Embryonenspende in DeutschlandSchneeflockenkinder mit fremden Eizellen

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Köln – Frauen, die selber keine fruchtbaren Eizellen produzieren, mussten bislang ins Ausland fahren, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. In Polen, Spanien und Tschechien etwa wird mit Eizellen gehandelt, Angebote finden sich zuhauf im Netz. Sogar mit Fotos von potenziellen genetischen Müttern.

In Deutschland ist die Eizellspende verboten. Aber: Seit zwei Jahren wird in – bislang nur – süddeutschen Kinderwunschkliniken die Embryonenspende praktiziert. Paare, die nach einer Kinderwunschbehandlung erfolgreich waren, können ihre überzähligen Embryonen anonym anderen Paaren spenden. Vorausgesetzt, ihr eigener Kinderwunsch ist abgeschlossen. Die Kinder, die dadurch entstehen heißen „Schneeflockenkinder“ oder „Eisbärchen“, weil die Embryonen auf Eis (eigentlich in flüssigem Stickstoff) gelagert waren. Sieben deutsche Schneeflocken wurden bereits geboren, das erste Kind im vergangenen Herbst. 12 Babys sind aktuell unterwegs. Doch die Methode ist strittig, sowohl aus juristischer, als auch aus psychologischer Sicht.

1. Wie funktioniert die Embryonenspende?

Seit 2013 wird die Embryonenspende in Deutschland praktiziert. Das aus diesem Grund gegründete „Netzwerk Embryonenspende“ ist ein Zusammenschluss mehrerer Ärzte und Reproduktionsmediziner. Die Initiative agiert nach eigenen Angaben nicht-kommerziell. Austherapierte Paare, denen keine andere Methode helfen konnte, sollen die Option bekommen, sich ihren Kinderwunsch hier und nicht im Ausland zu erfüllen.

2. Was ist das Problem an Kinderwunschbehandlungen im Ausland?

Viele halten den sogenannten „Befruchtungs-Tourismus“ für ethisch fragwürdig, da die Angebote meist kommerzialisiert und oft anonym (für Kinder und Eltern nicht nachverfolgbar) sind. Kritisiert wird auch, dass im Ausland häufig die wirtschaftliche Not der Eizellspenderinnen ausgenutzt werde. Es ist ein Milliardengeschäft, von dem die Kliniken profitieren. Paare investieren oft bis zu 50000 Euro in ihren Kinderwunsch.

3. Mit wem arbeitet das Netzwerk zusammen?

Bisher mit 20 Kinderwunschkliniken aus Bayern und zwei aus Baden-Württemberg. Andere Reproduktionsmediziner sind noch zögerlich, auch aus juristischen Gründen. In NRW wird die Embryonenspende bislang nicht praktiziert. Mehr als 200 Paare sind als interessierte Empfänger bisher registriert.

4. Wie wird entschieden, welches Paar welchen Embryo erhält?

Die Spender- und Empfängerpaare füllen ein Dokument aus (Augenfarbe, Hautfarbe, Erbkrankheit, Blutgruppe, Größe), welches dann abgeglichen wird. „Unser Ziel ist, dass die Kinder den Eltern so ähnlich wie möglich sehen. Nicht um ihre Herkunft zu verschleiern, sondern um Getuschel und negative Etikettierungen von außen für Kind und Eltern zu vermeiden“, so Netzwerk-Mitgründer Hans-Peter Eiden.

5. Erfährt das Kind, wer seine genetischen Eltern sind?

Ja, die Spender müssen ihre Ausweisdokumente in einem Notariat hinterlegen, um den Kindern später die Suche nach ihren genetischen Eltern zu erleichtern. Das können die Kinder frühestens ab 16, spätestens ab 18 Jahren tun.

6. Müssen die Empfängerpaare verheiratet sein?

Nein, nicht zwingend. Bei Nicht-Verheirateten muss der Vater das Kind allerdings adoptieren. Auch Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zusammenleben, können eine Embryonenspende erhalten. Nur für Alleinstehende wird die Embryonenspende nicht angeboten. Es gibt eine strikte Altersgrenze. Diese liegt bei der Empfänger-Mutter beim 45. und beim Vater beim 55. Geburtstag.

7. Wie wird sonst mit den überzähligen Embryonen verfahren?

Die Eltern belassen sie im Stickstoff, so lange sie bereit sind, die Lagergebühr (bis zu 500 Euro im Jahr) zu zahlen. Oder sie lassen sie auftauen und vernichten.

8. Wie viele Embryonen und Eizellen im Vorkernstadium lagern in Deutschland tiefgekühlt?

Das kann niemand genau sagen. Nach Schätzungen lagern etwa 100.000 kryokonservierte befruchtete Eizellen und Embryonen in Deutschland. Sie werden ja für die Patienten selber eingelagert. Nur wenn bei ihnen der Kinderwunsch abgeschlossen ist, können die übrig gebliebenen Embryonen gespendet werden.

9. Was muss man bezahlen?

Das Netzwerk Embryonenspende betont, dass es keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Für den Embryo zahle niemand. Es würden nur die tatsächlichen Laborkosten an die Empfänger-Eltern weitergegeben. Rund 1000 Euro sind das insgesamt für Laborkosten des Spenderpaares, Verwaltungsaufwand des Netzwerkes, Transfer und Notarkosten. Hinzu kommen für die Wunscheltern allerdings die individuellen medizinischen Behandlungskosten zur Vorbereitung des Transfers. Diese werden in vielen Fällen von der Krankenkasse übernommen.

10. Was sagen die Kritiker?

Dr. Ulrich Hilland, Fortpflanzungsmediziner aus Bocholt und Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren, findet: „Bezüglich der Embryonenspende gibt es noch etliche Unklarheiten, sowohl rechtliche als auch ethische.“ Der biologische Vater des Kindes laufe etwa Gefahr, später zum rechtlichen bestimmt zu werden und unterhaltspflichtig zu werden.

Der Mediziner wundert sich: „Warum wird gerade in Bayern ein solches Netzwerk gegründet und woher genau stammen die überzähligen Embryonen?“ Hilland kann den altruistischen Gedanken der Netzwerkgründer nachvollziehen, bewertet die Embryonenspende, so wie sie aktuell praktiziert wird, allerdings als kritisch: „Wir haben die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu in Deutschland noch nicht. Ich sehe ein, dass die Ärzte, die die Spende momentan praktizieren, die Politik herausfordern wollen. Dennoch sollten sie nicht so tun, als sei die Embryonenspende etwas völlig Problemloses.“

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