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1200 Fragen als Theorie-LernstoffFahrlehrer erklärt – „In der Prüfung haben viele einen Blackout“

3 min
ARCHIV - 13.04.2018, NA, Göttingen: Ein Schild mit der Aufschrift «Fahrschule» ist auf einem Fahrschulauto befestigt. (zu dpa: «Deutlich höhere Kosten für Führerschein in Sachsen-Anhalt») Foto: Swen Pförtner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Durchfallquote bei der Führerscheinprüfung ist höher als früher.  

Viele Fahrschülerinnen und -schüler scheitern im ersten Versuch. Fahrlehrer Christoph Flittner erklärt die Gründe.

Bei der Führerscheinprüfung kommt es für viele Fahranfängerinnen und Fahranfänger zum abrupten Stopp: Fast die Hälfte scheitert an der Theorieprüfung, und gut jeder Dritte besteht die praktische Prüfung nicht auf Anhieb. Christoph Flittner, Fahrlehrer und als „Herr Fahrschule“ auf Tiktok bekannt, erläutert die Gründe für die hohen Durchfallquoten. Gleichzeitig sind die Kosten für den Führerschein gestiegen und liegen oft bei 3500 Euro oder mehr.

Um die Kosten zu senken, schlägt Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) unter anderem die theoretische Ausbildung per App, weniger Sonderfahrten und mehr Simulatortraining vor. Flittner sieht den Vorschlag einer reinen App-Lösung kritisch.

„Leute, die es gewohnt sind, zu Hause zu lernen und die entsprechende Disziplin haben, kommen vielleicht mit einer App klar“, so der Fahrlehrer. „Aber der Weg ist schlecht für alle, die sich zu Hause leicht ablenken lassen, deshalb eine Verbindlichkeit brauchen – dass da ein Lehrer ist, wo man erscheinen soll und auch die Möglichkeit hat, direkte Rückfragen zu stellen.“ Er befürchtet, dass theoretische Defizite dann im Auto nachgeholt werden müssten, was zu mehr Fahrstunden und höheren Kosten führen könnte.

Fahrprüfung: Verkehr und Technik sind komplexer geworden

Dass Fahrschülerinnen und Fahrschüler heute mehr Übungsstunden benötigen als früher, hat laut Fahrlehrer und Buchautor Flittner mehrere Gründe. Der Verkehr habe zugenommen, ebenso die Aggressivität auf den Straßen. Hinzu kämen neue Verkehrsteilnehmende wie Lastenräder und E-Scooter. Auch die moderne Technik im Auto stelle eine Herausforderung dar. „Seit ein paar Jahren ist es sogar Pflicht, dass in der Führerscheinprüfung alle Assistenzsysteme, die das Auto hat, abgeprüft werden können“, erklärt Flittner. Fahrschulen müssten daher den Umgang mit diesen Systemen lehren.

Der häufigste Grund für das Scheitern in der Praxis sei entgegen der allgemeinen Annahme nicht das Einparken, sondern eine mangelhafte Verkehrsbeobachtung. „Schulterblick, Spiegelschauen, das wird alles immer trainiert und wiederholt. Aber in der Prüfung haben viele heutzutage einen Blackout“, berichtet Flittner. Ein Grund dafür sei der Druck, die Prüfung schnell bestehen zu wollen. Auch die gut gemeinten Ratschläge der Eltern, wie „Fahr' ja langsam!“, könnten sich negativ auswirken, da langsames Fahren oft zu verlangsamten Reaktionen führe.

Fahrlehrer fordert Verschlankung des Fragenkatalogs

Flittner unterstützt den Vorschlag des Verkehrsministers, den theoretischen Fragenkatalog mit seinen 1200 Fragen zu überarbeiten. Dieser sei über die Jahre zu einem „Monster“ herangewachsen. Neue Themen wie Umweltschutz, Elektroautos und der Umgang mit legalisiertem Cannabis seien hinzugekommen, ohne dass ältere Inhalte entfernt wurden.

Er kritisiert zudem die komplizierten Formulierungen in den Prüfungsfragen. „Das Deutsch, das da angewendet wird, ist selbst für die, die der Muttersprache mächtig sind, schon schwierig“, sagt er und nennt als Beispiel das Wort „Gefälle“. Stattdessen plädiert er für zeitgemäßere Lernmethoden mit spielerischen Elementen, bekannt als „Gamification“. „Nach zehn Fragen kommt eine Medaille oder ein Bonuspunkt, wie man das aus Apps wie Duolingo kennt. Oder ich habe eine Battle-App, ähnlich wie vor Jahren das Quiz-Duell. Das war Wissensvermittlung, die Spaß machte.“

Trotz der Herausforderungen bereitet Flittner sein Beruf nach wie vor Freude. „Wenn ich irgendwann mal alt bin, kann ich sagen, dass ich 10.000 Leuten beigebracht habe, wie man Auto fährt. Und wenn ich meine Arbeit gut mache, dann bauen die vielleicht weniger Unfälle“, sagt er. Seine Leidenschaft für das Thema teilt er auch auf seinem Tiktok-Kanal. (red)