strafbar“, so der Anwalt aus Marl. „Seitdem wir ein Video mit Statements hochgeladen haben, ist es zum Glück deutlich besser geworden. Meines Erachtens spricht viel dafür, dass der Obdachlose in wesentlichen Punkten die Unwahrheit gesagt hat.“

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