Bei der Parade zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland findet Putin deutliche Worte – Experten sehen darin Vorbereitungen für die Zukunft.
Vorbereitung auf Angriff gegen Nato?„Staatlicher Todeskult“ – Putin bleibt bei Parade auf Kriegskurs

Der russische Präsident Wladimir Putin (r.) und der chinesische Präsident Xi Jinping (l) unterhalten sich während der Militärparade zum Tag des Sieges.
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Kremlchef Wladimir Putin hat seine Rede anlässlich der Militärparade zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland genutzt, um der russischen Armee die Unterstützung bei ihrem Krieg gegen die Ukraine zuzusichern. „Wahrheit und Gerechtigkeit“ seien auf Moskaus Seite, behauptete der russische Präsident und fügte an: „Das ganze Land, die Gesellschaft und das ganze Volk unterstützen die Teilnehmer dieser besonderen Militäroperation.“
Der Krieg gegen die Ukraine darf in Russland weiterhin offiziell nicht als Krieg bezeichnet werden, stattdessen spricht der Kreml meist von einer „Spezialoperation“. Der Kremlchef lobte die in dem illegalen Angriffskrieg eingesetzten Soldaten: „Wir sind stolz auf ihren Mut und ihre Entschlossenheit“, sagte Putin. „Diese Geistesstärke hat uns immer nur den Sieg gebracht.“
Ukraine meldet fast 200 Gefechte trotz Putins Waffenstillstand
Die Ukraine meldete am Freitagmorgen unterdessen fast 200 Zusammenstöße auf dem Schlachtfeld mit russischen Truppen – von einem Waffenstillstand könne weiterhin keine Rede sein, heißt es aus Kiew. Putin hatte zuvor einen einseitigen, dreitägigen Waffenstillstand rund um die Siegesparade in Moskau angeordnet. Gelten sollte dieser vom 8. bis zum 10. Mai – die Ukraine, die zuvor eine 30-tägige Feuerpause angeboten hatte, hat diesem Vorhaben nicht explizit zugestimmt.
Im Vorfeld der Parade hatte es zudem einige Provokationen gegeben – mit massiven Drohnenangriffen stürzte die Ukraine etwa den russischen Flugverkehr in den vergangenen Tagen ins Chaos. Russland hatte wiederum mit massiven Drohungen für den Fall eines Angriffs auf die Gedenkfeiern in Moskau reagiert und Kiew mit der Vernichtung gedroht.
Moskau sieht nun in ganz Europa „Nazis“ an der Macht
Dass der Kremlchef die Feierlichkeiten in Moskau dafür nutzt, um einen Bezug zum Krieg gegen die Ukraine herzustellen, kommt unterdessen nicht überraschend. Zuletzt hatte die russische Regierung immer mehr versucht, eine Verbindung zwischen dem historischen Sieg über die Nazis und dem Angriff auf die Ukraine herzustellen.
In Kiew sei ein „Nazi-Regime“ an der Macht, behauptet Moskau ohne jegliche Grundlage bereits seit Kriegsbeginn. Zuletzt hatte Außenminister Sergej Lawrow diese Vorwürfe ausgedehnt und behauptet, in ganz Europa komme der Nationalsozialismus zurück. Russland befinde sich daher mit „fast ganz Europa“ im Krieg, erklärte Lawrow.
Absurde Vorwürfe gegen Friedrich Merz
Ein russischer Abgeordneter erhob zeitgleich absurde Vorwürfe gegen den neuen deutschen Bundeskanzler. Friedrich Merz wolle ein „Viertes Reich“ errichten, hieß es aus Moskau nach der Wahl des CDU-Politikers.

Russische Soldaten marschieren während der Militärparade zum Tag des Sieges in Moskau.
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„Der 9. Mai in Russland ist längst kein Tag des Gedenkens mehr“, ordnete der Politik-Analyst und Russland-Experte Alexander Dubowy die Inszenierung des Gedenkens in Moskau am Freitag ein. Der Feiertag sei mittlerweiler ein „sakraler Machtritus“, führte Dubowy aus. „Panzer ersetzen Blumen, Parolen verdrängen Trauer, Geschichte wird zur Bühne autoritärer Selbstverklärung.“
Weltkriegsgedenken als „staatlich inszenierter Todeskult“
Was in Russland einst ein „stiller familiärer Feiertag“ und ein Grund zur „Freude mit Tränen in den Augen“ gewesen sei, sei in der Gegenwart zu einem „staatlich inszenierten Todeskult“ geworden, schrieb Dubowy weiter. „Der Kreml gedenkt nicht der Opfer – sondern betet den sogenannten ‚Großen Sieg‘ an. Das einstige Bekenntnis ‚Nie wieder Krieg‘ verkehrte sich in die triumphalistische Parole ‚Wir können es wiederholen!‘ – ein seit Jahren staatlich verordneter Slogan“, so Dubowy.
Dazu passend bekräftigte der Kreml rund um das Weltkriegsgedenken erneut seine Maximalforderungen im Krieg gegen die Ukraine – ungeachtet des jüngsten Drucks aus den USA. In einer gemeinsamen Erklärung mit Ehrengast Xi Jinping erklärte Putin erneut, dass der Krieg nur „durch die Beseitigung seiner Grundursachen“ beendet werden könne. Darunter versteht Moskau die „Entmilitarisierung“ der Ukraine, den Verzicht auf vier ukrainische Regionen sowie die Halbinsel-Krim und die Ablösung der Regierung in Kiew durch ein prorussisches Regime. Die Forderungen kämen einer ukrainischen Kapitulation gleich.
US-Regierung erhöht den Druck auf Wladimir Putin
US-Vizepräsident J. D. Vance hatte unterdessen am Donnerstag erklärt, dass Russland in möglichen Verhandlungen mit der Ukraine keine Gebiete zugesprochen bekommen werde, die es nicht erobern konnte. Auch US-Präsident Donald Trump meldete sich erneut zu Wort. „Die USA fordern im Idealfall einen 30-tägigen bedingungslosen Waffenstillstand“, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social – und drohte mit weiteren Sanktionen gegen Russland, sollte diese Waffenruhe dann nicht eingehalten werden.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Europa änderte der US-Präsident seinen Tonfall. „Als Präsident werde ich mich zusammen mit den Europäern weiterhin für einen dauerhaften Frieden zwischen Russland und der Ukraine einsetzen“, schrieb Trump.
US-Analysten sehen Vorbereitungen auf Aggression gegen Nato
Amerikanische Analysten sehen derweil – so wie auch Russland-Experte Dubowy – Indizien dafür, dass Putin die Militärparade und das Weltkriegsgedenken für seine Zwecke nutzen will. Der Kreml greife bewusst „den russischen Mythos des Zweiten Weltkriegs auf, um in der russischen Gesellschaft die Voraussetzungen für einen längeren Krieg in der Ukraine und künftige Aggressionen gegen die Nato zu schaffen“, erklärte das amerikanische Institut für Kriegsstudien in seinem aktuellen Lagebericht zu Russlands Krieg.

Der russische Verteidigungsminister Andrej Belousow wird während der Militärparade zum Tag des Sieges in einem Aurus-Auto über den Roten Platz gefahren.
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Ein aktueller Grund für diese Einschätzung ist demnach ein Artikel vom russischen Außenminister Andrej Beloussow, der kurz vor der Militärparade veröffentlicht wurde. Die „Spezialoperation“ in der Ukraine werde ebenso bedeutsam in die Geschichte eingehen wie der Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, prophezeite der Minister dort und stellte den Angriff auf die Ukraine als direkte Fortsetzung „glorreicher Traditionen“ dar. Russlands Sieg in der Ukraine sei „unvermeidlich“, versicherte Putins Verteidigungsminister außerdem.
Xi Jinping und Wladimir Putin: „Freunde aus Stahl“
Der Westen nutze die Ukraine für einen „Kreuzzug“ gegen Russland und wolle die russische Staatlichkeit „auslöschen“, behauptete Beloussow weiter und verwies darauf, dass Russlands Armee deshalb gezielt reformiert und verstärkt worden sei. „Beloussow bezeichnete die groß angelegten russischen Militärreformen ausdrücklich als Vorbereitung auf einen künftigen Konflikt mit der Nato“, lautete das Fazit der US-Analysten in ihrem Lagebericht.
Moskau bleibt also weiterhin auf Kriegskurs – und kann sich dabei offenbar auch auf die Unterstützung von Chinas Staatschef Xi Jinping verlassen. Rund um die Gespräche im Kreml präsentierten sich Putin und Xi, der für vier Tage in Moskau zu Gast ist, als Verteidiger einer neuen Weltordnung, die nicht mehr von den USA dominiert werde. Xi versprach Putin dabei, die Zusammenarbeit der beiden Länder auf eine neue Ebene heben und dem Einfluss Washingtons „entschlossen“ gemeinsam entgegentreten zu wollen. Russland und China sollten „Freunde aus Stahl“ sein, erklärte Xi.