After-Work-FamilieWie viel Erziehung passt eigentlich in den Feierabend?

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Wenn im Nachmittags-Stress mal keine Zeit für richtiges Kochen bleibt, tut es ab und zu auch eine Pizza. Wichtiger ist, dass man zusammen Zeit verbringt. 

Köln – Nach Feierabend schnell zu Kita und Schule hetzen, um die Kinder einzusammeln, auf dem Heimweg noch eben das Wichtigste aus dem Supermarkt mitnehmen und schließlich zu Hause harmonische Familienzeit – Quality Time – verbringen? Wie soll das gehen? Schon beim Lesen dieses Programms beschleunigt sich der Blutdruck! Dabei geht es doch fast allen Familien so!

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Kaum ein Elternpaar kann es sich noch leisten, dass eine oder einer von ihnen zu Hause bleibt. Mal abgesehen davon, dass viele ja auch arbeiten gehen wollen. Und da stellt sich irgendwann die Frage: Wie viel Familienleben passt eigentlich in den Feierabend? Wie viel Erziehung in die Wochenenden und die Stunden nach der Arbeit?

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Nathalie Klüver

Familienexpertin und Autorin Nathalie Klüver hat darüber nun ein Buch geschrieben: „Afterwork Familie. Wie du mit wenig Zeit dich und deine und deine Kinder glücklich machst.“ Sie hat selbst drei Kinder im Alter zwischen einem und acht Jahren und weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, Job und Alltag unter einen Hut zu bekommen.

Vereinbarkeit, das ist das Wort der Stunde. Aber wie Eltern es wirklich schaffen können, an Werktagen die drei bis vier Stunden zwischen Feierabend und Kinder-ins-Bett-bringen so gut wie möglich zu nutzen, darüber wird noch viel zu wenig gesprochen. Denn in diese Zeit werden ja auch noch Einkäufe, Haushalt, Hausaufgaben-Kontrollen, Hobbys, Arzttermine und Essenszubereitung gepresst.

Rituale und Routinen gegen Streit und Stress

„Da kochen die Emotionen natürlich schon mal hoch, es kann zu Stress und Streit kommen“, weiß Klüver. „Das Geheimnis sind Routinen und Rituale – aber auch viel Humor.“ Die Autorin, die als ganznormalemama auch im Netz über ihr Familienleben bloggt, in dem der Vater, ihr Ehemann, derzeit ausfällt, weil er gegen Krebs kämpft, beschreibt Rituale nicht als festes Korsett für die Familie, sondern viel mehr als „Hängematte, in die wir uns fallen lassen können.“

Die Erklärung ist einfach: Wenn wir im Alltag Routinen etablieren, entlasten wir das Gehirn, das nicht jeden Tag wieder planen und das Rad neu erfinden muss. „Es entspannt auch die Kinder, zu wissen, woran sie sind“, erklärt Klüver. „Wenn jeden Abend erst die Hände gewaschen und dann die Zähne geputzt werden, dann muss das auch nicht mehr jeden Abend neu ausdiskutiert werden.“ Rituale geben allen Familienmitgliedern Sicherheit.

Das Nachmittags-Programm entschlacken

Zusätzlich zu dieser „Struktur zum Anlehnen“ hält Klüver es für unabdingbar, den Nachmittag, die wenige gemeinsame Zeit, zu entrümpeln und alles Überflüssige rauszuwerfen. Brauchen wir wirklich den Musikkurs oder singen, tanzen und klatschen wir einfach zu lauter Musik zu Hause? Benötigen wir das Turnen oder reicht auch das Klettergerüst im Park? Klüvers Devise ist: Lieber drei Stunden miteinander verbracht haben als neun Stunden nebeneinander her. Dazu gehöre auch, dass die Zeit wirklich miteinander genutzt würde. „Zum Surfen am Handy bleibt ja zum Beispiel auch noch Zeit, wenn die Kinder schlafen“, grinst Klüver.

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Das Smartphone als Familienzeitfresser

Das Smartphone als Familienzeitfresser – welche Eltern kennen es nicht?! Klüver möchte die digitalen Errungenschaften gar nicht verteufeln, sondern plädiert für ganz klare Regeln wie etwa: Am Esstisch haben elektronische Medien für keinen aus der Familie etwas zu suchen. „Und wenn trotz der Rituale und Regeln mal wieder alles schiefläuft und am Ende Mama oder Papa oder Kinder nur noch motzen, dann ist das auch vollkommen okay“, sagt Klüver. Sie hält nichts von einem schlechten Gewissen und auch nichts von dem Satz „Dein Alltag ist ihre Kindheit.“ Es gebe nun mal in jeder Familie auch Tage, die nicht erinnerungswürdig seien und an denen mal wieder alles liegen bleibt und nichts so läuft, wie es laufen sollte. „Ihre Kindheit ist doch so viel mehr als so ein Alltagstag“.

Humor gegen Familien-Frust

Es locker nehmen, wenn mal wieder alles zu viel wird. Durchatmen. Nachdenken, was der Anlass für den Wutanfall war – meist sei der Grund ja nichtig. Vielleicht kurz den Ort wechseln, die Kinder aus der Situation nehmen. Ein Not-Essen da haben, falls es dadurch nicht zum ausgiebigen Kochen kommt. „Dann gibt es halt mal eine Fertigsuppe.“ Sich selbst nicht zu ernst nehmen. Und sich den Humor bewahren. Das seien die goldenen Regeln für den Afterwork-Alltag von Familien.

Neulich sei auch bei ihr die Situation mal wieder eskaliert, erzählt sie. Sie habe gemeckert, die Kinder meckerten zurück, bis am Ende alle nur noch schrien. Da habe sie spontan angefangen, wie ein Huhn im Kreis zu laufen, mit den Armen zu wackeln und „Gack, gack, gack“ zu rufen. Die Kinder waren kurz irritiert – und kringelten sich dann vor Lachen. Es hilft anscheinend wirklich, es auch manchmal mit Albernheit zu versuchen. Was wohl die Kolleginnen am nächsten Morgen dazu sagen würden, wenn auch dort die Stimmung mal wieder mies sein sollte?! Ausprobieren! Humor, meint Klüver, helfe nämlich nicht nur gut durch den Familien-Alltag…

Afterwork

Das Buch: Nathalie Klüver: Afterwork-Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Kinder glücklich machst, trias Verlag, 14,99 Euro

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