„Auf vielen Ebenen absurd“Sicherheitsgarantien für Moskau? Macron sorgt für viel Kritik und wenig Zustimmung

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Emmanuel Macron bei einem Besuch in der US-Metropole New Orleans.

Emmanuel Macron bei einem Besuch in der US-Metropole New Orleans. Der jüngste Vorstoß des französischen Präsidenten sorgt für Kritik bei westlichen Partnern.

„Was er sich dabei gedacht hat, ist mir schleierhaft“, sagt ein Kölner Politikwissenschaftler über den Vorstoß von Emmanuel Macron.

Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu möglichen Sicherheitsgarantien für Russland zum Zeitpunkt von Friedensverhandlungen haben gemischte Reaktionen in Deutschland ausgelöst. „Solange Russland eine imperialistische Außenpolitik verfolgt, ist eine gesamteuropäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands nicht möglich“, sagte Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, der Zeitung „Die Welt“.

Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sprach sich gegen „einseitige“ Sicherheitsgarantien aus. „Wer sie fordert, muss zuerst einmal die zugesagten Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausbuchstabieren“, sagte er der „Welt“.

Johann Wadephul von der CDU nannte die Vorschläge demnach „hochproblematisch“. Hierüber müssten dringend Gespräche in EU und Nato geführt werden. Macron stelle „die Dinge auf den Kopf“, weil zunächst die Ukraine Sicherheitsgarantien benötige. „Vor allem leistet er der russischen Propaganda bedauerlicherweise Vorschub, wenn er die Nato als Anlass für Sicherheitsbedenken darstellt.“

Vorstoß von Emmanuel Macron: Zustimmung von Linken und AfD

Der Parteichef der Linken, Martin Schirdewan, hingegen begrüßte Macrons Äußerung. „Wir brauchen dringend Friedensverhandlungen, damit dieser elende Krieg beendet wird. Deswegen ist Macrons Initiative richtig“, sagte er der „Rheinischen Post“. Auch AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla zeigte Zustimmung für Macrons Vorstoß. „Es ist ein Armutszeugnis für die Ampelkoalition, dass dieser längst überfällige Vorstoß von Paris ausgeht und nicht von Berlin.“ Macron weise zurecht auf Russlands Sicherheitsinteressen hin.

Bei Sicherheitsexperten und Politikwissenschaftlern löste Macron unterdessen kritische Reaktionen aus. Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln, zeigte sich im Gespräch mit „n-tv“ verwundert über Macron. „Es ist wirklich eigenartig, was der französische Präsident von sich gibt“, so Jäger. Man könne das nur mit einem „Schönheitswettbewerb“ mit Bundeskanzler Olaf Scholz erklären, „wer denn der Lieblingsgesprächspartner für Putin ist“, erklärte Jäger.

Emanuel Macron sorgt für Verwunderung: „Was er sich dabei gedacht hat, ist mir schleierhaft“

„Die letzten Monate haben beweisen, dass es nicht um Sicherheitsgarantien für Russland, sondern um Sicherheitsgarantien vor Russland geht.“ Macron greife mit seinem Vorstoß Begrifflichkeiten des Kreml auf. „Was er sich dabei gedacht hat, ist mir schleierhaft.“ Die derzeitigen Bedingungen Russlands – die Anerkennung der Annexion und das Ende der Unterstützung der Ukraine – könne der Westen ohnehin nicht erfüllen.

Auch Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala äußerte sich kritisch zum Vorstoß des französischen Präsidenten. Dieser sei „auf vielen Ebenen absurd“, schrieb Masala bei Twitter. „Die NATO, die Russland nicht bedrohen will und nicht bedroht, soll Russland zusichern, es nicht zu bedrohen, weil Russland glaubt, dass es durch die NATO bedroht wird?“ Laut Masala drohe die Nato so sogar ihren Zweck zu verlieren. „Abschreckung und Verteidigung braucht es ja dann nicht mehr“, so der Politikwissenschaftler. Macron wiederhole zudem nur das, was bereits in den 90er Jahren angestrebt worden sei. „Mit riesigem Erfolg, wie wir ja heute wissen.“

„Ich befürchte, Putins Playbook geht auf“, schrieb Masala zudem in einem weiteren Tweet. Der Druck, Verhandlungen zu führen, wachse an, „weil Gesellschaften die Kosten nicht mehr zu tragen bereit sind, weil die Europäer näher am Konflikt sind, als die USA und weil seit dem Besuch Macrons bei Biden überall über Verhandlungen geredet wird“. 

Kritik aus der Ukraine an Emanuel Macron, Ungläubigkeit in Moskau

Auch aus der Ukraine gab es Kritik an Macron. „Die zivilisierte Welt braucht ‚Sicherheitsgarantien‘ vor den barbarischen Absichten des Post-Putin-Russlands“, schrieb Mykhailo Podolyak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bei Twitter. „Das wird nur möglich sein nach einem Tribunal, der Verurteilung von Kriegsverursachern und Kriegsverbrechern und der Auferlegung umfangreicher Reparationen.“

In Moskau fanden Macrons Worte vom Wochenende unterdessen viel Beachtung. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur „Ria Novosti“ widmete Macron gleich mehrere Artikel. Am Montag erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow jedoch, man gehe nach den Worten des französischen Präsidenten nicht von einem „Positionswechsel“ in Paris aus. Zuvor hatte bereits der russische Senator Alexei Puschkow auf Macrons Vorstoß reagiert und sinngemäß geschrieben, es seien bloß Worte, die keine praktischen Konsequenzen haben würden.

Emanuel Macron will erneut mit Wladimir Putin telefonieren

Macron hatte in einem TV-Interview am Samstag Bilanz seines Staatsbesuchs in den USA gezogen und sich dabei auch zum Ukraine-Krieg geäußert. Dabei betonte er eine Übereinstimmung beider Länder: „Die USA und Frankreich wollen dasselbe: Druck auf Russland machen, damit es an den Verhandlungstisch zurückkommt“, sagte er dem Sender TF1. Er habe mit US-Präsident Joe Biden auch über „die Sicherheitsarchitektur, in der wir morgen leben wollen“ gesprochen.

Ein „wichtiger Punkt“ für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sei die „Angst, dass die Nato vor seiner Haustür steht, und dass Waffen stationiert werden, welche die Sicherheit Russlands bedrohen“, sagte Macron. Es werde auch darum gehen, „wie wir unsere Verbündeten schützen, indem wir Russland Sicherheitsgarantien geben, wenn es eines Tages wieder an den Verhandlungstisch kommt“, sagte Macron.

Macron hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass es an der Ukraine sei, über die Aufnahme von Friedensverhandlungen zu entscheiden. Frankreichs Präsident kündigte zudem an, erneut mit Putin sprechen zu wollen. (mit afp/dpa)

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