Hilferuf von sieben IndernWie Russland offenbar ausländische Touristen zum Front-Einsatz zwingt

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Ein indischer Soldat steht an einer Straße (Symbolbild)

Ein indischer Soldat steht an einer Straße (Symbolbild)

Sie kamen als Touristen und landeten als Soldaten an der Front, so berichten es mehrere Inder, die um Hilfe rufen.

In Indien erregt ein Hilferuf von sieben indischen Staatsbürgern aktuell große Aufmerksamkeit: Sie behaupten, in Russland zum Kriegsdienst gezwungen worden zu sein, und wenden sich nun in ihrer Not direkt an die indische Regierung. Was sie erzählen, klingt wie das Drehbuch in einem Hollywoodfilm.

In einem 105-sekündigen Video berichtet einer der insgesamt sieben Männer aus Punjab und Haryana, wie sie ungewollt an die Front geschickt worden seien, um für ein fremdes Land zu kämpfen. Unabhängig überprüfen lassen sich seine Angaben nicht. Indische Medien halten die Berichte jedoch offenbar für glaubhaft. 

Indische Touristen behaupten, in Russland zum Militärdienst gezwungen worden zu sein

Wie der indische Sender NDTV berichtet, sei es wahrscheinlich, dass die Männer am 27. Dezember als Touristen nach Russland aufbrachen, um dort den Jahreswechsel zu feiern. Ein entsprechendes Visum hätten die Männer demnach gehabt. Zum Verhängnis wurde ihnen dann ein Trip ins benachbarte Belarus, der ihnen „angeboten“ worden sei, so die Recherchen.

Ein russischer Tourguide habe sie nach Belarus gebracht und unmittelbar hinter der Grenze dann plötzlich mehr Geld verlangt. Schließlich habe der Mann die Inder auf einer Autobahn einfach ausgesetzt – kurz darauf seien sie verhaftet worden.

„Wir wurden an die russischen Behörden übergeben, die uns Dokumente unterschreiben ließen“, behauptet der indischen Medienberichten zufolge 19-jährige Mann namens Harsh in dem Video. „Jetzt zwingen sie uns, im Krieg gegen die Ukraine zu kämpfen.“

Knast oder Front – Russen sollen Touristen vor die Wahl gestellt haben

Gegenüber indischen Medien hat sich nun auch die Mutter von Harsh geäußert, sie bestätigt dessen Version und macht sich große Sorgen. Ihr Sohn sei auf der Suche nach Arbeit nach Russland gereist, dort sei ihm der Pass abgenommen worden und mit einer langen Haftstrafe gedroht worden, wenn sich Harsh nicht dazu verpflichte, dem Militär beizutreten.

Laut der Familie von Harsh sei dieser nach einer Waffenausbildung in die Region Donezk entsandt worden. Seitdem habe man nichts mehr von ihm gehört. Bei einem anderen Mann, der im Video zu sehen ist, handele es sich vermutlich um Gurpreet Singh, will NDTV herausgefunden haben. Familienangehörige bestätigen, dass Singh angeblich ebenfalls vor die Wahl gestellt worden sei, ins Gefängnis zu gehen oder die Dokumente auf russisch zu unterschreiben, mit denen er sich fürs Militär verpflichte.

Immer wieder Berichte über Zwangsverpflichtungen in Russland

Laut indischer Medienberichte handle es sich bei den nun für Schlagzeilen sorgenden Fällen nicht um Einzelschicksale. Über 20 Touristen aus Indien seien zum aktiven Militärdienst in Russland verleitet worden. Einigen von Ihnen seien andere Jobs versprochen worden, andere seien durch irreführende Übersetzungen hereingelegt worden. 

Wieder andere hätten sich zum Beispiel als Köche oder Fahrer beworben, sich dann aber als Soldaten an der Front wiedergefunden. Die indische Regierung soll bereits eingeräumt haben, von den Problemen zu wissen.

Der englische „Guardian“ berichtet ebenfalls am Donnerstag über den Fall eines anderen indischen Staatsbürgers, der ebenfalls an der Front landete und dort sogar getötet worden sein soll. Hemil Mangukiya, ein 23-Jähriger aus dem indischen Bundesstaat Gujarat, sei laut Recherchen der Zeitung im vergangenen Dezember nach Russland gereist, um Arbeit zu suchen. Die Familie des Mannes habe wenige Wochen später einen Anruf erhalten, dass Mangukiya bei einem Raketenangriff in der Ukraine getötet worden sei. 

Auswärtiges Amt verschräft Warnung rät dringend von Reise nach Russland ab

Ein anderer Inder, Mohammad Afsan, kam Berichten des Guardian zufolge ebenfalls an der Front ums Leben, nachdem er im November letzten Jahres für einen Auftrag nach Moskau gereist war. „Er hatte keine Ahnung, dass er in ein Kriegsgebiet geschickt wurde“, sagte sein Bruder Mohammad Imran der englischen Zeitung.

Ähnliche Aktionen habe Russland laut „The Kyiv Independent“  in den vergangenen Monaten bereits mit Migranten aus Afrika und Südamerika durchgezogen, die unter falschen Vorzeichen ins Land gelockt und anschließend an die Front geschickt wurden.

Dass eine Reise nach Russland für Touristen nicht ungefährlich ist, bestätigte am Mittwoch auch das Auswärtige Amt. Die Behörde hat seine Reisehinweise für Russland verschärft und rät nun „dringend“ von Reisen dorthin ab. Die Änderung sei „aufgrund der sich weiter verschlechternden Lage einschließlich immer häufiger zu beobachtender willkürlicher Festnahmen“ vorgenommen worden, hieß es aus dem Ministerium.

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