Drohende Eskalation in SüdamerikaMaduro setzt auf Moskauer Methoden – „Putin wird es freuen“

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Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. (Archivbild)

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. (Archivbild)

Venezuela will sich zwei Drittel des Nachbarlandes Guyana einverleiben. Das US-Militär erhöht seine Präsenz – auch Peking mischt sich ein.

Im Streit um die ölreiche Region Essequibo nehmen die Spannungen zwischen Guyana und Venezuela zu: Nach einem umstrittenen Referendum über die Grenzziehung zu Guyana rief Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am Dienstag dazu auf, das dem südamerikanischen Nachbarland unterstehende Gebiet per Gesetz zu einer venezolanischen Provinz zu erklären und Lizenzen für die Öl-Förderung auszugeben.

Guyanas Präsident Irfaan Ali sprach von einer „direkten Bedrohung“ für sein Land und richtet sich mit einem emotionalen Appell an die Bevölkerung des Landes. Zudem versetzte der Präsident die Streitkräfte des Landes in höchste Alarmbereitschaft und bat um internationale Hilfe. 

Guyana spricht von „direkter Bedrohung“ durch Venezuela

Das Vorgehen Venezuelas wird von Beobachtern unterdessen in Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine gebracht.  Maduros Annexionspläne seien ein „Praxisbeispiel“ dafür, wie die „multipolare Weltordnung“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin aussehe, kommentierte der Historiker Matthäus Wehowksi.

„Despoten aller Art fühlen sich zu eigenen speziellen Militäroperation berufen“, fügte er an. In Russland darf der Krieg gegen die Ukraine auf Anordnung des Kremls ausschließlich mit diesem Begriff bezeichnet werden.

 „Putin wird es freuen, dass seine Norm international Anklang findet“, erklärte auch der Kölner Politologe Thomas Jäger auf X (vormals Twitter). Diese Norm sei, dass Grenzen nun mit Gewalt verändert werden könnten. Putin hatte seit dem russischen Angriff auf die Ukraine immer wieder von einer neuen „multipolaren Weltordnung“ gesprochen, die auf eine bisherige Vorherrschaft der USA folgen solle. 

Nicolás Maduro auf den Spuren Wladimir Putins

Bei einer Kabinettssitzung hatte Maduro zuvor vorgeschlagen, der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf zur Schaffung einer venezolanischen Provinz in der Region Essequibo vorzulegen. Zudem wies er den staatlichen Ölkonzern an, „sofort“ Lizenzen für die Förderung Erdöl und Gas sowie den Bergbau in Essequibo zu vergeben.

Mehr als 10,4 Millionen Venezolaner hatten sich am Sonntag an dem nicht bindenden Referendum beteiligt. Nach Angaben der venezolanischen Wahlbehörde sprachen sich 95 Prozent der Wähler für den Anspruch Venezuelas auf die an Erdöl und anderen Ressourcen reiche Region Essequibo in Guyana aus. Zahlreiche Beobachter zweifelten die Zahlen allerdings an.

Essequibo macht mehr als zwei Drittel der Landesfläche von Guyana aus

Guyanas Generalstaatsanwalt Anil Nandlall hatte am Dienstag erklärt, er werde den UN-Sicherheitsrat um Hilfe bitten, sollte Venezuela nach dem Referendum weitere Schritte unternehmen. Präsident Ali sagte später, Maduros Äußerungen stellten „eine direkte Bedrohung der territorialen Integrität, der Souveränität und der politischen Unabhängigkeit von Guyana dar“. Essequibo macht mehr als zwei Drittel der Landesfläche der früheren britischen Kolonie aus. 125.000 der insgesamt 800.000 Einwohner leben dort.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro präsentiert eine Landkarte des Landes, die Gebiete des Nachbarlandes Guyana beinhaltet.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro präsentiert eine Landkarte des Landes, die Gebiete des Nachbarlandes Guyana beinhaltet.

Venezuelas Verbündeter China rief die beiden Staaten auf, den Streit beizulegen. „China hat immer die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder respektiert“, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Mittwoch in Peking. China habe Venezuela und Guyana „bei der ordnungsgemäßen Lösung von Grenzfragen stets unterstützt“. Dies sei auch wichtig für die Stabilität in der Region.

„Sicherheitspartner“: USA wollen Militärpräsenz in Guyana erhöhen

Die USA, die sich selbst als „Sicherheitspartner“ Guyanas betrachten, kündigten unterdessen an, ihre Militärpräsenz als Reaktion auf die Pläne Venezuelas erhöhen zu wollen. „Die USA werden ihr Engagement als verlässlicher Sicherheitspartner Guyanas fortsetzen und die regionale Zusammenarbeit fördern“, teilte das Südkommando des US-Militärs am Donnerstag mit und kündigte Militärflüge über dem Staatsgebiet Guyanas an. 

Venezuela reklamiert die Region Essequibo seit mehr als einem Jahrhundert für sich. Die Begehrlichkeiten nahmen vor allem zu, nachdem der Ölkonzern ExxonMobil 2015 in dem Gebiet ein Ölvorkommen entdeckt hatte. Im Oktober dieses Jahres wurde in der Region ein weiterer bedeutender Ölfund gemacht, der die Reserven Guyanas auf mindestens zehn Milliarden Barrel – und damit auf mehr als die des ölreichen Kuwait oder der Vereinigten Arabischen Emirate – vergrößert. (mit afp/dpa)

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