„Teuflische Homolobby“ und „Genderdreck“Pastor wegen Volksverhetzung vor Gericht

Pastor Olaf Latzel
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Pastor Olaf Latzel ist an seiner Wirkungsstätte, der St.-Martini-Gemeinde Bremen, und weit darüber hinaus kein Unbekannter. Seine – zweifelhafte – Berühmtheit verdankt der 1967 geborene Theologe anstößigen Positionen und Aussagen, die nicht nur in Politik und Gesellschaft, sondern auch in der evangelischen Kirche auf Widerspruch stoßen.
So bezeichnete Latzel 2015 im Rahmen einer Predigt Buddha als „dicken, alten, fetten Herrn“, das islamische Zuckerfest als „Blödsinn“ und katholische Reliquien als „Dreck“.
Zur Person
Michael Bertrams (72) war bis 2013 Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW. Er schreibt über aktuelle Streitfälle sowie rechtspolitische und gesellschaftliche Entwicklungen.
Auf einem Eheseminar seiner Gemeinde im Oktober 2019 sagte Latzel: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christopher Street Day und feiern ihre Partys.“ Laut Bibel sei gelebte Homosexualität genauso wie Ehebruch ein „todeswürdiges Verbrechen“, auch wenn man deshalb niemanden umbringen müsse. Ferner sprach Latzel von einer „teuflischen“ Homolobby und von „Genderdreck“, der „eine Art Angriff auf Gottes Schöpferordnung“ sei. Früher hätten unverheiratete Paare keine Wohnung mieten können. Heute könne man schon froh sein, wenn ein Mieter „nicht mit seinem Schaf oder mit ’nem anderen Mann“ ankomme.
Pastor Latzel stachelte zu Hass auf
Aufgrund dieser – auch online verbreiteten – Äußerungen wurde gegen Latzel Strafanzeige erstattet und von der Staatsanwaltschaft im Juli 2020 Anklage wegen des Verdachts der Volksverhetzung erhoben. Latzels Äußerungen seien geeignet, zum Hass gegen homosexuelle Menschen aufzustacheln. Im November 2020 sprach das Amtsgericht Bremen Latzel der Volksverhetzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, umgewandelt in eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro.
Gegen dieses Urteil hat Latzel beim Landgericht Bremen Berufung eingelegt. Dieses hat nun Ende August ein theologisches Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem geklärt werden soll, ob sich Latzels Aussagen aus der Bibel begründen lassen und von der Religionsfreiheit gedeckt sein können.
Juristisch abwegig
Über beide, den Pastor und das Landgericht, kann ich nur den Kopf schütteln: Über Latzel wegen seiner menschenverachtenden, fundamentalistischen Ansichten und über das Landgericht wegen seines in meinen Augen juristisch abwegigen Rechtsverständnisses.
Gemäß Artikel 20 des Grundgesetzes ist die Rechtsprechung „an Gesetz und Recht gebunden“. Angewandt auf den Fall Latzel, bedeutet dies: Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob sich Latzel wegen Volksverhetzung strafbar gemacht hat, ist nicht die Bibel, sondern das Strafgesetzbuch (StGB).
Regelung im Strafgesetzbuch
Die dort in Paragraf 130 geregelte Volksverhetzung ist ein Straftatbestand, der unter anderem dann erfüllt ist, wenn jemand den öffentlichen Frieden stört, indem er zu Hass, Gewalt und Willkür gegen bestimmte Gruppen von Menschen oder Einzelne wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe aufstachelt oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wie es das Amtsgericht Bremen bejaht hat, muss das Landgericht Bremen im Rahmen des bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens noch einmal überprüfen. Dafür ist unerheblich, was die Bibel zur Homosexualität sagt, ob sie diese befürwortet, verwirft oder in sonstiger Weise bewertet. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die Tatbestandsmerkmale vorliegen, an die Paragraf 130 StGB eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung knüpft.
Latzel bemüht die Religionsfreiheit
Daran ändert die von Latzel zu seiner Verteidigung bemühte Religionsfreiheit ebenso wenig wie das Recht auf freie Meinungsäußerung. Denn aus beiden Verfassungsnormen lässt sich kein Recht ableiten, gegen Homosexuelle zum Hass aufzustacheln oder diese zu beschimpfen oder böswillig verächtlich zu machen.
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Wollte man dies anders sehen, würden Bibelauslegungen oder Auslegungen des Korans oder des religiös geprägten islamischen Rechts, der Scharia, zum Maßstab strafrechtlicher Bewertung und die Religionsfreiheit zu einem Freibrief für religiös motivierte Taten, bis hin zum religiös begründeten Mord an „Ungläubigen“.
Aussagen der Bibel
Zu Recht nennt deshalb der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig den Bremer Vorgang „befremdlich“. Für die Frage, ob der objektive Tatbestand einer Volksverhetzung erfüllt werde, dürfe die theologische Bewertung von Homosexualität keine Rolle spielen. Was die Bibel sage, sei im säkularen Rechtsstaat keine sinnvolle Frage für ein Gerichtsgutachten.
Dass das Bremer Landgericht gleichwohl ein solches Gutachten in Auftrag gegeben hat, entpuppt sich als untauglicher Versuch, Latzel mit einem für ihn günstigen Gutachten eine Brücke zur Straffreiheit zu bauen. Ein auf die Bibel gestützter Freispruch Latzels vom Vorwurf der Volksverhetzung hätte jedoch in einer rechtskundigen Revisionsinstanz keinen Bestand.