„Ende der Zettelwirtschaft“Bund will digitales Behörden-Postfach für jeden schaffen

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Ein Mann tippt auf der Tastatur eines Laptops. (Symbolbild)

Das erste Onlinezugangsgesetz trat 2017 in Kraft - dessen Ziele wurden klar verfehlt.

Das Bundeskabinett beschließt eine Neufassung des Online-Zugangsgesetzes. Die digitale Verwaltung soll bis 2024 massiv ausgebaut werden.

Die Bundesregierung will mit einer Neuauflage des Online-Zugangsgesetzes die schleppende Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben. Die Menschen in Deutschland sollen künftig flächendeckend ein digitales Postfach bekommen - dies sieht ein Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete.

Die Bürgerinnen und Bürger sollen über dieses Postfach - die sogenannte BundID - künftig Anträge stellen, korrigieren, ergänzen oder auch Nachfragen stellen können. Auch den Behörden soll es ermöglicht werden, über das Postfach Fragen zu klären oder an das Auslaufen von Fristen zu erinnern, etwa beim Ablauf von Personalausweisen.

Voraussetzung für die Nutzung ist ein digitaler Identitätsnachweis der Bürgerinnen und Bürger, etwa der elektronische Personalausweis (eID).

Verwaltungsdienstleistungen sollen bis 2024 digital angeboten werden

Insgesamt 15 besonders wichtige Verwaltungsdienstleistungen sollen bereits in diesem oder spätestens im nächsten Jahr beschleunigt umgesetzt werden. Darunter fallen laut Innenministerium die Ummeldung, das Elterngeld, die Eheschließung, die KfZ-An- und Ummeldung, die Baugenehmigung, der Führerschein und das Wohngeld.

Diese Leistungen sollen spätestens 2024 in ganz Deutschland digital beantragt werden können. Der Bund will die Länder hier besonders bei der Umsetzung unterstützen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte zum Ziel des Gesetzes: „Wir wollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden.“

Ziel von Onlinezugangsgesetz wurde klar verfehlt

Mit der Zuständigkeit etwa für das digitale Bürgerkonto übernimmt der Bund eine Aufgabe von den Ländern, die das Vorhaben bislang teils nur sehr schleppend vorantrieben. „Trotz erkennbarer Erfolge bleiben der Digitalisierungsgrad der Verwaltungsleistungen und die Zufriedenheit mit der Verwaltung hinter den Erwartungen der Bevölkerung und der Wirtschaft zurück“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Das erste Onlinezugangsgesetz war 2017 in Kraft getreten und sah die Digitalisierung zahlreicher Verwaltungsvorgänge binnen fünf Jahren vor. Das Gesetz listete knapp 600 einzelne Verwaltungsleistungen auf, die von den Behörden bis 2022 auch im Internet angeboten werden sollten. Die Umsetzung kam aber nur schleppend voran, das Ziel wurde klar verfehlt.

Eine Untersuchung des Vergleichsportal Verivox Ende 2022 ergab, dass lediglich 101 Verwaltungsleistungen komplett online waren. 143 Verwaltungsleistungen waren demnach teilweise online abrufbar, 326 gar nicht. Zuständig für die Umsetzung waren je nach Verwaltungsleistung Bund oder Länder.

Auf Landes- und Kommunalebene besteht wohl Nachholbedarf

Das Bundesinnenministerium wies am Mittwoch darauf hin, dass der Bund seine Pflichten hier „weitgehend erfüllt“ habe - 97 von 115 anvisierten Verwaltungsleistungen des Bundes seien inzwischen online verfügbar. Auf Landes- und Kommunalebene gebe es aber noch Nachholbedarf. Für Bürgerinnen und Bürger soll die Nutzung des digitalen Behördenangebots freiwillig bleiben. Unternehmen hingegen sollen wirtschaftsbezogene Verwaltungsleistungen nach einer Frist von fünf Jahren nur noch digital in Anspruch nehmen können.

Die am Mittwoch beschlossene Neufassung sieht auch Änderungen beim Software-Einsatz vor: „Bund und Länder werden Eigenentwicklungen wo immer sinnvoll und möglich nur noch als Open Source beauftragen“, heißt es in dem Entwurf. Die Online-Plattformen der deutschen Verwaltung müssten künftig einen offenen und diskriminierungsfreien Zugang anbieten. Dem Gesetzentwurf zufolge wird die forcierte Digitalisierung den Bund einiges kosten. Der Gesetzentwurf beziffert die einmaligen Mehrausgaben auf 694 Millionen Euro.

Der Branchenverband Bitkom äußerte Zweifel an der Wirksamkeit des neu gefassten Gesetzes. Das bisherige Gesetz zur Digitalisierung der Verwaltung in Bund und Ländern sei „krachend gescheitert“, kritisierte Verbandspräsident Achim Berg. Die Nachfolgeregelung verheiße „keine wirkliche Besserung“. Berg forderte: „Statt verlängerter Fristen, die am Ende wohl wieder einmal nicht eingehalten werden, brauchen wir einen Rechtsanspruch auf zentrale digitale Verwaltungsleistungen.“ (afp)

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