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Putin räumt Notstand einMoskau will Sieg und dann „nicht aufhören“ – USA für „Kreml-Propaganda“ in der Kritik

Lesezeit 5 Minuten
29.05.2025, Russland, Moskau: Der russische Präsident Wladimir Putin spricht im Vorfeld des Internationalen Kindertages per Videokonferenz mit prominenten Familien und Müttern, die mit dem Titel "Mutterheldin" ausgezeichnet wurden, im Kreml. Foto: Alexander Kazakov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kremlchef Wladimir Putin hat einen Kartoffel-Notstand in Russland eingeräumt. (Archivbild)

Moskau räumt einen Kartoffelnotstand ein – einen Kurswechsel gibt es im Kreml aber nicht. Trumps Sondergesandter sorgt derweil für Wirbel. 

Kremlchef Wladimir Putin hat in dieser Woche während eines Auftritts im russischen Staatsfernsehen ein seltenes Eingeständnis gemacht: „Wir haben nicht genug Kartoffeln“, erklärte der russische Präsident. Die Ernte des vergangenen Jahres sei bereits aufgebraucht, führe der 72-Jährige aus. Auch im benachbarten Belarus gibt es Berichten zufolge offenbar keine Kartoffeln mehr, die nach Russland verkauft werden könnten.

„Wir müssen so viel anbauen, dass es für uns und für Russland reicht“, sagte Diktator Alexander Lukaschenko der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge bei einer Besprechung mit regionalen Funktionären in Minsk. Auch in Belarus hatte es zuletzt Versorgungsmängel gegeben.

Auch Belarus hat keine Kartoffeln mehr für Russland übrig

Russland habe die Reserven von Belarus aufgekauft, erklärte Lukaschenko daraufhin, zeigte sich jedoch bereit, Moskau bei der Kartoffelkrise zur Seite zu stehen. „Wir müssen unseren Brüdern, den Russen, helfen“, erklärte Lukaschenko. Wenn Belarus etwas könne, dann sei es schließlich der Kartoffelanbau, fügte der Diktator an. Dem großen Nachbarland auszuhelfen, sei zudem wirtschaftlich lukrativ, führte Lukaschenko aus.

Tatsächlich sind die Lebensmittelpreise in Russland, das überwiegend auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, stark angestiegen. Die Teuerungsrate für Kartoffeln zählt dabei zu den höchsten. Belarus reagierte auf den Notstand in dieser Woche – und hob dafür ein Einfuhrverbot für Obst und Gemüse aus der Europäischen Union auf, das bereits kurz vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als Reaktion auf Sanktionen aus Brüssel verhängt worden war. 

Moskau stellt vor Verhandlungen erneut eine Bedingung auf

In Russland gibt es unterdessen trotz der mitunter für die russische Bevölkerung schmerzhaften Folgen keine Anzeichen für eine Abkehr von dem strikten Kriegskurs, den Putin zuletzt immer wieder bekräftigt hatte. Nachdem zuvor Details zu den angeblichen Forderungen Russlands für einen Waffenstillstand durchgesickert waren, stellte der Kreml am Freitag erneut eine Bedingung auf – diesmal für ein Treffen von Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump.

Der Kremlchef befürworte „Kontakte auf höchster Ebene“ zwar, diese seien jedoch nur dann möglich, wenn bei vorherigen Verhandlungen zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation „Ergebnisse erzielt werden“, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow klar. 

Selenskyj wirft Russland Sabotage der Gespräche vor

In der Ukraine sieht man darin wiederum lediglich einen neuen Verzögerungsversuch Moskaus. „Seit über einer Woche sind die Russen nicht in der Lage, dieses sogenannte ‚Memorandum‘ vorzulegen“, schrieb Präsident Selenskyj auf der Plattform X. „Leider tut Russland alles, was es kann, um sicherzustellen, dass ein mögliches nächstes Treffen keine Ergebnisse bringt“, fügte er hinzu.

Moskau hatte zuvor ein „Memorandum“ angekündigt, das zur Vorbereitung der für den kommenden Montag geplanten Gespräche in Istanbul dienen sollte. Die Ukraine sei grundsätzlich zu einem erneuten Treffen bereit, heißt es dazu aus Kyjiw, zuvor müssten jedoch wie angekündigt die russischen Bedingungen für ein Friedensabkommen übermittelt werden, betont die ukrainische Regierung.

Während Kremlsprecher Peskow zuletzt immer wieder die russische Gesprächsbereitschaft bekräftigt, deuten andere Botschaften aus Moskau kaum auf Kompromissbereitschaft hin. „Die militärische Sonderoperation wird bis zur vollständigen Erfüllung der von Wladimir Putin gesetzten Ziele fortgesetzt“, kündigte der Vorsitzende des russischen Verteidigungsausschusses, Andrej Kartapolow, nach Angaben der Zeitung „Moskowski Komsomolez“ am Freitag an.

Moskau will Kriegsziele erreichen und „danach nicht aufhören“

Russland werde „auch danach nicht aufhören“, drohte Kartapolow außerdem und kündigte Tribunale gegen das „Kiewer Regime“ an, das „Verbrechen“ gegen russische Soldaten und Zivilisten begangen habe. „Alle, die an den Verbrechen beteiligt waren, werden wir finden und vor Gericht stellen“, erklärte Kartapolow und verbreitete unbelegte Behauptungen über die angeblich schlechte Behandlung russischer Kriegsgefangener. 

„Wir geben wohlgenährte, geheilte Menschen zurück“, behauptete Kartapolow außerdem, obwohl der mitunter katastrophale Gesundheitszustand ukrainischer Kriegsgefangener nach Gefangenenaustauschen bereits mehrfach dokumentiert worden ist.

Russisches Außenministerium zieht erneuten Nazi-Vergleich

Auch das russische Außenministerium überzog die Ukraine am Freitag mit entsprechenden Anschuldigungen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa schreckte dabei auch vor Holocaustverharmlosung nicht zurück – und verglich die Haftbedingungen in der Ukraine mit dem „Vorgehen der Nazis in den Konzentrationslagern“, wie die Online-Zeitung „Lenta“ berichtete.

Trotz immer neuen Bedingungen, drastischen Worten und massiven Angriffen auf die Ukraine kamen aus den USA zuletzt auch wieder verständnisvolle Worte angesichts einiger russischer Forderungen. Zuvor hatte US-Präsident Trump zweimal harsche Kritik an Putin geäußert.

Keith Kellogg (r), US-Sondergesandter für die Ukraine, und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterhalten sich während eines Treffens.

Keith Kellogg (r), US-Sondergesandter für die Ukraine, und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterhalten sich während eines Treffens.

Nun erklärte Trumps Sondergesandter für die Ukraine, Keith Kellogg, in einem TV-Interview jedoch, dass Putins kolportierte Forderung nach einem garantierten Stopp der Nato-Osterweiterung ein „berechtigtes Anliegen“ des Kremlchefs sei. Für Russland sei das eine „Sicherheitsfrage“, behauptete Kellogg in einem Interview mit dem US-Sender ABC.

Trumps Sondergesandter zeigt Verständnis für Russland

Für die Anerkennung der russischen Erzählung bekam Trumps Sondergesandter am Freitag ein Lob aus Moskau: Der Kreml freue sich, dass Putins Erklärungen „auch in Washington verstanden werden“, sagte Pressesprecher Peskow laut Staatsmedien. Das sei für Russland „natürlich sehr erfreulich“, hieß es weiter. 

Insbesondere aus der Ukraine, Osteuropa und dem Baltikum kam derweil scharfe Kritik an Kellogg. „Es ist traurig zu sehen, dass Keith Kellogg die russische Propaganda wiederholt“, schrieb der ukrainische Wirtschaftsprofessor Roman Sheremeta auf der Plattform X.

Scharfe Kritik an Interview-Aussagen von Keith Kellogg

„Inwiefern ist die Nato für Putin ein ‚berechtigtes‘ Anliegen? Wann hat die Nato Russland angegriffen?“, fragte der ehemalige Direktor der amerikanischen Universität in Kyjiw weiter. Im Gegenteil sei Russland jedoch „für jeden eine ‚berechtigte Sorge‘, der nicht der Nato angehört“, fügte Sheremeta an.

Auch Tschechien schlug in dieselbe Kerbe. „Die Nato-Erweiterung liegt in den Sicherheitsinteressen Russlands“, schrieb Außenminister Jan Lipavsky am Freitag bei X. „Wo Russland an Nato-Staaten grenzt, gibt es keinen Krieg. Anderswo schon“, fügte der tschechische Chef-Diplomat an und bekam dafür Zuspruch vom stellvertretenden ukrainischen Außenminister Serhij Kyslyzja.

Baltikum: Nato-„Mythos“ ist „Propaganda aus dem Lehrbuch“

Der ehemalige litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis sprach unterdessen angesichts von Kelloggs Aussagen von „russischer Propaganda aus dem Lehrbuch“. Dass die Nato Russlands Sicherheit bedrohe, sei ein „Mythos“, so Landsbergis.

Moskau gehe es bei seiner Forderung nach einem Stopp der Nato-Osterweiterung in Wahrheit darum, die „Nato-Grenzen zurück nach Berlin zu verschieben“, führte der Litauer aus. Putin habe das bereits vor der Invasion in der Ukraine „deutlich“ gesagt, Landsbergis weiter bei X und fügte an: „Lasst uns damit aufhören, so zu tun, als wüssten wir das nicht.“