Fatales MissverständnisSind E- oder Tabak-Zigaretten gefährlicher?

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Viele denken, dass die E-Zigarette genau so gefährlich ist wie normale – Eine Fehlannahme.

  • In seiner Kolumne „Aus der Praxis” schreibt Dr. Magnus Heier im Magazin wöchentlich über ein wichtiges medizinisches Thema.
  • Heute befasst er sich mit den Berichten über Todesfälle durch das „Dampfen".
  • Die dürften aber nicht dazu führen , dass man die Tabakzigarette verharmlose.

Der Mann, ein Bekannter, raucht seit vielen Jahrzehnten. Allerdings spürt er zunehmend auch die Folgen seiner vielen Zigaretten und ist mittlerweile schwer beunruhigt. Zu Recht! Deshalb haben wir ihm eine E-Zigarette angeboten, als Geschenk, wenn er ernsthaft versuchen würde, von der Tabakzigarette herunterzukommen. Wollte er nicht. Weil, so das Argument, die E-Zigarette ja auch gefährlich wäre. Weil man lesen könne, dass mehrere Leute daran gestorben seien. Der Mann hat Angst – vor der E-Zigarette und seiner Tabakzigarette gleichermaßen.

Was für ein fatales Missverständnis! Tatsächlich sind in den USA bisher 18 Menschen an einer noch nicht verstandenen Lungenerkrankung gestorben. Sehr viel mehr sind erkrankt. Und natürlich ist das furchtbar. Schlimm ist auch, dass die Ursache noch immer nicht gefunden ist. Und auch langfristig könnte das E-Rauchen zu Folgeerkrankungen führen. Aber das darf nicht dazu führen, dass man umgekehrt die Tabakzigarette verharmlost – oder die Risiken auch nur für vergleichbar hält.

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Dr. Magnus Heier ist Neurologe und Autor.

Das sind sie nämlich überhaupt nicht: Von weit über 100 000 Toten durch Tabak ist die Rede, pro Jahr und allein in Deutschland. Von acht Millionen weltweit, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Das ist ein Massaker. Jedes Jahr wieder. Und fast jedes Mittel, das einen langjährigen Raucher von der Zigarette abbringt, ist ein gutes Mittel. Die E-Zigarette verlängert das Leben erheblich, wenn sie eine Tabakzigarette ersetzt.

Das gilt natürlich nicht, wenn vor allem Jugendliche mit dem Dampfen anfangen, die vorher nicht geraucht hatten. Das genau sind die Bedenken der Kritiker der E-Zigarette. Und sie sind berechtigt. Und deshalb ist die Diskussion über dampfende Jugendliche richtig. Aber die Wahrnehmung der Risiken zu E- und Tabakzigarette ist in großen Teilen falsch.

Fatale Berichterstattung

Das ist eine Beobachtung, die wir in der Medizin immer wieder machen. Die Berichterstattung führt zu falschen Einschätzungen: So bekommen Patienten, bei denen etwa eine Multiple Sklerose diagnostiziert wird, einen Schock - auch weil sie sofort die Bilder von MS-Patienten vor Augen haben, die im Rollstuhl sitzen.  Aber die Krankheit hat sehr unterschiedliche Verläufe. Die Kranken im Rollstuhl bemerkt man, die anderen aber sieht man nicht, weil sie nicht auffallen. Das führt zu einer völlig falschen Einschätzung – und es ist schwer für den Arzt, diese Einschätzung glaubwürdig zu korrigieren.

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Oder bei Alzheimer: Immer wieder ist von einer Art Epidemie die Rede, ängstliche Menschen sehen sich unrettbar der Demenz ausgeliefert. Was aber nicht stimmt: Die Krankheit wird nur häufiger, weil wir erheblich älter werden. Für den Einzelnen scheint das Risiko sogar kleiner geworden zu sein – warum auch immer! Es ist lebenswichtig, Risiken realistisch einzuschätzen. Der Bekannte  versucht jetzt übrigens, die Tabakzigarette durch die E-Zigarette zu ersetzen. Seine Chancen sind damit deutlich höher als mit anderen Hilfsmitteln. Seine Lebenserwartung dürfte sich drastisch erhöhen.

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