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Kreml bestellt Botschafter einBundeswehr-Brand und Drohungen im Staats-TV – Deutschland in Moskaus Visier

Lesezeit 3 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin am Freitag (27. Juni) in Minsk.

Kremlchef Wladimir Putin am Freitag (27. Juni) in Minsk.

Erst feiern Putins Propagandisten einen Brandanschlag, dann wird der Botschafter einbestellt. Deutschland gerät in Moskau in den Fokus.

In Russland rückt Deutschland in den Fokus: Am Freitag (27. Juni) hat Moskau den deutschen Botschafter in Russland wegen einer angeblichen „Verfolgung“ russischer Journalisten in Deutschland einbestellt. Botschafter Alexander Graf Lambsdorff sei am Freitag ins Außenministerium in Moskau einbestellt worden, teilte das Ministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ria mit. „Er wird über Vergeltungsmaßnahmen für die Verfolgung russischer Journalisten in Deutschland informiert“, hieß es weiter.

Russland hat westlichen Ländern wiederholt vorgeworfen, seine Journalisten schlecht zu behandeln und deren Berichterstattung einzuschränken. Die EU hatte 2022 den russischen Sender Russia Today verboten und dem Kreml vorgeworfen, über den Sender „Desinformation“ über den Konflikt in der Ukraine zu verbreiten. Russland wiederum hat den Zugang zu dutzenden westlichen Medien im Land geblockt. Mehreren westlichen Journalisten wurde die Einreise versagt.

Beziehungen zwischen Moskau und Berlin auf dem Tiefpunkt

Die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin sind seit der russischen Offensive in der Ukraine auf dem Tiefpunkt. Deutschland ist einer der stärksten Unterstützer der Ukraine. Die Einbestellung von Graf Lambsdorff hatte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa bereits am Donnerstag angekündigt.

Deutschland war unterdessen bereits am Vorabend des Gesprächs mit dem deutschen Botschafter ein großes Thema unter den russischen Kriegsbloggern. Zuvor hatte ein populärer Telegram-Kanal ein Video von einem Brandanschlag auf Bundeswehr-Lkw in Erfurt veröffentlicht.

Russische Kriegsblogger feiern Brandanschlag auf Bundeswehr-Lkw

Die Staatsanwaltschaft hat nun Ermittlungen aufgenommen, auch hinsichtlich einer möglichen russischen Beteiligung an dem Anschlag. „Wir ermitteln auch in diese Richtung“, teilte eine Sprecherin mit. Die russischen Propaganda-Kanäle bei Telegram feierten die Aufnahmen der brennenden Fahrzeuge unterdessen offen – und sprachen davon, dass „unsere Leute“ die Lkw angezündet hätten. 

Brennende Bundeswehr-Lkw in Erfurt.

Brennende Bundeswehr-Lkw in Erfurt.

Auch im russischen Staats-TV rückten Europa und Deutschland in den letzten Tagen erneut in den Fokus. Der populäre TV-Moderator Wladimir Solowjow forderte in seiner Sendung drastische Drohungen Moskaus in Richtung aller europäischen Länder, die mit ihren Waffen die Ukraine unterstützen.

Drohungen in Richtung Deutschland in Putins Staats-TV

„Die Deutschen sollten wissen: Leute, sobald ihr die Taurus-Marschflugkörper liefert, schafft eure Bevölkerung so weit weg wie möglich. Warum? Weil wir eure militärische Industrie zerstören werden“, erklärte Solowjow, der beim zweitgrößten russischen Staatssender Talkshows moderiert und glühender Unterstützer des Kriegs gegen die Ukraine ist.

In einer weiteren Sendung diskutierte Solowjow in dieser Woche erneut auch über die Möglichkeit eines Atomangriffs auf das Nachbarland. US-Präsident Donald Trump werde selbst dann nicht intervenieren, orakelte der Moderator.

Glühender Kriegsunterstützer Solowjow kriegt Gegenwind

„Ich mache keine Witze“, versicherte der Propagandist. Russland müsse „demonstrativ zuschlagen“, sonst werde Europa weiter glauben, dass „Russland niemals reagieren wird“, forderte Solowjow, bekam in seiner Sendung jedoch auch Gegenwind von Politikwissenschaftler Andrej Sidorow.

Es sei klüger, mit derartigen Angriffen zu warten, bis die USA „endlich alles von hier abziehen“, entgegnete der Leiter der Abteilung für Weltpolitik an der Moskauer Staatsuniversität. Außerdem glaube er nicht, dass Russland „bereit“ sei für den Einsatz von Nuklearwaffen, ohne Tests durchzuführen. Die russischen Atomwaffen seien zuletzt 1992 getestet worden, bekräftigte der Politikwissenschaftler seine ablehnende Haltung. 

Kölner Experte: „Viele Zeichen der Schwäche aus Deutschland“

Der jüngste russische Fokus auf Deutschland sorgte nach der Veröffentlichung der Aufnahmen vom Brandanschlag auf Bundeswehr-Lkw unterdessen für die ersten Schlussfolgerungen von deutschen Außenpolitik-Experten.

„Das ist die richtige Analyse“, kommentierte etwa der Kölner Politologe Thomas Jäger auf der Plattform X einen Hinweis darauf, dass die Verbreitung des Videos durch russische Telegram-Kanäle darauf hindeute, dass Moskau erstmals in Kauf nehme, mit etwaiger hybrider Kriegsführung „direkt“ in Verbindung gebracht zu werden.

„Russland hat so viele Zeichen der Schwäche aus Deutschland gesehen, dass es nun weit offener offensiv vorgehen will“, führte Jäger aus. Moskaus Erwartung dabei sei, dass viele „auf der Seite des Stärkeren stehen wollen“. Der Kreml verfolge somit weiterhin das Ziel, die öffentliche Meinung in Deutschland zu Gunsten von „Putins Unterstützerparteien“ zu drehen, fügte Jäger an. (mit afp/dpa)