Rassismus?Araber- oder Indianer-Kostüme im Karneval sind nicht das Problem

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  • Sind Indianer- oder Mexikanerkostüme im Karneval noch zeitgemäß und vor allem politisch korrekt? Vor allem unter jüngeren Menschen wird diese Frage debattiert – und manche plädieren entschieden dagegen.
  • Unsinn, sagt unsere Kolumnistin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor.
  • In dieser Folge erklärt sie, warum Rassismus deutlich größere Probleme hat als den Karneval im Rheinland – und welche das sind.

Köln wird überrannt von Ausländern: von Arabern mit Kufija, Mexikanern mit Sombrero, Afrikanern im Afrolook, amerikanischen Ureinwohner mit Federschmuck. Wo man am Montag, dem berühmten Elften im Elften, auch hinsah: überall Fremde. Und sie sind gekommen, um zu bleiben. Mindestens bis zum 26. Februar, denn am Aschermittwoch ist zwar alles vorbei, aber doch nur bis zur nächsten Session.

Bevor ich begann, diese Kolumne zu tippen, habe ich mir das zweimal überlegt. Ausgerechnet ich als Westfälin äußere mich zu einer rheinischen Institution wie dem Karneval? Und dann auch noch in einer Kölner Zeitung? Ein Wagnis, keine Frage. Aber ein Wagnis, das ich eingehen möchte. Muss es denn wirklich sein, dass man sich in Ethno-Kostüme schmeißt und als Angehöriger einer anderen Kultur verkleidet, wodurch man diese auf reine Klischees reduziert, um dann allerlei alberne Dinge zu tun: auf Tischen tanzen, wildfremde Menschen knutschen und sich eine Kölsch-Stange nach der anderen hinter die Binde kippen? Ist das nicht fürchterlich rassistisch?

Nun, ich persönlich würde keine solche Verkleidung wählen. Wenn ich mich in den Karneval verirre, bin ich als Fee oder Hexe unterwegs, oder ich verschwinde hinter einer echten venezianischen Maske. So habe ich es jedenfalls bisher gehalten. Ich finde es unangemessen und auch wenig kreativ, sich als Angehöriger eines zwar fremden, aber doch realen menschlichen Kulturraums auszugeben. Der Fantasy-Bereich, die Welt der Mythen und Legenden, Mangas und Animes, die Schar der Harlekins und Clowns, die Historie, die Politik und Tierwelt bieten doch genug Inspiration. Lustig könnte es auch sein, als Bierdose, Seifenspender oder offenes Buch zu gehen. Im Grunde sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt die Islam-wissenschaftlerin über Interkulturalität und Integration

Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt die Islam-wissenschaftlerin über Interkulturalität und Integration

Der Karneval ist aber – trotz der alljährlichen Wiederholungsschleife – etwas Vorübergehendes, etwas zeitlich Begrenztes. Echter Rassismus findet dagegen tagtäglich und ohne Pause statt – ganz egal, welche Jahreszeit wir haben. Sich nun ausgerechnet in der fünften Jahreszeit moralinsauer und sittenstreng auf das zeitweilige Verhalten von ein paar Jecken zu kaprizieren, zieht die Aufmerksamkeit vom wahren Problem ab. Und nur allzu berechtigten Hinweisen auf das Wesentliche wird der Wind aus den Segeln genommen. Wenn alles gleichermaßen als Rassismus gebrandmarkt wird, wird der Vorwurf beliebig und verliert auf die Dauer an Gewicht und an Schärfe.

Wer sich heute als Biene verkleidet und morgen als Araber, um auf eine Karnevalssitzung zu gehen, tut das in der Regel nicht, um gezielt Araber abzuwerten; mal abgesehen davon werden sich die meisten Araber gar nicht angesprochen fühlen, da sie sich ganz anders kleiden, als die „authentischen“ Kostüme es suggerieren. In ihrer Beiläufigkeit liegt übrigens auch der Unterschied zu „Knecht Ruprecht“ oder zum „Zwarten Piet“ in den Niederlanden. Beide Figuren gezielt als Schwarze darzustellen, die den mehr oder weniger bösen Diener der edlen, weißen Hauptfigur mimen, des heiligen Nikolaus oder des Sinterklaas – das trägt dazu bei, die über Jahrhunderte hinweg sehr reale Diskriminierung von Menschen dunkleren Hauttyps in den Köpfen aufrechtzuerhalten und zu verlängern. Eine solche ethnisch konnotierte Werte-Hierarchie von Gut und Böse in den Mittelpunkt von Prozessionen oder szenischen Darbietungen für ein Publikum jeden Alters, von den Kleinkindern bis zu den Urgroßeltern, zu stellen – das prägt. So etwas ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern gehört einfach nicht mehr in unsere Welt. Tradition hin, Tradition her.

Strukturelle Formen von Rassismus

Womit wir uns also zu beschäftigen haben, sind strukturelle und institutionelle Formen von Rassismus. Ein Verein wie die „Frechener Negerköpp“ hat im vorigen Jahr goldrichtig entschieden, als er sich in „Wilde Frechener“ umbenannte.

Auf den Bühnen und in der Bütt, überall, wo vor Menschenansammlungen etwas aufgeführt oder vorgetragen wird, ist ebenfalls Sensibilität angebracht. Darüber hinaus jedoch darf man ruhig etwas entspannter sein und muss es mit der politischen Korrektheit nicht gar so genau nehmen. Nicht einzelne Karnevalisten sollen mit einem schlechten Gewissen herumlaufen müssen, weil sie sich oder ihre Kinder als Indianer verkleiden, die dann in einer feiernden Masse aufgehen. Schämen sollten sich jene, die sich aus der Masse heraus im Alltag ausgrenzend gegenüber Minderheiten verhalten.

Wer trotzdem auch im Karneval besonders kritisch sein möchte, der sollte sich dann konsequenterweise schon auch fragen: Wie steht es damit, verkleidet als Bayer in Lederhosen oder als Bayerin im Dirndl auf den Alter Markt zu gehen? Ist das dann weniger rassistisch? Oder macht man Polizisten nicht verächtlich, wenn man als Bulle geht? Pflegerinnen, wenn man sich als Krankenschwester verkleidet? Und Ordensschwestern, wenn man auf sexy Nonne macht?

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