„Es wird in der Hölle enden“Russische Oligarchen lästern über „Trottel“ Putin und Zustand des Landes

Lesezeit 4 Minuten
Der russische Präsident Wladimir Putin wird im Gespräch als „Trottel“ bezeichnet. Er kennt die mutmaßlich für das Gespräch verantwortlichen Oligarchen und wird einschätzen können, ob die Aussagen authentisch sind. (Symbolbild)

Der russische Präsident Wladimir Putin wird im Gespräch als „Trottel“ bezeichnet. Er kennt die mutmaßlich für das Gespräch verantwortlichen Oligarchen und wird einschätzen können, ob die Aussagen authentisch sind. (Symbolbild)

Ein geleaktes Gespräch, mutmaßlich geführt von zwei russischen Unternehmern, soll zeigen, wie Russlands Elite über Wladimir Putin denkt.

Der Mitschnitt eines geleakten Telefongespräches, mutmaßlich geführt von den russischen Oligarchen Roman Trotsenko und Nikolai Matuschewski, sorgt für Aufsehen in der Ukraine und in Russland. Darin zeichnen die Gesprächspartner einen düsteren Zustand der politischen und wirtschaftlichen Lage in Russland.

In ihrem Heimatland gehe „alles den Bach runter“, das Land liege „in den Händen von Arschlöchern“. Aufgetaucht ist der Mitschnitt im Internet, Medienberichten zufolge erhielt „Sistema“, ein investigatives Projekt des Nachrichtensenders „Nastojaschtscheje Wremja TV“ und des US-Senders „Radio Liberty“ aus einer anonymen Quelle den Link zu einer öffentlich zugänglichen Audioaufnahme – mit dem Hinweis, dass es angeblich von dem milliardenschweren Unternehmer Roman Trotsenko geführt worden sei.

Mehrere Indizien deuten zudem darauf hin, dass der Mann am anderen Ende der Leitung Oligarch Nikolaj Matuschewski, der in der Vergangenheit bereits offen mit der Opposition sympathisierte, sein könnte.

Geleaktes Gespräch zwischen russischen Oligarchen? „Roma“ und „Kolja“ lästern über Wladimir Putin

Anton Gerashchenko, ehemaliger stellvertretender Innenminister der Ukraine, teilte Ausschnitte des Gesprächs auf Twitter, und kommentierte, dass russische Oligarchen schon bald öffentlich über die bevorstehende Katastrophe sprechen würden.

Der mutmaßliche Dialog zwischen den in Russland bekannten Unternehmern Trotsenko und Matuschewski, die sich im Telefonat vertraulich „Kolja“ (angeblich Matuschewski) und „Roma“ (angeblich Trotsenko) nennen, fand dem Rechercheteam zufolge Anfang Januar 2023 statt. Am russischen Präsidenten sowie an der aktuellen wirtschaftlichen Verfassung des Landes lassen beide kein gutes Haar.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 2011: Wladimir Putin und Roman Trotsenko schütteln sich nach einem Geschäftsabschluss die Hände. (Archivbild)

Eine Aufnahme aus dem Jahr 2011: Wladimir Putin und Roman Trotsenko schütteln sich nach einem Geschäftsabschluss die Hände. (Archivbild)

„Leider ist Russland, das wir so aufrichtig lieben, in die Fänge einiger Drecksäcke geraten, die sich zu einigen seltsamen Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert bekennen. Das kann nicht gut ausgehen, es wird in der Hölle enden... Die Menschen werden sich auf den Straßen von Moskau gegenseitig umbringen“, warnt Roma in der Audioaufnahme.

Trotsenko und Matuschewski dementieren Echtheit der Aufnahme – Rechercheteam sieht das anders

Kolja lästert in der Folge über den russischen Präsidenten Wladimir Putin, bezeichnet ihn als „Trottel“. Es gäbe „kein Konzept für das, was als Nächstes kommt. Sie werden sterben irgendwann und nichts hinterlassen. Es wird einfach eine verbrannte Wüste sein“, so Kolja.

Trotsenko und Matuschewski dementierten auf Anfrage, dass die Aufnahme authentisch sei, eine Reihe von Indizien sprechen allerdings für die Echtheit, so das Rechercheteam. Es führt unter anderem die Behauptung im Telefonat, Matuschewski befinde sich auf Bali, an – was zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Fotos auf Instagram bestätigen würden.

Außerdem entspreche die Telefonnummer, von der aus angerufen worden sein soll, einer der Redaktion bekannten Nummer von Trotsenko. Des Weiteren stimmten auch die Details des Gesprächs – unter anderem geht es um einen Umzug und die Kinder – mit den Informationen über die Geschäftsleute überein.

Russische Oligarchen sprechen öffentlich kaum über Ukraine-Krieg

So sage „Roma“ im Gespräch, dass er in zehn Jahren 62 Jahre alt sein werde (Trotsenko ist aktuell 52 Jahre), sein Gegenüber spreche wiederholt über Projekte bei einem Unternehmen, das nachweislich bis 2021 besessen habe. Bestätigen lässt sich die Echtheit des Telefonats allerdings nicht, das räumt auch der Nachrichtensender „Nastojaschtscheje Wremja TV“ ein, man könne daher nur „mit relativer Sicherheit sagen, dass es sich bei den Stimmen der Männer um Trotsenko und Matushevsky handelt“.

Das Gespräch wäre nicht die erste geleakte Tonaufnahme zwischen Vertretern der russischen Wirtschaftselite. Bereits in der Vergangenheit gelangten brisante Mitschnitte an die Öffentlichkeit. Die Aufnahme eines mutmaßlichen Gesprächs zwischen Musikproduzent Iosif Prigoschin und Milliardär Farchad Achmedow sorgte vor rund einem Monat für Wirbel in Moskau.

Offene Kritik am Kreml sowie am russischen Angriffskrieg äußerten russische Oligarchen seit Beginn der Invasion nur in Ausnahmefällen

Roman Trotsenko ist laut Forbes mit einem geschätzten Vermögenswert von 3,2 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Geschäftsleute in Russland. Er ist Eigentümer der Aeon Corporation, zu der 22 Flughäfen in Russland, die Moskauer Flussdampferlinie und mehrere Flusshäfen gehören. Matuschewski machte sich als Schöpfer einer Reihe von Kreativräumen einen Namen, insbesondere mit der Moskauer Designfabrik Flakon.

KStA abonnieren