Verbot von „LGBT-Propaganda“Moskau strebt nun die „Entsatanisierung“ der Ukraine an

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Putin mit Kirill PA 271022

Wladimir Putin zusammen mit Patriarch Kirill (Archivbild)

Moskau – Seit Monaten herrscht nun Krieg in der Ukraine. Die Begründungen, die von Russland für den völkerrechtswidrigen Feldzug gegen das Nachbarland angebracht wurden, waren schon seit Kriegsbeginn kaum nachvollziehbar. Zunächst erklärte Moskau, die Ukraine müsse „denazifiziert“ werden, die Regierung in Kiew sei „faschistisch“. Belege dafür lieferte Russland nie. Jetzt scheint man auch in Moskau von diesem Narrativ Abstand zu nehmen – und es durch die nächste unglaubliche Erzählung ersetzen zu wollen.

Wie die staatsnahe russische Agentur „Tass“ meldet, halte es der Sicherheitsrat der Russischen Föderation für „immer dringlicher, eine ‚Entsatanisierung‘ der Ukraine durchzuführen“. Der stellvertretende Sekretär des Sicherheitsrates, Oleksiy Pavlov, habe sich demnach einer ähnlich lautenden Forderung des tschetschenischen Anführers Ramsan Kadyrow angeschlossen.

Neues Kreml-Narrativ: „Kirche Satans“ hat sich in der Ukraine ausgebreitet

Zudem wies der Sicherheitsrat der Agentur zufolge daraufhin, dass sich die „Kirche Satans“ mittlerweile in der „gesamten Ukraine ausgebreitet“ habe. Statt auf den „Kampf gegen Faschismus“ setzt man im Kreml nun also offenbar auf einen göttlichen Auftrag. Die „Kirche des Satans“ sei zudem „eine der in den Vereinigten Staaten offiziell registrieren Religionen“, führte Pavlov seine kruden Theorien aus.

Kadyrow ap 271022

Ramsan Kadyrow (r.) ist der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien

In den USA herrscht Religionsfreiheit. Pavlov könnte sich mit seinen Aussagen entweder auf die „Church of Satan“ oder „The Satanic Temple“ beziehen – beide religiösen Gruppen fördern jedoch inhaltlich im Gegensatz zu ihren Namen eher humanistische Werte. Ein „Hohepriester“ der „Church of Satan“ beschrieb die Mitglieder als „skeptische Atheisten“.

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Auch „The Satanic Temple“, tatsächlich vom US-Finanzamt als Religionsgruppe anerkannt, hat sich eigenen Angaben zufolge Werten wie „Nächstenliebe“ und „Empathie“ verschrieben. Zudem lehne die Organisation „tyrannische Autorität“ ab und befürworte „Menschenverstand“ und „Gerechtigkeit“. So weit scheint man in Russland jedoch nicht gelesen zu haben. Beweise für irgendeine Art von „Satanskult“ liefert Russland ohnehin nicht – weder für eine Existenz in der Ukraine noch für die USA. 

Patriarch Kirill afp 271022

Patriarch Kirill (Archivbild)

Eine „Entsatanisierung“ der Ukraine anzustreben, passt jedoch zu den in den letzten Monaten ohnehin offensichtlich gewordenen und religiös geprägten Ansichten in Russland, die auch von der russisch-orthodoxen Kirche weiter befeuert wurden. So erklärte Patriarch Kirill kürzlich, ukrainische Soldaten seien „Kräfte des Bösen“ und versprach russischen Soldaten, die im Krieg sterben, den Zugang zu „Gottes Reich“.

Russisch-orthodoxe Kirche verspricht gefallenen Soldaten Zugang zu „Gottes Reich“

Zu dieser fundamental-religiös geprägten Haltung passt auch eine der jüngsten Entscheidungen des russischen Parlaments. So meldete „Tass“ am Donnerstag, die Duma habe einen Gesetzesentwurf zum „Verbot von LGBT-Propaganda“ verabschiedet. Auch ein „Verbot von Aufrufen zur Geschlechtsumwandlung bei Jugendlichen im Internet, in den Medien, in Büchern, audiovisuellen Diensten, im Kino und in der Werbung“ sei von den Abgeordneten „konkretisiert“ worden.

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Die Duma-Entscheidungen passen ins Bild: Bereits zu Kriegsbeginn hatte Präsident Wladimir Putin in seiner Rede an die russische Nation ein ähnliches Narrativ vorgegeben. „Sie versuchten, unsere traditionellen Werte zu zerstören und uns ihre falschen Werte aufzuzwingen, die uns, unser Volk, von innen heraus aushöhlen würden“, hatte der russische Machthaber unter anderem gesagt.

Zunächst blieb man im Kreml jedoch bei der Erzählung, die Ukraine müsse „entnazifiziert“ werden. Diese scheint nun durch das religiös-geprägte Satanismus-Narrativ abgelöst zu werden. Gleichzeitig probiert man in Moskau auch immer wieder, Narrative über die Absichten der Ukrainer zu etablieren. Zuletzt behauptet man im Kreml dementsprechend, Kiew wolle eine „schmutzige Bombe“ zur Anwendung bringen – und lieferte auch dafür keine ernstzunehmenden Belege. 

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