SPD-Chefin Esken wird nicht Ministerin. Ihr Co-Vorsitzender Klingbeil dagegen bekommt das Finanzministerium, er wird zudem Vizekanzler.
„Würdelos“, undankbarSPD-Spitze erntet Kritik für Umgang mit Saskia Esken

Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, designierter Bundesfinanzminister und Vizekanzler, und Saskia Esken am Montag (5. Mai) vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD.
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Am Montag hat die SPD ihre Besetzung der Minister- und Staatsministerposten vorgestellt: Von neun Posten besetzt die SPD drei mit Männern und sechs mit Frauen. Ein prominenter Name fehlt allerdings in der Liste: Parteichefin Saskia Esken soll anders als ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil, der Finanzminister und zudem Vizekanzler wird, kein Ministeramt bekleiden. Auch der Fraktionsvorsitz ist für Esken erwartungsgemäß nicht vorgesehen. Hier wird der bisherige Generalsekretär und Klingbeil-Vertraute Matthias Miersch übernehmen und damit Klingbeil ablösen, der das Amt seit der Bundestagswahl ausübte.
Esken mache Platz für die nächste Generation, heißt es laut „Tagesschau“ aus SPD-Kreisen. Es sei der 63-Jährigen demnach wichtig gewesen, dass sich die Partei nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16 Prozent neu und jünger aufstelle. Esken habe „Größe gezeigt“, wird aus der SPD gemeldet. Ob Esken Parteivorsitzende bleibt, ist ebenfalls unklar. Für den Parteitag Ende Juni ist offiziell noch alles offen. Die Zeichen stehen allerdings eher auf einen Abschied der gebürtigen Stuttgarterin. Selbst ihr eigener Landesverband in Baden-Württemberg nominierte Esken kürzlich nicht mehr für den Bundesvorstand.
Juso-Chef Philip Türmer kritisiert Umgang mit Saskia Esken
Parteiintern stößt der Umgang mit Esken auf leise Kritik. Juso-Chef Philip Türmer beklagt in einem Interview mit „web.de“ eine „ungleiche Behandlung“ von Frauen in der SPD. Der Umgang mit Esken zeige, „dass SPD-Frauen unter besonderer Belastung und besonderem Druck stehen“, so Türmer, „einem Druck, den Männer so nicht zu befürchten haben.“ Aus Türmers Sicht braucht die SPD in diesem Zusammenhang einen „Kulturwandel“. Seine Partei habe offenbar ein Problem mit Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Aus Türmers Sicht seien „Gemeinheiten“ über Esken in der Öffentlichkeit verbreitet worden.

Philipp Türmer (SPD), Juso Bundesvorsitzender, spricht beim außerordentlichen SPD-Bundesparteitag. (Archivbild)
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In der Tat ging Parteichef Klingbeil gestärkt aus der Krise hervor, während seine Co-Chefin Esken offenbar aufs Abstellgleis geschoben wird. Noch am Wochenende wurde in den Medien über einen möglichen Posten beispielsweise als Entwicklungsministerin für Esken spekuliert. So schrieb „Politico“, Esken könnte sich im Gegenzug zu einem Regierungsamt vom Parteivorsitz zurückziehen. Dieses Szenario wurde mit der Personalie Reem Alabali-Radovan allerdings obsolet.
Klingbeil nimmt Esken in Schutz – und gibt ihr kein Ministeramt
Noch wenige Tage zuvor hatte Klingbeil selbst den Umgang mit Esken kritisiert. Er erlebe eine öffentliche Debatte über Saskia Esken. Das sei ein Stil, den er nicht möge, so Klingbeil in der „Bild am Sonntag“. „Ich finde es beschämend, wie Diskussionen in den letzten Wochen gelaufen sind“, kritisierte der 47-Jährige. Dass er sich aus öffentlichen Debatten heraushielt, führte allerdings nicht dazu, dass Esken einen Posten bekam.
Esken eckte – anders als ihr Co-Vorsitzender Klingbeil, der stets moderierend und abwägend auftritt – in der Öffentlichkeit häufiger an. Sie ist nicht bekannt dafür, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, und trat auch in Diskussionsrunden oft harsch auf. In Teilen der SPD wurde dies kritisch gesehen, Ende 2024 war sogar von einem „Talkshow-Verbot“ für Esken die Rede gewesen.
Umgang mit Saskia Esken „würdelos“ und „hinterhältig“
Allerdings mehren sich seit Montag zumindest außerhalb der SPD die Stimmen, die den Umgang mit Esken „würdelos“ oder gar „hinterhältig“ finden. So urteilt der ZDF-Journalist Lars Bohnsack, offenbar solle Esken weiterhin allein für das SPD-Desaster bei der Wahl verantwortlich gemacht werden. Esken habe große Verdienste bei der Befriedung der SPD gehabt und zuletzt wichtige Punkte im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Klingbeil dagegen habe sich erst am Sonntag hinter seine Co-Chefin gestellt, als klar war, dass sie auf ein Ministeramt verzichten würde. Auch die „Berliner Zeitung“ urteilt, der Umgang mit Esken sei „unterste Schublade“.
Die „Stern“-Journalistin Miriam Hollstein verweist ebenfalls darauf, dass offenbar mit zweierlei Maß gemessen werde. Klingbeil sei genauso für das schlechte Ergebnis verantwortlich. Erst Ende 2023 hätten sich die SPD-Parteimitglieder deutlich für einen erneuten Parteivorsitz Eskens ausgesprochen. Wenn man sie so schlimm finde, hätte man damals schon gegen sie stimmen müssen, folgert Hollstein und spricht von mangelndem Respekt.
Aus der Partei selbst ist außer Philip Türmers kritischer Äußerung wenig zu Saskia Esken zu hören. Vereinzelt äußern SPD-Mitglieder aber ihre Kritik in den sozialen Medien. „Saskia Esken zeigt Frauensolidarität. Die ihr selbst von vielen führenden Genossinnen in den letzten Wochen verwehrt worden ist“, schreibt eine Twitter-Userin, die nach eigener Angaben SPD-Ratsfrau ist. (cme, mit afp)