Äußerungen über Baerbock und BidenPutin spielt Propaganda-Pingpong – und Trump weiß es sofort zu nutzen

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Bisher galt Wladimir Putin bei vielen als Unterstützer von Donald Trump. Nun hat sich der Kremlchef positiv über Joe Biden geäußert. (Archivbild)

Bisher galt Wladimir Putin bei vielen als Unterstützer von Donald Trump. Nun hat sich der Kremlchef positiv über Joe Biden geäußert. (Archivbild)

Wladimir Putin hat Joe Biden gelobt und Annalena Baerbock attackiert. Zufall ist das nicht – und nicht nur Donald Trump spielt mit.

Dass Kremlchef Wladimir Putin sich für Joe Biden als kommenden US-Präsidenten ausgesprochen hat, ist auf den ersten Blick eine handfeste Überraschung. Der Demokrat sei „berechenbar“ und ein Politiker „der alten Schule“, erklärte Putin – und widersprach damit scheinbar der eigenen Propaganda-Linie, die bereits seit Jahren mehr oder weniger offensichtlich das Lager von Donald Trump in den USA unterstützt.

Ausgerechnet am Valentinstag gibt es nun also Risse in dieser unheilvollen Verbindung? Dass Putin seine Worte über Biden ernst meint, ist nicht ausgeschlossen, schließlich sieht der Kremlchef sich selbst als Politiker der „alten Schule“ und mag Überraschungen nicht allzu gerne. Die gibt es mit Trump immer. Und dennoch sind die Worte über Biden nur ein vergiftetes Lob.

Donald Trump weiß Wladimir Putins Lob für Biden zu nutzen

Die Gegner des US-Präsidenten wissen das für sich zu nutzen: In Windeseile griff Trump Putins Worte auf. Nachdem der Ex-Präsident Nato-Ländern damit gedroht hatte, Putin nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus dazu zu ermutigen, zu tun „was zur Hölle er will“, gab es auch aus den Reihen seiner eigenen Partei mehr Kritik als das Trump-Lager gewohnt ist. Mit der Vorlage aus Moskau kann Trump nun wieder etwas öffentliche Distanz zwischen ihn und den Kreml bringen – und wiederum Biden einen Kuschelkurs gegenüber Moskau unterstellen. 

„Putin hat mir gerade ein großes Kompliment gemacht“, erklärte Trump am Mittwoch also – und fügte an: „Er will mich nicht haben. Er will Biden, weil ihm von ihm alles gegeben wird, was er will“, behauptete Trump. „Dank Biden wird er seinen Traum verwirklichen, die Ukraine zu bekommen“, fügte der Republikaner bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina an. „Der einzige Präsident der letzten fünf, der Russland nichts gegeben hat, ist ein Präsident namens Donald J. Trump.“

„Man sollte nicht davon ausgehen, dass Putin sagt, was er denkt und macht, was er sagt“

Trumps Sohn Donald Junior ging noch weiter. „Kein Wunder, dass Putin in jeder Amtszeit von Bush, Obama und Biden in ein neues Land einmarschiert ist, aber nicht unter Trump“, schrieb er bei X und behauptete, Biden sei durch Putin manipulierbar. Damit wandte er einen der älteren, von den Demokraten erhobenen Vorwürfe gegen seinen Vater einfach auf Biden an. Das Trump-Lager weiß genau, wie man Putins Propaganda-Pingpong mitspielt. Und Putin spielt die Bälle gekonnt – ob über den großen Teich oder nach Europa.

Als „schlichte Desinformation“ und „Hilfe für Trump“ bezeichnete dementsprechend der Historiker Martin Sauerbrey auf X die Worte Putins. Der Republikaner könne es sich „im Moment nicht leisten, als offenkundig pro-russisch zu gelten“, also gebe es ein wenig Schützenhilfe aus Moskau. Derartige Aussagen könne man nicht für bare Münze nehmen, erklärte auch der Sicherheitsexperte Nico Lange bei X: „Man sollte nicht davon ausgehen, dass Putin sagt, was er denkt und macht, was er sagt.“

Putins spielt sein Propaganda-Pingpong auch mit Deutschland

Ebenso gezielt dürfte Putin seine Worte über die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gewählt haben – wohl wissentlich, dass die Grünen innerhalb der deutschen Regierung die stringentesten Unterstützer der Ukraine und regelmäßigen Attacken aus der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht ausgesetzt sind. Dass Baerbocks Partei von Teilen der Union zum Feindbild aufgebaut wird, ist im Kreml sicher ebenfalls bekannt.

Die Grünen-Politikerin sei nicht nur feindselig gegenüber Russland eingestellt, erklärte Putin am Mittwoch, sondern „auch feindselig gegenüber dem eigenen Land“. Die Außenministerin verhalte sich „geringschätzig“ gegenüber den „wirtschaftlichen Interessen“ ihres Landes, fügte der Kremlchef an. 

Auch hier spielt Putin also sein Propaganda-Pingpong – und findet zuverlässig Akteure, die dabei mitspielen. In den einschlägigen Kreisen der AfD- und BSW-Anhänger verfangen die Äußerungen sofort: Putin spreche ja nur aus, was viele in Deutschland eh schon lange denken, heißt es da in den sozialen Medien am Donnerstag freudig. Auch auf Biden könnte man in diesem Lager im Weißen Haus gut verzichten.

Gezielte Attacke von Wladimir Putin auf Annalena Baerbock

Die bei AfD und BSW populäre Behauptung, dass die USA und Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson ein Friedensabkommen kurz nach Kriegsbeginn verhindert hätten, lanciert Putin immer wieder – so erneut in dieser Woche und zuvor im Gespräch mit Tucker Carlson. Auch das passiert nicht zufällig, die Kritiker der Waffenlieferungen an die Ukraine stürzen sich zuverlässig auf derartige Behauptungen – und ignorieren Kiews Version gleichzeitig.

Demnach führten die Kriegsverbrechen in Butscha und das Misstrauen gegenüber Versprechungen aus Moskau zum Abbruch der damaligen Gespräche. Bis heute gelingt es weder Putin noch seinen Unterstützern, das Gegenteil stichhaltig zu beweisen.

Wladimir Putin lästert über die deutsche Wirtschaft – nicht ohne Grund

Die Stimmung in Deutschland gegen die Ukraine zu kippen, dürfte eines der zentralen Ziele der Desinformationskampagnen aus Russland sein. Zehntausende Fake-Accounts in den sozialen Netzwerken konnten kürzlich Russland zugeordnet werden.

Während die Unterstützung für Kiew in den USA dank Trumps Einfluss auf die Republikaner bereits wackelt, kommen aus Deutschlands Regierungskreisen noch keine derartigen Signale. Dementsprechend steigt die Anzahl russischer Einlassungen zu Deutschland zuletzt. Kürzlich lästerte Putin bereits über die deutsche Wirtschaft. Nun folgt der Frontalangriff auf Baerbock. Auch das dürften keine Zufälle sein.

Widersprüchliche Narrative? Kein Problem in Moskau

Die Behauptungen aus Moskau widersprechen sich teilweise erheblich, das stört traditionell im Kreml aber offensichtlich niemand. So erklärte Putin nun fast schon großzügig, man könne die Deutschen nicht für die Taten ihrer Vorfahren unter Adolf Hitler verantwortlich machen, auch Annalena Baerbock nicht.

Das klingt fast schon vernünftig, hätte nicht die eigene Außenamtssprecherin Maria Sacharowa kurz zuvor das exakte Gegenteil verbreitet. „Warum unterstützt Deutschland Selenskyjs Nazi-Regime?“, fragte die russische Top-Diplomatin im Telegram-Kanal des russischen Außenministeriums. „Weil die Nachfahren von Nazis in Deutschland an der Macht sind“, lautete ihre schlichte Antwort.

Mehr auf Russlands Taten achten als auf Russlands Worte 

Aus dem Kreml kommen viele Botschaften. Manche sind für Deutschland, manche für die USA – und manche für das Publikum in Russland bestimmt. Mit der Wahrheit haben die wenigsten zu tun. Daran erinnerte am Donnerstag auch der Historiker Matthäus Wehowski auf X – und verwies auf die Worte Putins, die der Kremlchef auf den Tag genau vor zwei Jahren geäußert hatte. „Wir wollen keinen Krieg in Europa“ hatte Putin damals versichert. Nicht einmal zehn Tage später marschierten Russlands Truppen in die Ukraine ein.

Auf Worte aus Moskau sollte man sich also nicht verlassen. Auf Russlands Taten achten dafür umso mehr – und die sprechen weiterhin eine klare Sprache: Moskau will diesen Krieg – und rüstet sich mit einem Kriegshaushalt, der rund 40 Prozent des Budgets für Verteidigung und Sicherheit aufwendet, für eine lange Auseinandersetzung.

Seit Tagen greifen die russischen Streitkräfte die Ukraine massiv an, teilweise kommt die Luftabwehr kaum noch hinterher. „Wir erleben gerade eine neue Eskalationsstufe des Krieges, der nun zwei Jahre dauert“, berichtete die ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf am Donnerstag über neuerliche Luftschläge des Kremls. „Russlands Entschlossenheit zur Vernichtung der Ukraine scheint ungebrochen“, fügte sie an.

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