Kitagruppe per VideochatSo funktioniert der erste Online-Kindergarten in Deutschland

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So sieht eine Session des Online-Kidnergartens aus.

  • Als die Corona-Maßnahmen in Deutschland auch Kindergärten trafen, gründete sich mit „IT’S OK“ die erste Online-Kita.
  • Freiberufler, die zum Großteil aus der Pädagogik kommen und während der Pandemie kaum noch Aufträge erhalten, bieten Eltern Entlastung.
  • Ein Ersatz für den Kindergartenbesuch kann und will „IT’S OK“ aber nicht sein.

Köln – Elza will Käse. Jetzt. Sofort. Das Mädchen quengelt, wie Dreijährige eben so quengeln können. Käse ist ihr Lieblingsessen, sie will jetzt Käse, keine Paprika, keine Gurke, keine Pilze, nein, Käse. Betroffen schaut Elza in den Videochat hinein. Ist gerade kein Käse da.

Julia Lemke, eigentlich freiberufliche Kunsthistorikerin in Köln, legt den Kohlrabi zur Seite und lächelt in die Kamera. Beide sind gerade in unterschiedlichen Teilen des Landes. Akute Käsebeschaffung also unmöglich. Stattdessen ein Versuch der Beschwichtigung: „Weißt du denn noch, wo Käse eigentlich herkommt?“, fragt sie. „Durch Butter“, sagt Elza. „Nicht ganz“, sagt Lemke. „Aber beides hat den gleichen Ursprung.“ Dann verschwindet Lemke vom Bildschirm, an ihrer Stelle taucht ein Zeichentrickbild eines Bauern auf, der eine Kuh melkt. „Milch!“ sagt Elza. „Genau“, sagt Lemke. Beide lachen, Situation gerettet.

Gemüse schneiden und König Max

Weiter geht’s, Elza und ihre Freundin Emily lernen an diesem sonnigen Freitag eigentlich von Lemke per Videochat, wie sie Gemüse schneiden, anschließend liest sie noch eine Geschichte vor, von König Max, der seine Krone gegen ein Sahnehäubchen tauscht und am liebsten nur Süßigkeiten essen will.

So oder so ähnlich sehen für Elza und Emily im Moment viele Nachmittage aus. Ihre Eltern haben sie im Ende März gegründeten Online-Kindergarten „IT’S OK“ angemeldet. Lemke ist eines von über zehn Mitgliedern des Betreuerteams. Fast alle haben einen Beruf, in dem Pädagogik wichtig ist. Ausgebildete Erzieher sind sie nicht. Sondern zum Großteil Freiberufler, die während der Corona-Pandemie kaum noch Aufträge bekommen.

Zwei Sessions über 45 Minuten

Neben Lemke sind etwa noch ein Zauberkünstler oder auch eine Gesangslehrerin im Einsatz. Für Kinder, deren Eltern sie zu Hause betreuen mussten oder noch immer müssen, weil die Kindertagesstätten vor Ort geschlossen oder nur eingeschränkt geöffnet sind. Jeden Tag gibt es im Online-Kindergarten zwei Sessions über 45 Minuten, eine am Vor- und eine am Nachmittag, mit festen, aber unterschiedlichen Lernzielen: Mal wird getanzt, mal Englisch geübt, mal geht es um Nachhaltigkeit.

„Ich bin selbst Mutter einer dreijährigen Tochter. Auch für uns war es zu Beginn des Corona-Lockdowns echt schwierig“, sagt Gründerin Friederike Siebert. „Deswegen wollten wir ein Angebot schaffen, das Eltern zumindest ein bisschen entlastet – und gleichzeitig Freiberuflern die Möglichkeit bietet, etwas Geld zu verdienen.“

Kein Ersatz für die Kita

Doch auch nach den Lockerungen will Siebert ihr Angebot aufrecht erhalten. Niemals, das betont sie, als Kita-Ersatz, sondern als Ergänzungsangebot. Etwa für den Nachmittag, wenn die Eltern oft noch arbeiten, die Kita aber schon geschlossen hat. Beaufsichtigen müssen die ihren Nachwuchs aber trotzdem. „Unsere Mitarbeiter sind ja eben nicht in einem Raum mit den Kindern, sie können gar nicht die volle Aufsichtspflicht übernehmen“, sagt Siebert.

Ähnlich sieht es auch der Deutsche Kitaverband, der Angebote wie den Online-Kindergarten zwar als Zusatzangebot gutheißt, aber darauf verweist, dass Kinder sowohl eine vielfältige Umgebung brauchen als auch körperlichen Kontakt mit Gleichaltrigen. Laut NRW-Landesvorsitzendem Klaus Bremen hätten viele Kindertagesstätten in der Corona-Pandemie digitale Modelle wie etwa virtuelle Morgenkreise entwickelt. „Aber die Bildung von Kindern bleibt eine Face-To-Face-Angelegenheit“, sagt er. Mit Anfassen und ohne Bildschirm dazwischen.

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Als das Gemüseschneiden geschafft ist, zeigt sich auch im Videochat von „IT’S OK“, dass räumliche Nähe sehr wohl entscheidende Vorteile mit sich bringt: Elzas Mutter kommt ins Zimmer. Und stellt ihr einen Teller mit Käsewürfeln hin.

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