Radikaler PFLP-Anführer Saadat im Westjordanland festgenommen

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Proteste gegen die Verhaftung Saadats in einem Flüchtlingslager.

Proteste gegen die Verhaftung Saadats in einem Flüchtlingslager.

Ramallah - Drei Monate nach der Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechavam Seevi ist der Chef der radikalen Palästinenserorganisation PFLP festgenommen worden. Nach Angaben der Autonomiebehörde wurde der 48-jährige Ahmad Saadat am Dienstag im Westjordanland gefasst. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) hatte sich zum Mord an Seevi bekannt, der im Oktober zu einer Eskalation der Gewalt im Nahen Osten geführt hatte. Die Festnahme Saadats war eine der Bedingungen Israels für eine Entspannung im Nahost-Konflikt. In den Autonomiegebieten gingen Hunderte Menschen aus Protest gegen die Festnahme auf die Straßen.

Bei Saadat handelt es um den bisher ranghöchsten Palästinenserführer, den die Autonomiebehörde nach eigenen Angaben festnehmen ließ. Der stellvertretende PFLP-Führer Abdel Rahim Malluh warf der palästinensischen Polizei vor, Saadat ausgetrickst zu haben. Die Autonomiebehörde habe ihm zugesichert, dass nach ihm nicht gefahndet werde, sagte Malluh der Nachrichtenagentur AFP. Als er zu einem vereinbarten Treffen mit einem hochrangigen Vertreter der Autonomiebehörde am Gefängnis eingetroffen sei, sei er jedoch von der palästinensischen Polizei überrascht worden. Die Festnahme sei ausschließlich auf internationalen Druck erfolgt. Malluh forderte seine sofortige Freilassung. Ein PFLP-Sprecher in Damaskus bezeichnete die Festnahme am Abend als eine ”gefährliche Entwicklung”, die seine Organisation nicht schweigend hinnehmen werde.

Die PFLP ist eine von drei großen politischen Bewegungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die von Arafats Fatah dominiert wird. Die radikale Palästinenserorganisation ist ein erbitterter Gegner der Friedensabkommen mit Israel. Saadat war im Oktober zum Nachfolger von Abu Ali Mustafa gewählt worden, den israelische Soldaten Ende August mit einem gezielten Raketenangriff getötet hatten. Israel machte Mustafa für zahlreiche Anschläge verantwortlich.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon bezeichnete die Festnahme des PFLP-Führers als ”Lüge”. Scharon sagte laut dem israelischen Rundfunk bei einem Sicherheitstreffen in Jerusalem, Palästinenserpräsident Jassir Arafat wolle mit der angeblichen Festnahme Saadats lediglich eine Delegation von US-Abgeordneten beeindrucken, die in den vergangenen Tagen in Israel Gespräche über Geheimdienst-Fragen geführt hatten. Es handle sich um eine ”weitere virtuelle Festnahme”. Scharon hatte Saadats Festnahme auch zur Bedingung dafür gemacht, dass Arafat die Stadt Ramallah im Westjordanland wieder verlassen darf. Dort steht er de facto seit Anfang Dezember unter Hausarrest.

Vor Arafats Residenz in Ramallah versammelten sich am Dienstagabend etwa 160 Demonstranten mit PFLP-Fahnen und forderten die Freilassung Saadats. In Gaza feuerten Palästinenser aus Wut mit Pistolen und Gewehren in die Luft. In Sprechchören forderten die Demonstranten Arafat auf, die Festnahmen von Extremisten zu beenden. Auch im Flüchtlingslager Ad Duheischa bei Bethlehem im Westjordanland versammelten sich Hunderte zu einem Protestmarsch.

Im Westjordanland erschossen militante Palästinenser am Dienstag zwei Israelis. Am Eingang einer jüdischen Siedlung bei Ramallah wurde nach einem israelischen Fernsehbericht am Abend eine Frau getötet und eine weitere schwer verletzt. Ihr Auto war unter palästinensischen Beschuss geraten. In der Ortschaft Beit Sahur nahe Bethlehem wurde die von Kugeln durchsiebte Leiche eines 72-jährigen Mannes gefunden. Zu dem Mord bekannte sich der bewaffnete Arm der Fatah-Organisation von Arafat. (afp)

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