Steuerpolitik gescheitertBritische Premier Truss lehnt Rücktritt ab

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Liz Truss bei einer Pressekonferenz Mitte Oktober.

London – Die britische Premierministerin Liz Truss lehnt einen Rücktritt trotz des Scheiterns ihrer Steuerpolitik weiterhin ab. „Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin“, sagte Truss am Mittwoch bei der wöchentlichen Fragestunde im Unterhaus in London. Die konservative Regierungschefin geriet bei der Sitzung schwer unter Druck. Mehrere Oppositionspolitiker forderten sie direkt zum Rücktritt auf.

Truss muss sich heute erstmals seit ihrer Kehrtwende in der Steuerpolitik im Parlament den Fragen der Abgeordneten stellen. Für die Vorsitzende der Konservativen steht an diesem Mittwoch im Unterhaus viel auf dem Spiel: Ein schwacher Auftritt könnte die Regierungschefin weiter schwächen und ihren Sturz beschleunigen. Die 47-Jährige steht Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei gegenüber, die derzeit in allen Umfragen klar führt. Doch am meisten zu fürchten hat Truss die Mitglieder ihrer eigenen Fraktion.

Vorwürfen, sie habe die Wirtschaft des Landes an die Wand gefahren, trat Truss mit der Feststellung entgegen, die wirtschaftliche Lage sei allgemein schwierig. Dafür erntete sie wütende Zwischenrufe von den Oppositionsbänken. Erspart blieb der schwer in die Defensive geratenen Regierungschefin immerhin Kritik aus den eigenen Reihen.

Steuererleichterungen rückgängig gemacht: Liz Truss brachte sich Spott und Kritik im Parlament ein

Die Opposition hatte am Montag bereits vergeblich gefordert, Truss solle Rede und Antwort stehen. Dass die Premierministerin stattdessen ihren neuen Finanzminister Jeremy Hunt vorschickte und wortlos im Parlament zuhörte, wie er ihre erst kürzlich angekündigten Steuererleichterungen Stück für Stück rückgängig machte, brachte ihr Spott und Kritik ein.

Die 180-Grad-Wende in der Steuerpolitik galt als unausweichlich, nachdem die ohne Gegenfinanzierung vorgestellten Erleichterungen schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatten. Ex-Finanzminister Kwasi Kwarteng musste deshalb seinen Stuhl räumen.

Erst sechs Wochen im Amt: Briten haben negative Meinung zu ihr

Auch wenn sich die Märkte inzwischen etwas beruhigt haben, gilt die Regierungschefin sechs Wochen nach ihrem Amtsantritt bereits als so gut wie erledigt. Einer Umfrage zufolge haben 80 Prozent der Briten eine negative Meinung von ihr. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Konservativen wünscht sich ihren Rücktritt.

Bei einer Kabinettssitzung am Dienstag räumte Truss ein, einen Fehler gemacht zu haben. Die Steuererleichterungen seien zu schnell gekommen und und zu weitgehend gewesen, sagte Truss einem Sprecher zufolge. Sie habe aber versichert, weiterhin vollkommen ihrer Wachstumsagenda verpflichtet zu sein. Ihrem Vorgänger Boris Johnson war mit starken Auftritten im Unterhaus in Krisenzeiten immer wieder der Befreiungsschlag gelungen. Truss jedoch gilt als rhetorisch nicht besonders begabt.

Fragestunde im Unterhaus: Tories pflichten Parteichefs gewöhnlich lautstark bei

Neben ihrem eigenen Auftritt bei der als Prime Minister's Question Time bekannten Fragestunde (13 Uhr MESZ) dürfte viel Aufmerksamkeit auch das Maß an Unterstützung bekommen, das Truss von ihren Abgeordneten erhält. Die Tories, wie die Konservativen in Großbritannien auch genannt werden, sind dafür bekannt, ihren Parteichefs bei Parlamentsdebatten lautstark beizupflichten. Bleibt das aus, würde das als Zeichen gewertet, dass sie an Rückhalt verloren haben.

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Fünf Abgeordnete ihrer Fraktion hatten inzwischen öffentlich die Ablösung von Truss gefordert. Viele weitere haben Medienberichten zufolge intern ihren Unmut geäußert. Erwartet wird aber, dass sich die konservative Fraktion vor einem Sturz der Premierministerin auf einen Nachfolgekandidaten einigen will, um ein weiteres zeitraubendes Auswahlverfahren mit Befragung der Parteimitglieder zu vermeiden.

Fragestunde im Unterhaus: Spekulationen um Sturz der Premierministerin

Als Favorit gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der im Rennen um die Johnsons Nachfolge im Sommer gegen Truss unterlegen war. Ebenfalls als aussichtsreich gelten die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace. Auch der heutige Finanzminister Hunt wird ins Spiel gebracht. (dpa)

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