Am Montag tagte die Enquetekommission des Bundestages zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Geladen war auch der einstige Gesundheitsminister.
Corona-MaskendealsJens Spahn schwer unter Druck – aber kommt wohl durch

Jens Spahn (M.), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und früherer Bundesgesundheitsminister, sitzt vor Beginn der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission des Bundestages zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie neben Oliver Sivers (l), Mitglied des Bundesrechnungshofes, und Margaretha Sudhof, Sonderermittlerin des Ministeriums zu Maskenbeschaffungen.
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Jens Spahn gab sich am Montag großzügig. „Ich finde es gut, dass es die Enquetekommission gibt“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Denn ein prüfender Blick zurück auf die Corona-Pandemie und den politischen Umgang damit sei „längst überfällig“.
Spahns einleitende Worte täuschten allerdings darüber hinweg, dass er in der Sitzung des Gremiums die Hauptperson, ja der Hauptangeklagte war. Denn der 45-Jährige amtierte in der Hochphase der Pandemie als Bundesgesundheitsminister. Und als solcher steht er seit Monaten in der Kritik – erstens, weil sich sein Ressort 2020 in die Beschaffung von Corona-Masken eingeschaltet hatte und Lieferverträge ohne Verhandlungen zu festen, hohen Preisen einging. Und zweitens, weil Spahn trotz massiver Widerstände das münsterländische Logistikunternehmen Fiege mit der Verteilung der Masken beauftragt hatte – ein Unternehmen also, das seinen Sitz im Nachbar-Wahlkreis des Christdemokraten hat. Diese Drucksituation prägte die Zusammenkunft erheblich.
Rechnungshof sieht „massive Überbeschaffung“ von Masken
Relativ wenig Probleme hatte Spahn noch mit den Vorstößen aus den Reihen der AfD-Abgeordneten. Christina Baum und Michael Nehls fragten nach dem Ursprung des Coronavirus und zogen die Wirkung der Corona-Impfstoffe in Zweifel. Der Angesprochene erwiderte, es sei in erster Linie ja darum gegangen, den Schutz vor dem Virus zu organisieren. Auf Baums Bemerkung, dass man früher „nur Minister wurde, wenn man von seinem Fachgebiet etwas verstand“, hatte Spahn ebenfalls eine Antwort parat. Immerhin sei er 12 Jahre lang gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion gewesen.
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Weniger einfach hatte es Spahn mit seinen anderen Kritikern. So stellte Oliver Sievers vom Bundesrechnungshof, der links von ihm saß, fest, dass das Gesundheitsministerium im Frühjahr 2020 für 5,9 Milliarden Euro insgesamt 5,8 Milliarden Masken bestellt habe, von denen 3,4 Milliarden hätten vernichtet werden müssen. „Wir haben darin eine massive Überbeschaffung gesehen“, sagte er.
Begleitkosten etwa für Lagerung von circa 510 Millionen Euro seien dazugekommen, weitere stünden aus. Erneut stellte der Rechnungshof dem Ministerium für seine damalige Kaufpraxis ein teils schlechtes Zeugnis aus: „Man kauft nicht ein, wenn Höchstpreise gezahlt werden.“
Kritiker links und rechts
Die im vergangenen Jahr vom Ministerium eingesetzte Sonderermittlerin Margaretha Sudhof war sich mit Sievers einig, dass eine zentrale Beschaffung durch den Bund gar keinen Sinn gemacht habe. „Die Länder kennen den Bedarf viel besser“, sagte sie. „Sie haben eine größere Problemnähe.“ Die Bedarfsschätzung im Ministerium lasse sich „nicht rekonstruieren“. Und die Dokumentation aus der Corona-Zeit befinde sich „bei einem privaten Akteur und nicht im Bundesgesundheitsministerium“.
Sudhof hatte einen 170 Seiten langen Bericht geschrieben. Daraus geht hervor, dass Spahn persönlich massiv auf Maskenkäufe Einfluss genommen, dabei ihm nahestehende Personen bevorzugt und Bedarfsprüfungen außer Acht gelassen habe.
Spahn hat „Milliarden von Ramsch-Masken“ gekauft
Scharf äußerte sich vor diesem Hintergrund die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta. Sie warf Spahn vor, „Milliarden von Ramsch-Masken“ gekauft zu haben – und damit eine „völlig aus dem Ruder gelaufene Beschaffung“. Er habe mit schlechten Verträgen „Steuergeld durch den Schornstein gejagt“. Überdies sei noch die Logistik zusammengebrochen. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister habe nach dem Motto agiert : „Der Staat, das bin ich.“
Der seinerzeit politisch Verantwortliche reagierte darauf weniger im Detail als grundsätzlich. „Es ging darum, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden“, sagte er. Und es habe für diese Situation „keine Blaupause“ gegeben. So habe niemand gewusst, wie viele Infektionswellen in der Pandemie noch zu erwarten gewesen seien. „Gleichzeitig wollten alle auf der Welt das Gleiche“, sprich: Masken. „Das führt zu hohen Preisen.“
Er fuhr fort: „Wir mussten schnell entscheiden, unter maximalem Druck.“ So sei in einem Fall die Lieferung von zehn Millionen Masken in Aussicht gestellt worden; angekommen seien indes lediglich 60.000. Abgesehen davon hätte auch Nicht-Handeln Folgen gehabt.
Jens Spahn kommt wohl mit seiner Argumentation durch
Spahn zeichnete von sich das Bild eines Ministers, der sich aus Verantwortung um vieles selbst kümmerte. Dabei besteht der Vorwurf seiner Gegner genau darin: dass der Minister und sein Haus die Beschaffung unnötigerweise zentralisiert hätten. Im Übrigen stimme er in einem Punkt mit dem Sudhof-Bericht überein, nämlich mit dem Urteil auf Seite sechs: dass Deutschland alles in allem gut durch die Pandemie gekommen sei.
Nach jetzigem Stand kommt Jens Spahn damit durch. Zwar geht die juristische Aufarbeitung der Vorgänge weiter. Doch um einen Untersuchungsausschuss im Bundestag durchzusetzen, sind mindestens 25 Prozent der Stimmen nötig. Die demokratischen Oppositionsfraktionen Grüne und Linke verfehlen dieses Quorum, sind aber nicht bereit, einen solchen Ausschuss gemeinsam mit der AfD-Fraktion zu beantragen. Und die Enquete-Kommission hat außer der Anhörung von Beteiligten keine weiteren Instrumente.

