Taurus-DebatteWie CDU-Forderungen nach mehr Waffen die Wahlkämpfer im Osten nervös machen

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Gitta Connemann (v.l.), Bundestagsabgeordnete der CDU, Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU, Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen. Kretschmer steht konträr zum Ukraine-Kurs der CDU-Spitze.

Gitta Connemann (v.l.), Bundestagsabgeordnete der CDU, Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU, Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen. Kretschmer steht konträr zum Ukraine-Kurs der CDU-Spitze.

Die Unionsspitze will mehr Waffenlieferungen. Doch in den CDU-Ostverbänden gibt es Sorge: Wird ihnen dieser Kurs bei den Landtagswahlen schaden?

Eine Situation ist CDU-Politiker Mario Czaja besonders in Erinnerung geblieben. Kurz vor der Berliner Wiederholungswahl im Februar findet in Berlin-Mahlsdorf ein Nachbarschaftsdialog statt. Bei Glühwein diskutieren die Anwohnerinnen und Anwohner über klassische kommunale Themen wie die Grundsteuer. Doch ein Hochschullehrer hatte etwas anderes auf dem Herzen. „Wissen Sie, Herr Czaja, ich schätze ihr Engagement. Aber momentan habe ich eher Angst vor Panzern am Hultschiner Damm“, so schildert es Czaja.

Der Hultschiner Damm ist eine große, zweistreifige Straße im Süden von Mahlsdorf, ein Bezirk im Ostberliner Wahlkreis des CDU-Politikers. Nach der Wortmeldung habe es Applaus von 30 bis 40 älteren Menschen gegeben. Eine Reaktion aus der „Tiefe der Seele dieser Menschen“, erinnert sich Czaja.

Nur wenige Gegner einer Taurus-Lieferung in der Fraktion

Der ehemalige Generalsekretär ist einer der wenigen in der Bundestagsfraktion, die die Lieferung von Taurus-Marschflug­körpern an die Ukraine ablehnen. Und er ist einer von fünf, die jüngst entsprechend abgestimmt haben – gegen die Linie der Unionsführung. „Angesichts unserer Geschichte und der damit verbundenen Verantwortung möchte ich mir nicht vorstellen, dass Waffen ‚made in Germany‘ Vorstädte von Moskau treffen und zivile Opfer dort fordern könnten“, sagt Czaja.

Oppositionsführer Friedrich Merz und die Verteidigungs- und Außenpolitiker der Union sehen die Gefahr eher darin, dass Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper schickt. Dann drohe die Ukraine womöglich gegen den Aggressor zu verlieren und der Krieg näher zu rücken, so die Argumentation. Vergangene Woche hatte die Fraktion deshalb erneut einen Antrag für die Lieferung in den Bundestag eingebracht. Auch wenn er keine Mehrheit fand, schleuderte er das Thema Waffenlieferungen wieder in die Schlagzeilen. Und so wirkt die CDU wie der Treiber der SPD – im Schulterschluss mit FDP und Grünen.

Unter den CDU-Wahlkämpferinnen und CDU-Wahlkämpfern im Osten wächst die Sorge vor den Folgen. Im Juni stehen Europawahl und Kommunalwahlen an. Im September gehen die Menschen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zur Wahlurne. Doch 60 Prozent der Unionswählerinnen und ‑wähler lehnen eine Taurus-Lieferung laut einer Forsa-Umfrage ab. Bekanntlich sind die Ostdeutschen ohnehin skeptischer, wenn es um Waffenlieferungen geht. „Jede Waffendebatte schadet uns“, sagt ein CDU-Mann aus dem Osten, der namentlich nicht genannt werden will. Intern sollen Vertreter der Landesparteien und Abgeordnete nach RND-Informationen darauf gedrungen haben, keine weiteren Taurus-Anträge mehr zu stellen und eine sensiblere Tonlage anzuschlagen.

Manche CDU-Politiker werden wegen Taurus als „Kriegstreiber“ beschimpft

Doch manches lässt sich kaum mehr einfangen. Vor allem eine Äußerung hat in den vergangenen Wochen für Wirbel gesorgt, so berichten es mehrere Politiker aus dem Osten. Der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter forderte im Februar, den Krieg nach Russland zu tragen. Zwar stellte die Fraktionsspitze klar, dass dies nicht die Meinung der Fraktion sei, aber viele, vor allem im Osten, werden immer noch darauf angesprochen. Manche werden sogar als „Kriegstreiber“ beschimpft.

Mario Czaja, dem es bei der Aussage seines Kollegen „kalt über den Rücken läuft“, hat die Berliner Wahl schon hinter sich. Anders als Michael Kretschmer, der sich in Sachsen zur Wiederwahl stellt. Der Ministerpräsident ist wohl der prominenteste CDU-Mann, der vehement Verhandlungen fordert – zum Ärger großer Teile seiner Partei. In einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU soll sich Kretschmer mit mahnenden Worten gemeldet haben. Er habe darauf hingewiesen, vor den Europawahlen nicht den Krieg in den Fokus zu stellen, sondern den Aspekt der Sicherheit, wie das RND aus Teilnehmerkreisen erfahren hat.

Für die Unionsführung ist die aktuelle Situation ein Drahtseilakt: Einerseits will sie den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern nicht das Leben schwer machen, andererseits bei der Ukraine-Unterstützung nicht nachlassen. Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei räumt ein, dass es in der Union die eine oder andere Diskussion gebe. Aber man dürfe die Haltung nicht von Stimmungen abhängig machen. Genauso sieht es CSU-Landes­gruppen­chef Alexander Dobrindt. Die Stimmung sei regional unterschiedlich. Das dürfe die Union aber nicht davon abhalten, die Ukraine zu unterstützen.

Wahlkämpfer der CDU wünschen sich mehr Besonnenheit

Der brandenburgische CDU-Bundestags­abgeordnete Jens Koeppen hält Waffenlieferungen grundsätzlich für „äußerst problematisch“. Eine Taurus-Lieferung berge die Gefahr, den Konflikt auf eine neue Eskalationsstufe zu heben. Nur Friedens­verhandlungen könnten diesen Krieg beenden, sagt der CDU-Politiker, der ebenfalls gegen eine Lieferung von Taurus stimmte. „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen, ansonsten befürchte ich, dass die derzeitige Sichtweise von großen Teilen der Union auch Wahlergebnisse beeinflussen wird.“

Auch die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die anders als Koeppen Waffenlieferungen befürworten, wünschen sich mehr Besonnenheit. Das ist auch bei Merz angekommen. Bei einer Parteiveranstaltung am Freitag in Berlin sagte er: „Wir sprechen doch nicht leichtfertig über Waffen. Wir machen uns das nicht leicht.“

Ein Antrag zur Unterstützung der Ukraine schlummert sogar noch in einem Bundestags­ausschuss. Den wolle die Fraktion aber erst aufsetzen, wenn es eine neue Sachlage gebe, heißt es. Manche hoffen, dass er nie ins Plenum kommt.

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