Potsdamer „Geheimtreffen“Weiter Streit über Correctiv-Recherche zu Treffen mit Rechtsextremen

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Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen.

Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. Daran soll auch der bekannteste Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen haben.

Die Correctiv-Recherche hat eine massive Protestwelle gegen Rechtsextremismus in Deutschland ausgelöst. Aber auch gerichtliche Auseinandersetzungen, die Correctiv größtenteils gewann. Ein Überblick.

Selten hat eine journalistische Recherche in den vergangenen Jahren derart große gesellschaftliche Reaktionen in Deutschland hervorgerufen: Der Artikel des Recherchezentrums Correctiv über ein „Geheimtreffen“ von rechtsextremen Aktivisten, Unternehmern, AfD-Politikern und Mitgliedern von CDU und Werteunion in im Potsdamer Hotel „Landhaus Adlon“ im vergangenen November hat Millionen Menschen in Deutschland erreicht und bundesweit Massendemonstrationen gegen die AfD beflügelt.

Doch seit der Veröffentlichung gibt es auch Kritik an der Recherche und der Form ihrer Veröffentlichung, mittlerweile befassen sich auch Gerichte mit ihr.

Ein Überblick.

Was ist der Kern der Correctiv-Recherche?

Im Zentrum der Correctiv-Recherche stand ein Treffen im „Landhaus Adlon“, einem Hotel am Rand der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Eingeladen hatte Gernot Mörig, ein Zahnarzt mit jahrzentelangen Verbindungen ins rechtsextreme Milieu. Teilnehmer des Treffens waren unter anderem Unternehmer, AfD-Politiker, Mitglieder von CDU und Werteunion und bekannte rechtsextreme Aktivisten.

Die Correctiv-Recherche fokussierte sich insbesondere auf einen Vortrag des österreichischen Rechtsextremen und Identitären-Aktivisten Martin Sellner zum Thema „Remigration“. Dieser Begriff wird in rechtsextremen Kreisen als Euphemismus für Massenabschiebungen verwendet. Sellner, so berichtete es Correctiv, habe nicht nur über die Abschiebung ausländischer Staatsbürger gesprochen.

Auch „nicht assimilierte“ deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sollten aus Deutschland verdrängt werden. Man müsse einen „hohen Anpassungsdruck“ auf die Menschen ausüben, zum Beispiel über „maßgeschneiderte Gesetze“ zitiert Correctiv Sellner.

Wie hat Correctiv recherchiert?

Nach der eigentlichen Recherche hat Correctiv auch ein „Making of“ veröffentlicht. Demnach erhielten die Reporter zunächst aus dem Kreis der eingeladenen Gäste einen Hinweis auf das Treffen. Auch ein Investigativ-Team der Organisation Greenpeace habe bereits dazu recherchiert und Material mit Correctiv geteilt. Ein Correctiv-Reporter mietete selbst ein Zimmer im Hotel an, Correctiv positionierte außerdem Kameras außerhalb des Hotels, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens zu fotografieren.

Welche Quellen Correctiv für die bei dem Treffen getätigten Aussagen hat, geben die Journalisten aus Quellenschutzgründen nicht preis. „Was wir aus dem Treffen zitieren, haben uns mehrere Quellen bestätigt“, sagte Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels im Januar in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens beschuldigten Correctiv öffentlich, den Veranstaltungsraum verwanzt und heimliche Tonaufnahmen angefertigt zu haben. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, die an dem Treffen teilgenommen hat, stellte deshalb Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Potsdam teilte dem RND nun mit, das weiterhin geprüft werde, ob ein entsprechender Anfangsverdacht vorliegt.

Besonders in rechtsextremen Kreisen wurde zudem mehrfach die Behauptung aufgestellt, Correctiv hätte in der Recherche mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet. Dafür gibt es allerdings keinerlei Hinweise, Correctiv wies den Vorwurf zurück.

Welche Kritik gibt es an den Correctiv-Veröffentlichungen?

Mehrere Teilnehmer des Potsdamer Treffens haben Teile der von Correctiv recherchierten Gesprächsinhalte bestritten. Besonders in rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen wurde die Recherche stark kritisiert. Teilweise wurden das Treffen im „Landhaus Adlon“ und die Teilnehmer des Treffens dabei als eigentlich harmlos beschrieben.

Kritik an der Correctiv-Recherche und am Stil der Veröffentlichungen gab es allerdings nicht nur von rechts. Der Gründer des Medienjournalismus-Portals Übermedien, Stefan Niggemeier, kritisierte etwa intransparente Änderungen einzelner Formulierungen in der Correctiv-Recherche nach deren Veröffentlichung.

Im Epilog des Artikels hatte es ursprünglich geheißen, bei dem Potsdamer Treffen sei es um einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer ‚Ethnie‘“ gegangen. Später wurde der Verweis auf die Ethnie dann jedoch aus dem Text gestrichen. Correctiv erklärte auf Niggemeiers Anfrage, es habe sich um eine Kürzung aus redaktionellen Gründen gehandelt, die ohne Absicht nicht kenntlich gemacht wurde. In Reaktion auf diese Anfrage wurde die Änderung dann nachträglich kenntlich gemacht.

In der „Süddeutschen Zeitung“ beklagte der Journalist Philipp Bovermann „eine Konstellation, die es so in der jüngeren Vergangenheit mehrfach gab: Journalisten berichten über Vorwürfe und sammeln belastbare Fakten, verbinden sie dann beim Verfassen des Artikels aber zu einer schmissigen Geschichte, statt nüchtern zu referieren und die Interpretation den Leserinnen und Lesern zu überlassen.“

Wie ist der Stand der juristischen Auseinandersetzung um die Recherche?

Mit der Frage, ob Correctiv korrekt recherchiert hat und die Fakten in seinen Veröffentlichungen richtig wiedergibt, beschäftigen sich mittlerweile auch Gerichte. Der Jurist Ulrich Vosgerau, einer der Teilnehmer des Potsdamer Treffens, beantragte beim Landgericht Hamburg eine Unterlassungserklärung gegen Correctiv. Vosgerau griff drei Formulierungen im Correctiv-Text an, eine untersagte das Gericht, zwei darf Correctiv weiterhin verbreiten. In der nun verbotenen Formulierung ging es allerdings nicht um Sellners „Remigrations“- Pläne, sondern um eine Äußerung Vosgeraus über die Erfolgsaussichten massenhafter Wahlprüfungsbeschwerden.

Um den Kern der Correctiv-Recherche ging es in dieser gerichtlichen Auseinandersetzung hingegen gar nicht. Vosgeraus Anwalt Carsten Brennecke von der Kölner Kanzlei Höcker bezeichnete das Verfahren trotzdem als „großen Erfolg“. Correctiv sprach auf der anderen Seite ebenfalls von einem „wichtigen Erfolg“.

Beide Seiten hatten in dem Prozess eidesstattliche Erklärungen eingereicht – sieben Erklärungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Treffens, acht Erklärungen von Correctiv-Journalistinnen und -Journalisten.

Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen. Anwalt Brennecke kündigte nach der Entscheidung des Landgerichts an: „Unser Mandant wird diese Entscheidung in der Beschwerde zum Oberlandesgericht Hamburg angreifen.“

Eine weitere Klage eines Teilnehmers des Potsdamer Treffens, der nicht namentlich im Artikel genannt werden wollte, wies das Landgericht Hamburg ab.

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