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Kanzler in WashingtonUS-Reaktionen auf Merz-Besuch bei Trump: „Er steht immer noch auf seinen Beinen“

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, 2.v.l.) steht im Kapitol zwischen den Senatoren Lindsey Graham (l-r), Richard Blumenthal und Chris Coons.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, 2.v.l.) steht im Kapitol zwischen den Senatoren Lindsey Graham (l-r), Richard Blumenthal und Chris Coons.

Kanzler Friedrich Merz erntet nach seinem Auftritt im Oval Office Lob von US-Senatoren. Auch zwei amerikanische Fernsehsender laden ihn zu Interviews. Aber je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr wird der Kanzler-Besuch vom Spektakel des Zerwürfnisses zwischen Donald Trump und Elon Musk verdrängt.

Abgesehen von einem gewaltigen Kronleuchter an der Decke ist der Hugh Scott Room nicht unbedingt der eindrucksvollste Raum im Washingtoner Kapitol. Kein Fenster lässt Licht in diese Klause, und auf dem Tischkarree stehen verloren nur ein paar Mini-Plastikwasserflaschen. Doch die Stimmung scheint bestens, als Friedrich Merz das Zimmer am Donnerstagnachmittag betritt. „Ich habe mir das im Fernsehen angeschaut“, lobt der republikanische Senator Pete Ricketts den Auftritt des Kanzlers im Weißen Haus: „Toller Job!“

„Sie lächeln“, stellt sein demokratischer Kollege Chris Coons fest: „Das ist ein sehr gutes Zeichen!“ Der Republikaner Lindsey Graham hebt hervor: „Er steht immer noch auf seinen Beinen.“ Es klingt fast, als freuten sich die Senatoren, die Donald Trump nur äußerst selten die Stirn bieten, mit einem Mann für ein Foto zu posieren, der sich von ihrem Präsidenten nicht zusammenfalten lassen hat.

Volles Programm nach dem Oval Office

Zu diesem Zeitpunkt hat der deutsche Kanzler eine wie üblich bizarre 45-minütige Reality-TV-Show von Trump im Oval Office überstanden und mit dem unberechenbaren Präsidenten beim Mittagessen länger geredet als ursprünglich geplant. Er hat für deutsche Medien Statements und Interviews gegeben. Doch am Nachmittag beginnt der Besuchsteil, der sich eher an das amerikanische Publikum wendet. Das Treffen mit den Senatoren gehört ebenso dazu wie zwei anschließende Interviews bei den US-Fernsehsendern CNN und Fox News.

US-Präsident Donald Trump (r) empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Oval Office im Weißen Haus.

US-Präsident Donald Trump (r) empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Oval Office im Weißen Haus.

Ob das Treffen mit den Senatoren überhaupt zustande kommen würde, war lange unsicher gewesen. Der Kongress kennt derzeit nur ein Thema: das monumentale Steuergesetz von Trump. Es herrscht hektische Betriebsamkeit. Mehrheitsführer John Thune scheint unabkömmlich. Aber immerhin drei demokratische und zwei republikanische Politiker sind gekommen. Es geht vor allem um die Ukraine. Eine Mehrheit der Senatoren unterstützt neue Sanktionen gegen Russland, Trump gefällt der Gedanke gar nicht. Die Europäer wollen mit den Senatoren gemeinsam Druck machen. Nach dem Gespräch zeigt sich der Demokrat Richard Blumenthal optimistisch in der Sache – und positiv angetan vom Kanzler: „Ein sehr eindrucksvoller Redner.“

Nicht das Hauptthema bei CNN

Vom Kongress geht es für Merz weiter zum Sender CNN. Auch in der Polit-Sendung des Moderators Jake Tapper rangiert der Kanzlerbesuch nicht an erster Stelle. Die erste halbe Stunde des Magazins geht es um den irre eskalierenden Streit zwischen dem Milliardär Elon Musk und Trump, den der Präsident auch mit einer Bemerkung während des Termins des Kanzlers im Oval Office angeheizt hatte. „Im übrigen ging es im Oval Office heute auch um die Ukraine – beim Treffen mit dem deutschen Kanzler“, leitet Tapper ungalant zu dem offensichtlichen B-Thema über.

In dem folgenden achtminütigen Schaltgespräch mit Merz versucht er den Kanzler mehrfach zu einem direkten Widerspruch gegen Trump zu provozieren. Merz hebt lieber hervor, dass der Präsident „eine Schlüsselstellung“ bei der Bemühung um eine Beendigung des Krieges innehabe und man doch im Grunde gemeinsame Interessen verfolge. Wie es denn für ihn gewesen sei bei dem Treffen im Oval Office, das üblicherweise durch erratische Dauermonologe von Trump beherrscht wurde, versucht Tapper seinen Gast zu provozieren. Ein Schmunzeln legt sich auf das Gesicht des Kanzlers: „Innenpolitik hat eine beherrschende Rolle gespielt“, antwortet er, „aber das hat mich nicht überrascht.“

Die Frage nach der AfD

Je weiter er Nachmittag fortschreitet, desto unglaublicher werden die Online-Posts, die Trump und Musk austauschen. Auch beim rechten Sender Fox News dominiert das Zerwürfnis der beiden einstigen Regierungspartner die Nachrichten. Immerhin wird Merz in der Sendung „Special Report with Bret Baier“ trotzdem ein Acht-Minuten-Beitrag eingeräumt. Gleich zu Beginn versucht ihm Moderatorin Aishah Hasnie einen Kommentar zu dem filmreifen Drama zu entlocken. Merz lehnt ab, nimmt aber doch indirekt einen Kritikpunkt von Musk auf: „Aus meiner Sicht gefährden Zölle unsere Wirtschaft.“

Natürlich kommt bei Fox News die Rede auf die AfD. Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio hatten den Umgang der Bundesregierung mit der vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ eingestuften Partei kritisiert. Rubio hatte Deutschland eine „verkappte Tyrannei“ genannt. Deutschland verdanke den Amerikanern seit dem Zweiten Weltkrieg viel, erklärt Merz, aber es sei seit mehr als sieben Jahrzehnten eine stabile Demokratie: „Wir brauchen keine Belehrungen von irgendeiner Seite.“

Jake Tapper fragt ihn bei CNN, ob das Thema denn eigentlich von Trump angesprochen worden sei: „Interessanterweise mit keinem Wort“, antwortet Merz. Offenbar sehe man in den USA „inzwischen klarer, was für eine Partei die AfD ist“. Da scheint ihn die Erleichterung über einen unfallfreien Antrittsbesuch im Weißen Haus dann doch etwas weggetragen zu haben. Mindestens so wahrscheinlich ist, dass Trump bei diesem aus amerikanischer Sicht zweitrangigen Thema keinen Streit angefangen hat, weil er gerade mit ganz anderen Sachen beschäftigt ist.

Im amerikanischen Fernsehen jedenfalls laufen den ganzen Donnerstagabend Bilder von der Merz-Begrüßung im Oval Office. Doch Merz ist selten zu sehen. Gezeigt wird immer die Passage, in der der Präsident mit Musk abrechnet: „Ich bin sehr enttäuscht über ihn.“