Wagner-Söldner folterte Ex-FreundinPutin begnadigt den Mörder, der in Russland für Entsetzen gesorgt hat

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Wladislaw Kanyus im März 2021 vor Gericht. Der Wagner-Söldner wurde für den Mord an seiner Ex-Freundin Vera Pekhtelewa zu 17 Jahren Haft verurteilt. Nun wurde Kanyus von Wladimir Putin nach seinem Dienst für die Wagner-Gruppe begnadigt. (Archivbild)

Wladislaw Kanyus im März 2021 vor Gericht. Der Wagner-Söldner wurde für den Mord an seiner Ex-Freundin Vera Pekhtelewa zu 17 Jahren Haft verurteilt. Nun wurde Kanyus von Wladimir Putin nach seinem Dienst für die Wagner-Gruppe begnadigt. (Archivbild)

Vera Pekhteleva starb nach langer Folter an 111 Verletzungen. Ihr Peiniger ist frei, die Familie verängstigt. Bei Putin werden Mörder zu „Helden“.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den für den Mord an seiner Ex-Freundin zu 17 Jahren Haft verurteilten mutmaßlichen Wagner-Söldner Wladislaw Kanyus begnadigt. Die Aufhebung des Urteils sei die Folge von Kanyus Kampfeinsatz in der Ukraine, berichtete Aljona Popowa am Mittwoch einem Bericht der „Moscow Times“ zufolge. Die russische Frauenrechtlerin veröffentlichte zudem einen Brief, der von der russischen Generalstaatsanwaltschaft vom 3. November stammen soll. Kanyus wurde dem Inhalt zufolge bereits am 27. April per Präsidialdekret begnadigt.

Der Mord an Vera Pekhtelewa hatte in Russland im Jahr 2020 für blankes Entsetzen und eine breite Berichterstattung geführt. Kanyus hatte seine Ex-Freundin stundenlang gefoltert und vergewaltigt, ehe die 23-Jährige schließlich an insgesamt 111 Verletzungen, darunter viele Schnittwunden, starb. In Medienberichten wird er als „einer der schlimmsten Killer Russlands“ betitelt. Im Sommer 2022 wurde Kanyus schließlich zu der langjährigen Haftstrafe verurteilt, die von Putin nun offenbar aufgehoben wurde.

Putin begnadigt ihren Mörder: Aufschrei in Russland nach Tod von Vera Pekhtelewa 

Popowa zufolge hatten die für Justizvollzugsanstalten zuständigen russischen Behörden bereits im Juni bestätigt, dass Kanyus in die Region Rostow verlegt worden sei, direkt an die Grenze zur Ukraine. Zuvor hatte Pekthtelewas Mutter in sozialen Netzwerken Fotos des Mörders ihrer Tochter in Militäruniform entdeckt und Informationen dazu eingefordert, berichtete Popowa. Es habe keinen Grund gegeben, die Angehörigen über die Verlegung des Mörders zu informieren, teilten die Behörden demnach in ihrer Antwort mit.

Einer Recherche der britischen Zeitung „The Guardian“ zufolge hatte Kanyus sich zuvor der Wagner-Gruppe angeschlossen. Üblicherweise verpflichteten sich die Häftlinge zu mehrmonatigen Kampfeinsätzen für die Söldnergruppe – wer die lebendig überstand, sollte begnadigt werden. Kanyus gehört nun offiziell dazu.

Pekhtelewas Familie geht nach Tod von Wagner-Chef Prigoschin an die Öffentlichkeit

Bereits kurz nach dem weiterhin ungeklärten Flugzeugabsturz von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im August war die Familie an die Öffentlichkeit gegangen, um vor der Rückkehr der verurteilten Straftäter zu warnen. Seit die Fotos von Kanyus aufgetaucht seien, habe Pekthetelewas Mutter „Angst um sich selbst“ und vor der Rache des verurteilten Mörders, schilderte ein Angehöriger dem „Guardian“.

Putin hat die „Begnadigungsdekrete“ für Häftlinge, die im Krieg gekämpft haben, noch im Juni bestätigt. Die Rückfallquote bei den begnadigten Mördern, Vergewaltigern und Gewaltverbrechern in Diensten Russlands liege unter einem Prozent, behauptete der Kremlchef.

Wladislaw Kanyus nach Wagner-Einsatz frei: „Putin hat den Mörder einfach begnadigt“

„Putin hat den Mörder einfach begnadigt“, schrieb Popowa nun zu den Angaben der Generalstaatsanwaltschaft. „Kanyus hat Vera mehrere Stunden lang getötet“, erinnert die Frauenrechtlerin an die Brutalität der Tat, die Russland, wo Gewalt gegen Frauen sonst kein viel beachtetes Problem ist, in Aufruhr versetzt hatte.

„In der juristischen Sprache – mit besonderer Grausamkeit, in der menschlichen Sprache – mit krankem Sadismus“, sei Kanyus vorgegangen, so Popowa. „Es gab 111 Verletzungen an ihrem Körper, vor ihrem Tod hat er Vera vergewaltigt und hat sie dann mit einem Drahtseil erwürgt“, fügte sie an. Pekthetelewas Mörder befindet sich Popowas Angaben zufolge mittlerweile wieder in seiner Heimat und zeigt sich dort regelmäßig mit Freunden in der Öffentlichkeit.

Rückkehr der Ex-Häftlinge: „Sie sollen sich vor dem ganzen Land für ihre ‚Helden‘ entschuldigen“

Das Vorgehen des Kremls dürfe die russische Gesellschaft nicht akzeptieren, forderte die Frauenrechtlerin. „Wenn wir schweigen, nehmen wir einfach hin, dass solche Mörder auf unseren Straßen wandeln“, warnte Popowa und rief zur Berichterstattung über den Fall auf.

„Sie sollen [Dmitri] Peskow fragen, ob eine solche Entscheidung angemessen ist“, schrieb Popowa über den für Presseanfragen zuständigen Kremlsprecher. Der Kreml dürfe „nicht in Frieden leben“, forderte die Frauenrechtlerin. „Sie sollen sich vor dem ganzen Land für ihre ‚Helden‘ entschuldigen.“ Zunächst hat Moskau nicht auf das Bekanntwerden der Begnadigung reagiert.

Verkehrte Welt: Russische Justiz fordert acht Jahre Haft für Protestaktion in Supermarkt

Weniger Gnade als bei Kanyus kennt die russische Justiz unterdessen im Fall Alexandra Skochilenko. Die Staatsanwaltschaft habe am Mittwoch eine achtjährige Haftstrafe für die Künstlerin beantragt, berichtete das unabhängige russische Nachrichtenmedium „Mediazona“. Skochilenko war demnach bereits im April 2022, der Frühphase des russischen Angriffs, nach einer Protestaktion gegen den Krieg festgenommen worden.

Die 33-Jährige hatte demnach in einem St. Petersburger Supermarkt die Preisschilder mit Antikriegsbotschaften und Informationen über getötete Zivilisten in der Ukraine ausgetauscht. Seit ihrer Festnahme befindet sie sich in Haft.

In Wladimir Putins Russland werden Mörder und Vergewaltiger zu „Helden“

„Ich wollte nur, dass der Krieg aufhört, denn das sind meine Werte: Das Leben ist mir heilig, ich wollte nur den Krieg beenden – das war meine Motivation“, hatte Skochilenko bei einem Gerichtstermin zu Monatsbeginn der „Moscow Times“ zufolge erklärt.

In Putins Russland sind Mörder die „Helden“ und Friedensaktivisten die Gejagten. Konyus ist dabei lediglich ein besonders prominenter Fall. Zu Lebzeiten hatte Wagner-Chef Prigoschin verkündet, zwischen 40.000 und 50.000 russische Häftlinge hätten sich der Söldnergruppe angeschlossen. Unabhängig überprüfbar waren diese Angaben nicht.

Selbst bei Berücksichtigung der hohen Verluste bei der Wagner-Truppe droht Russland mit der Rückkehr der kriminellen Söldner „eine Welle von Mord, Vergewaltigung und häuslicher Gewalt“, warnt Popowa.

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