Vielen i-Dötzchen in NRW fehlen Basiskompetenzen bei der Einschulung. Könnte eine Kita-Pflicht Abhilfe schaffen?
Kaum Deutsch-KenntnisseLehrergewerkschaft plädiert für Kita-Pflicht

Ayla Çelik ist die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in NRW.
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Die Bildungsgewerkschaft GEW in Nordrhein-Westfalen fordert die schwarz-grüne Landesregierung auf, das Problem fehlender Deutschkenntnisse bei Erstklässlern vorrangig in den Blick zu nehmen. „Verbindliche Sprachförderung ist entscheidend, damit Kinder mit Förderbedarf rechtzeitig unterstützt werden“, sagte Ayla Celik, Landeschefin der GEW in NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Länder wie Frankreich und Schweden zeigten, dass verpflichtende frühkindliche Bildung die Chancenangleichung verbessere. „Österreich hat das letzte Kindergartenjahr verpflichtend eingeführt und plant ab 2027 ein zweites verpflichtendes Jahr für Kinder mit Sprachförderbedarf“, erklärte Celik. Gleichzeitig würden zusätzliche Fachkräfte ausgebildet. „Das ist Planung mit Weitblick“, sagte die GEW-Landesvorsitzende.
In Deutschland haben Eltern bisher die Wahl
In Deutschland haben Eltern bislang die Wahl, ob sie ihre Kinder selbst oder in einer Kita betreuen lassen wollen. „Eine Kita-Pflicht wäre sinnvoll und wünschenswert, lässt sich aber wegen der fehlenden Infrastruktur kurzfristig nicht umsetzen“, betonte Celik. Schon jetzt würden bereits Zehntausende Kita-Plätze und Fachkräfte fehlen, weswegen die frühkindliche Bildung nicht sichergestellt werden könne: „Uns wird immer wieder rückgemeldet, dass Kinder trotz festgestelltem Förderbedarf ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die erste Klasse kommen.“
Lehrer berichten zudem, dass viele i-Dötzchen in NRW keine Schuhe binden können und dass soziale Kompetenzen fehlen. Kinder, die nicht in die Kita gehen, müssen in NRW ein Jahr vor der Grundschule den Sprachstandstest Delfin 4 absolvieren. Sollte dabei ein Förderbedarf festgestellt werden, müssen die Kinder Sprachkurse belegen. In der Praxis fallen dabei aber immer wieder Kinder durch das Raster. „Das Schnittfeld Kita und Grundschule ist eine Schwachstelle: Förderempfehlungen werden nicht systematisch übermittelt, Qualität und Umsetzung der Förderung variieren stark“, sagte Celik.
Das liege unter anderem daran, dass Ressourcen fehlten und die Zuständigkeiten zwischen Familien- und Schulministerium unklar seien. So sei das Familienministerium für Sprachstandsfeststellung und vorschulische Förderung zuständig, die Schulen würden vom Schulministerium beaufsichtigt. „Es braucht verbindliche Übergabeprotokolle, flächendeckend geschulte Fachkräfte und klare Verantwortlichkeiten. Nur so wird aus der Feststellung von Defiziten echte Förderung“, sagte die Gewerkschaftsvorsitzende.
NRW-Schulministerin Feller kündigt mehr Tests an
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte ankündigt, dass mit dem neuen „Schulkompass NRW 2030“ auch mehr Tests geschrieben werden sollen, um Defizite von Schülern bei den Basiskompetenzen festzustellen. Diagnosen allein würden den Bildungserfolg nicht verbessern, solange die strukturellen Probleme nicht gelöst würden, hieß es. Gute frühkindliche Bildung sei essenziell für mehr Chancengleichheit in Bezug auf den Bildungsweg der Kinder.
Der GEW-Frühjahrsreport 2025 zur psychischen Gesundheit von Lehrkräften hatte herausgestellt, dass vor allem strukturelle Bedingungen den Lehrkräften die Arbeit erschweren. Sie überschritten regelmäßig ihre Belastungsgrenze, hieß es. Im Jahr 2025 hatten rund 700 Lehrer den Schuldienst verlassen.
In dieser Woche werden landesweit rund 174.000 neue Erstklässlerinnen und Erstklässler an den Grundschulen erwartet. Mit ihrem ersten Schultag werden sie Teil der Schulgemeinschaft, die in NRW aus rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schülern besteht.