PorträtAuf der Suche nach dem Glück

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Simone Harre-Körnich hat sich ausführlich mit dem Thema Glück beschäftigt. (Bild: Jochheim)

Simone Harre-Körnich hat sich ausführlich mit dem Thema Glück beschäftigt. (Bild: Jochheim)

Brühl – Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der auf dem Kölner Heumarkt durch einen Schlag auf den Kopf so schwer verletzt wird, dass er stirbt. Esist auch die Erinnerung eines Kölner evangelischen Pfarrers, dessen 21-jähriger Bruder vor drei Jahrzehnten nach einer Autopanne im Siegburger Raum erfroren ist. Es ist die Lebensgeschichte einer 38-jährigen, sehr erfolgreichen Marketingmanagerin, die mit 30 Jahren an Brustkrebs erkrankt und um ihr Leben kämpft. 19 Interviews führten die beiden Autorinnen Simone Harre-Körnich und Nicole Roewers, um sich in ihrem 222 Seiten starken Buch dem Begriff „Glück“ zu nähern. „Die Menschen, die am glaubwürdigsten von ihrem Glück erzählten, haben fast ausnahmslos tiefes Unglück durchlebt. Alle waren durch Beben in ihrem Leben aus der Bahn geworfen worden und gezwungen gewesen, eine neue Perspektive einzunehmen“, lautet die Bilanz der beiden 40-Jährigen, die eine lebt seit acht Jahren in Brühl, die andere in Köln.

„Vom Glück in Köln“ lautet der Titel des zweiten gemeinsamen Werks, und es will keinesfalls ein Ratgeber sein. Vielmehr zogen sie los, das Glück zu suchen – immer mit der Frage „Wer erscheint uns glücklich?“ Manchmal sprachen sie wildfremde Menschen auf der Straße an, manchmal wurde ihnen jemand empfohlen. Die Interviews dauerten zumeist anderthalb bis zwei Stunden, manchmal länger, manchmal gab es sogar mehrere Treffen, denn um zum Glück zu kommen, hätten viele weit ausgeholt. Ganze Lebensgeschichten seien erzählt worden. Von Krisen, Freude, Schmerz und Leid sei berichtet worden. „Wir sahen, dass der Glücksbegriff sich im Laufe eines Lebens gehörig verändern kann“, so eine der Erkenntnisse der Autorinnen.

Mit Preis ausgezeichnet

2010 widmeten sich die beiden erstmals gemeinsam dem Thema Glück. Die Erfahrungen der 16 Gesprächspartner veröffentlichten sie damals im Eigenverlag „Books on Demand“. Unter Tausenden Veröffentlichungen ragte ihr gemeinsames Erstlingswerk offenbar heraus, es wurde mit dem „Autoren-Award 2011“ ausgezeichnet und geriet so auch ins Blickfeld anderer Verlage. Einen ersten Kontakt zum Kölner Emons-Verlag gab es kurz nach der Ehrung bei der Leipziger Buchmesse. Wenige Tage später hatten Harre-Körnich und Roewers einen Vertrag in der Tasche und den Auftrag, ein Buch über das Glück in Köln zu verfassen. Kürzlich ist es erschienen, in einer Auflage von 4000 Stück. Und auch die beiden nächsten Titel sind bereits in Vorbereitung: „Liebe in Köln“ sowie „Vom Glück in Freiburg“ – beide Titel sollen 2013 erscheinen.Auf diesem Wege kehrt Harre-Körnich in ihre Heimat zurück. Denn geboren wurde die Wahl-Brühlerin in Freiburg/Breisgau. Schon als Jugendliche habe sie erste Texte verfasst. „Zumeist waren es existenzielle Themen – der Tod hat mich sehr beschäftigt.“ Schreiben sei immer ihr Ziel gewesen, allerdings habe sie als junge Frau keine Möglichkeit gesehen, dies zu ihrem Beruf zu machen. Sie studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte – zunächst in Erlangen, später in Köln. In der Domstadt legte sie schließlich ihre Magisterprüfung ab.

Nach dem Studium – ihre erstgeborene Tochter war damals drei Jahre alt – habe sie das Schreiben „ganz aus den Augen verloren“ und habe eine Shiatsu-Ausbildung, eine aus Japan stammende Körpertherapie-Ausbildung, gemacht. „Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich etwas mit den Händen machen musste“, erinnert sich die Brühlerin. Mit der zweiten Schwangerschaft schwand die Leidenschaft für diesen Beruf und kehrte nie zurück.Ihre Sehnsucht, sich literarisch zu betätigen, trat wieder in den Vordergrund. Ein Jahr schrieb sie – inspiriert vom Leben ihrer Großmutter („eine wunderbare und schöne Frau“) – an ihrem ersten Liebesroman „Der schöne Gesang des Fräulein Sonnabend“. Der Erfolg setzte etwas in ihr in Bewegung. Sie schrieb – und erfüllte sich ihre große Sehnsucht. Neue Wege

In der Kindertagesstätte, die ihre ältere Tochter damals besuchte, lernte sie vor neun Jahren Nicole Roewers kennen. Bei den vielen Begegnungen sei die Idee gereift, ein gemeinsames Buchprojekt aus der Taufe zu heben. „Ursprünglich wollten wir die Geschichten alter Menschen festhalten, weil sie sonst für immer verloren gehen“, war der erste Plan. In anfänglichen Interviews kristallisierte sich jedoch das Thema „Glück“ heraus. „Wir hörten Geschichten von Nachbarn und Bekannten, die glücklich schienen, obwohl sie Schicksalsschläge erlitten hatten“, erinnert sich Harre-Körnich. Schnell wurde klar: Glück ist die Kehrseite des Unglücks. Glück gibt es nicht ohne Leid, Krise und Trauer. Menschen sind gezwungen, neue Wege zu gehen, nachzudenken. „Es wurden ganz intime Interviews, die in die Tiefe gingen. Es floss so manche Träne.“ Um den Gesprächen die Authentizität nicht zu nehmen, wechseln lange Original-Ton-Passagen mit kurzen Absätzen in Erzählform ab.„Die Geschichten stoßen etwas an“, freut sich Simone Harre-Körnich über die gute Resonanz. Simone Harre/Nicole Roewers, „Vom Glück in Köln“, Emons-Verlag, 12,95 Euro

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