So lief das Thüringer TV-DuellMario Voigt gegen Björn Höcke: Mett oder Gehacktes?

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TV-Duell zur Wahl in Thüringen: der Rechtsaußen der AfD, Björn Höcke (l.) und Mario Voigt (CDU, r), Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen, stehen im Studio bei Welt TV.

TV-Duell zur Wahl in Thüringen: der Rechtsaußen der AfD, Björn Höcke (l.) und Mario Voigt (CDU, r), Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen, stehen im Studio bei Welt TV.

Der Schlagabtausch zwischen den Thüringer Landespolitikern Mario Voigt und Björn Höcke war weder ein Tabubruch noch eine Vorentscheidung für die Landtagswahl im September. Aber es war ein munterer Abend mit einem teils äußerst defensiv agierenden AfD-Rechtsaußen.

Nach rund einer Stunde fühlt sich Björn Höcke als Opfer. Andauernd werde er von seinem Kontrahenten Mario Voigt von der CDU und den Moderatoren von Welt-TV unterbrochen. Und Voigt dürfe viel länger reden als er. „Bitte weinen Sie jetzt nicht“, gab Voigt dem durchaus hektisch wirkenden AfD-Rechtsaußen zurück. Einige Minuten später stellte Moderatorin Tatjana Ohm fest, dass Höcke deutlich mehr Redeanteile habe als Voigt.

Björn Höcke mag sich die Auseinandersetzung einfacher vorgestellt haben. Voigt war auf Attacke gepolt, griff den Rechtsextremen immer wieder persönlich frontal an. „Dieser völkische Müll darf mein Heimatland Thüringen nicht regieren“, ruft er, und direkt an Höcke gerichtet: „Sie sind Gift für das Land, das meine Heimat ist.“ Höcke gab ebenso getroffen wie schlagfertig zurück: „Jetzt werden Sie mal nicht radikalpopulistisch“.

Selbst über belegte Brötchen stritten die beiden Kontrahenten. Höcke sprach für ein Beispiel zu EU-Bürokratie über Mettbrötchen, Voigt fiel ihm ins Wort: „Bei uns heißt das Gehacktes.“ Höcke, der aus dem Westen Zugewanderte, ließ das nicht auf sich sitzen: „Das weiß ich, aber ich habe übersetzt.“

„... wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt“

Wer aber hatte am Ende den größten Bissen beim „umstrittensten Schlagabtausch Deutschlands“, wie Springers Welt-TV das Duell bewarb? Schon vor dem TV-Duell war klar, dass sich danach alle als Sieger sehen würden. Auch die, die gar nicht mitgemacht haben. Der 47-jährige CDU-Mann Voigt, studierter Politikwissenschaftler und ehemaliger Professor einer Berliner Privathochschule, hat an diesem Donnerstagabend viel für seine bundesweite Bekanntheit getan. Der Thüringer Landeschef und Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September ist jetzt nicht mehr „Mario wer?“, sondern der Mann, der Höcke im Fernsehen gegenübertrat und immer wieder provozierte.

Und genau das ist der Punkt, an dem sich auch Höcke als Sieger betrachten kann. Der 52-jährige Rechtsextreme hat – dank Voigt und des ausstrahlenden Senders Welt-TV – einen großen Schritt aus der faschistischen Schmuddelecke gemacht.

In einem seit Wochen auf allen Kanälen heiß diskutierten Duell konnte er sich mit AfD-blauem Schlips als bürgerlich agierenden Favoriten für die Landtagswahl präsentieren – obwohl noch nicht einmal enge Parteifreunde daran glauben, dass Höcke im Herbst wirklich Ministerpräsident wird.

„Kollege Voigt“ nennt Höcke seinen Kontrahenten, drängt ihn bei den Themen Europa und Migration zunächst in die Ecke. Dann aber dreht Voigt auf: „Es werden keine Fachkräfte mehr kommen, es werden keine Unternehmen sich ansiedeln, wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt.“

Höcke gerät auch mal ins Schwimmen

Gewonnen hat natürlich auch der Sender Welt-TV, der das Duell der beiden Landespolitiker zum mutigen Fanal für Meinungsfreiheit überhöhte. Chefredakteur und Moderator Jan Philipp Burgard sagte vorab: „Die Strategie, Parteien vom Diskurs auszuschließen, hat offenkundig nicht funktioniert. Das TV-Duell ist der Versuch, Aussagen kritisch zu hinterfragen – unabhängig davon, ob sie den eigenen Werten entsprechen.“

Dass Höcke und seine Themen in der deutschen Medienlandschaft totgeschwiegen würden, kann indes niemand ernstlich behaupten. Und dass es durchaus zwiespältig ist, der AfD eine von ihr selbst dringend gewünschte Bühne zu bieten, dürfte auch der Welt-Mannschaft klar sein. Zumal die Sendung, die einen Faschisten zum gleichrangigen Gegner eines Demokraten macht, ausgerechnet am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar 1945 ausgestrahlt wird.

Die Moderatoren lassen beiden Diskutanten nichts durchgehen. Das schadet vor allem Höcke. Er gerät ins Schwimmen, als er auf rassistische Stellen in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ angesprochen wird. Die heutige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz habe „in unserem Land tatsächlich nichts verloren“ schrieb Höcke. Özoguz hatte sich gegen die Vorstellung einer Leitkultur gewandt und geschrieben, jenseits der Sprache gebe es keine „spezifisch deutsche Kultur“. Er habe den Kontext nicht mehr parat, versucht sich Höcke zu retten.

Auch bei der Frage, ob Höcke den Leitspruch der nazistischen SA ,„Alles für Deutschland“, bewusst benutzt habe, lassen die Moderatoren nicht locker. Es sei ein „Allerweltsspruch“, ruft Höcke mehrfach. Kommende Woche steht er deswegen vor dem Landgericht Halle.

Wurde Höcke an diesem Abend entzaubert?

Niemand sollte die Wirkung dieses TV-Duells (oder der kommenden Landtagswahl) unnötig überhöhen. Der Faschismus kehrt nicht wegen Mario Voigt und Welt-TV zurück. Am Ende geht es um zwei Landespolitiker, die gerne Ministerpräsident eines zwar zentral gelegenen, an Welterbestätten reichen, landschaftlich schönen und historisch hoch komplizierten, aber eben auch sehr kleinen Bundeslandes werden wollen.

2,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner hat Thüringen, 1,7 Millionen sind wahlberechtigt. Knapp 30 Prozent davon würden nach aktuellen Umfragen die AfD wählen, 20 Prozent die CDU. Die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich gegenüber der Landtagswahl 2019 von 31 auf 16 Prozent halbiert, davon profitiert Sahra Wagenknechts BSW. Doch es gibt auch andere Zahlen: Gäbe es eine Direktwahl des Ministerpräsidenten, würden 40 Prozent Ramelow wählen, Voigt und Höcke kämen abgeschlagen auf jeweils deutlich unter 20 Prozent.

Auch Ramelow kann sich nach diesem Schlagabtausch zum Gewinner erklären, obwohl er nicht dabei war. Kommt es im August zum Fernsehdreikampf zwischen Ramelow, Voigt und Höcke, kann der rhetorisch noch einmal in einer anderen Liga spielende Ministerpräsident entspannt in den Ring steigen.

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