Bedrohliche Rede des KremlchefsPutin fordert acht Kinder pro Familie für sein „ewiges Russland“

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Kremlchef Wladimir Putin bei seiner Videoschalte zum Weltkonzil des russischen Volkes am 28. November. „Wir sind stärker geworden“, verkündete der russische Präsident.

Kremlchef Wladimir Putin bei seiner Videoschalte zum Weltkonzil des russischen Volkes am 28. November. „Wir sind stärker geworden“, verkündete der russische Präsident.

Der Kremlchef macht seine Zukunftsvision deutlich. „Für faschistische Staaten“ sei seine Politik „nicht ungewöhnlich“, sagen Experten.

Kremlchef Wladimir Putin sieht Russland nach fast zwei Jahren seines Angriffskrieges gegen die Ukraine nach eigenen Worten wieder als „Großmacht“ auf der Weltbühne. „Wir sind stärker geworden“, sagte Putin am Dienstag in einer Videobotschaft zur Tagung des sogenannten Weltkonzils des russischen Volkes, einer Organisation unter Schirmherrschaft der russisch-orthodoxen Kirche.

Es sei nun Russland, „das an der Spitze der Schaffung einer gerechteren Weltordnung“ stehe, erklärte Putin. Der Kremlchef erinnerte zudem an die Revolution im Jahr 1917 und den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991. Daraus müssten „Lehren“ gezogen werden, so der Kremlchef, der die „künstliche, gewaltsame Spaltung der großen russischen Nation“ kritisierte, die aus „Russen, Belarussen und Ukrainern“ bestehe, und damit den russischen Anspruch nicht nur auf die Ukraine unterstrich. 

Wladimir Putin betrauert die „künstliche Spaltung der großen russischen Nation“

Als Feindbild baute Putin in seiner Rede erneut den Westen auf. „Heute sind Russophobie und andere Formen von Rassismus und Neonazismus fast zur offiziellen Ideologie der westlichen herrschenden Eliten geworden“, behauptete der Kremlchef. Die „Vielfalt“ in Russland passe nicht „in die Logik westlicher Rassisten“, erklärte Putin, der erneut seine Vorstellung der „Russki Mir“ (Russischen Welt) erläuterte.

Krieg im Kopf: Kremlchef Wladimir Putin bei einer Übung der russischen Marine. (Archivbild)

Krieg im Kopf: Kremlchef Wladimir Putin bei einer Übung der russischen Marine. (Archivbild)

Diese habe bereits das „alte Russland“ und die Sowjetunion umfasst. Mit dem „modernen Russland“ werde nun die „Souveränität als Weltmacht“ gestärkt und ausgebaut, erklärte der Kremlchef. Es seien „gewaltige Aufgaben“ bei der „Erschließung riesiger Räume vom Pazifischen Ozean über die Ostsee bis zum Schwarzen Meer“ zu lösen.

Wladimir Putin spricht von „Pseudowissenschaften“ im Westen

Der Kremlchef unterstrich am Dienstag erneut, dass er bei seiner Zukunftsvision für Russland auf eine starke Einbindung der Kirche setzt. „Weise Worte spiritueller Hirten sind einfach notwendig“, erklärte Putin und rief zur Besinnung auf „wunderbare Traditionen“ auf.

Während die Kultur im Westen immer „primitiver“ werde, da „klassische Fächer gestrichen“ und durch „Pseudowissenschaften“ ersetzt würden, könne Russland viel von den eigenen Vorfahren lernen, die kulturelle „Vorbilder für die ganze Welt“ gesetzt hätten.

Kremlchef fordert „sieben oder acht Kinder“ von Russen

Putin geht es aber offensichtlich nicht nur um Kultur und Wissenschaft. Die „demografischen Herausforderungen“ in Russland machten es notwendig, die russische Tradition der „kinderreichen Familien“ wiederzubeleben, so Putin. Es sollte für alle Russen „zur Norm und Lebensweise“ werden, wie frühere Generationen „sieben oder acht Kinder“ zu bekommen, forderte der Kremlchef.

„Die Rettung und Vermehrung der Menschen in Russland ist unsere Aufgabe für die kommenden Jahrzehnte“, führte der russische Präsident aus. „Das ist die Zukunft der russischen Welt, ein tausendjähriges, ewiges Russland.“

„Das ist die Zukunft der russischen Welt, ein tausendjähriges, ewiges Russland“

Für die „spirituelle Wiederbelebung Russlands“ sei neben der „Rückkehr unserer historischen Regionen“ auch die Rückbesinnung auf diese alten Traditionen notwendig, so Putin, der deshalb eine Stärkung des militärischen und religiösen Unterrichts in russischen Schulen forderte. Auch Sportvereine und Kirchen müssten sich an der „Stärkung spiritueller, moralischer und familiärer Werte“ beteiligen.

Mit seiner Rede habe Putin „das Ziel politischer Dominanz über Europa und Zentralasien“ dokumentiert, kommentierte der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). „Anders kann Russland nicht Weltmacht sein.“

Putins Rede: „Für faschistische Staaten keine ungewöhnliche Politik“

Die Aufforderung an das russische Volk, mehr Kinder zu bekommen, sei  „für faschistische Staaten keine ungewöhnliche Politik“, schrieb Jäger zudem. Der Politologe hatte zuvor bereits im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt, dass in Russland „nur wenige Merkmale zu einem ausgewachsenen faschistischen Staat“ fehlen würden.

„Er spricht von der künstlichen Teilung der ‚dreieinigen russischen Nation der Russen, Belarussen und Ukrainer‘ nach dem Zerfall der Sowjetunion“, kommentierte unterdessen der Historiker Matthäus Wehowski die Worte des Kremlchefs. „So spricht niemand, der nur die Neutralität der Ukraine oder Sicherheitsinteressen im Sinn hat.“

Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze bezeichnete die Rede Putins unterdessen als „religiös verbrämten Ultranationalismus in Aktion“. Putin habe gesprochen, „als wäre der Krieg in der Ukraine nur das Präludium zur Verwirklichung der ‚wahren zivilisatorischen Mission‘ Russlands“, führte Schulze aus – und bekam dafür volle Zustimmung von Jäger: „Genau so sieht das Putin.“

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