Spray statt SpritzeEin Impfstoff zum Inhalieren könnte das Ende der Pandemie bedeuten

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Impfspray_Getty Images

Die Entwicklung der Corona-Impfstoffe ist längst noch nicht abgeschlossen.

Köln – Es könnte der Durchbruch sein, um die Corona-Pandemie endgültig in den Griff zu bekommen. Ein Impfstoff, der als Spray eingeatmet wird. Die Hoffnung der forschenden Wissenschaftler: Die Verbreitung des Virus könnte viel effektiver bekämpft werden, weil der Impfstoff genau dort wirkt, wo die Viren in den Körper eindringen. Damit soll eine Immunisierung direkt in der Lunge erreicht werden. „Aus unseren präklinischen Studien wissen wir, dass das bei Hamstern hervorragend funktioniert“, erklärt Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover. „Wenn alle weiteren Hürden genommen werden, wäre klar: Von einem Geimpften geht kaum mehr eine Gefahr aus.“ Warum das Spray der Spritzen-Impfung überlegen sein könnte, wie sie genau funktioniert und welche Risiken es gibt.

Warum ist ein Corona-Spray sinnvoll?

Grundsätzlich ist es bei Impfungen so: Dort, wo ein Erreger eintritt, gibt es eine besonders gute Impfantwort. Deswegen erscheint eine Injektion in den Arm weniger sinnvoll als eine Aufnahme über die Atemwege – denn genau dort dringen die Viren ein. „Für das Immunsystem der Lunge ist ein Vektorimpfstoff nichts anderes als ein Erreger“, erklärt Förster. „Wenn der Impfstoff über die Atemwege aufgenommen wird, ist die Immunität an dieser Stelle besonders groß.“ Durch die Immunisierung an dem Eintrittstor des Virus versprechen sich die Forscher, dass sich Menschen erst gar nicht infizieren und damit das Virus auch nicht weitergeben können. Man spricht von einer „sterilen Immunität“.

Foto_Reinhold Förster

Reinhold Förster arbeitet am Institut für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Dass bisher genau hier das große Problem liegt, unterstreicht eine kürzlich publizierte Studie der Universität Oxford. Dort wurde untersucht, wie sich die Übertragungsrate unterscheidet zwischen Ungeimpften und vollständig Geimpften. Das Ergebnis: Geimpfte sind zwar sehr gut vor einem schweren Verlauf geschützt, sie entwickeln selten Symptome. Für den Fall einer Infektion scheiden sie allerdings genauso viele Viren aus wie Nicht-Geimpfte. „Das ist natürlich ein riesiges Problem, wenn man eine Herdenimmunität erreichen möchte. Das Virus wird so lange weitergegeben bis es bei einem Ungeimpften landet“, sagt Förster.

Impfen ohne Spritze

Die Inhalations-Impfung ist nicht die einzige Methode, die es neben der klassischen Spritze gibt. Für Aufsehen sorgt aktuell ein neuer Impfstoff aus Indien, der dort die Notfallzulassung erhalten hat. Zycov-D ist der erste Plasmid-DNA-Impfstoff, der zugelassen wird. Laut des Herstellers Zydus Cadila soll die  Wirksamkeit bei 66,6 Prozent liegen. Drei Impfungen seien insgesamt nötig. Bislang fehlen unabhängige wissenschaftliche Studien.

Die Impfung funktioniert ohne Nadel. Der Impfstoff wird über die Haut verabreicht. Ein Hochgeschwindigkeits-Flüssigkeitsstrahl durchdringt dabei die Haut, um den Impfstoff unmittelbar in das unter Haut liegende Binde- und Fettgewebe zu transportieren. Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Impfstoff auf keinen Fall in Blutbahnen eindringen kann. (mm)

Warum hat man sich dann in der Forschung nicht direkt auf diese Form der Impfung konzentriert? „Die Hauptgründe für eine Impfung via Injektion sind: Es ist viel günstiger und geht wesentlich schneller“, erklärt Förster. Dazu seien Impfungen per Spritze auch in größerem Maße viel besser umsetzbar.

Wie funktioniert ein Impfspray?

Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie ein Impfspray verabreicht werden kann. Förster und sein Kollege Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, setzen auf sogenannten „Gitter-Vernebler“.

Das funktioniert so: Man nimmt ein Mundstück in der Größe eines kleinen Handys in den Mund. Darauf wird ein austauschbarer Kopf gesetzt, der mit dem Vakzin gefüllt wird. Dann wird das Gerät eingeschaltet. Wenn man nun einatmet, wird ein Aerosol von 10 Mikrolitern generiert, das man einatmet. Insgesamt werden 500 Mikroliter verabreicht, was 50 Atemzügen entspricht. „Das wird wohl fünf bis acht Minuten dauern“, sagt Förster. „Wir setzen auf dieses Verfahren, weil es so bereits im Bereich der Asthmamedizin zugelassen ist“, sagt Förster.

Wer arbeitet an der Entwicklung und wie sie noch dauern?

Aktuell befinden sich sieben Inhalationsvakzine gegen Corona in der ersten Phase der klinischen Testung. Zu diesem Zeitpunkt bedeutet das in aller Regel: Der Impfstoff wird an 30 Menschen getestet. Es wird geschaut, ob er verträglich ist und eine Immunität herstellt. „Eigentlich dauert die erste Phase einer klinischen Untersuchung ein Jahr. So lange müssen wir aber nicht warten“, sagt Förster. „Die Verträglichkeit kann man bereits drei Tage nach der Impfung beurteilen und den Impfschutz nach vier Wochen.“ Bis allerdings alles ausgewertet ist und die Daten an das Paul-Ehrlich-Institut übermittelt werden, könne es noch etwas dauern.

Sollten sich dann auch Geimpfte nochmals impfen lassen?

Die aktuellen Zahlen zum Impffortschritt zeigen: Das Problem sind nicht die bereits Geimpften. Die Menschen, die sich nicht impfen lassen möchten, verlangsamen den Impffortschritt. Mit der Zulassung eines Impfsprays könnten dann aber auch bereits Geimpfte einen Beitrag zur Herdenimmunität leisten.

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Denn Förster und Sutter beantragen für das Impfspray einen Einsatz als Auffrischungsimpfung. Ab Ende Oktober sollen die Tests deswegen auch an bereits geimpften Menschen erfolgen. Wenn alles gut geht, könnten Geimpfte so abschließend sicherstellen, dass sie das Virus nicht mehr weitergeben können.

Wo liegen die Risiken?

Mit der Impfung per Spray betrete man Neuland, betont Förster. „Deswegen haben die meisten Firmen in der ersten Zulassung auch auf die Spritze gesetzt – dort hat man viel mehr Erfahrung.“ Welche Risiken es genau gibt, wissen er und seine Kollegen noch nicht. „Genau das ist ja das Ziel einer Phase-eins-Studie.“ Es seien bisher zu wenige Menschen auf diese Weise geimpft worden, um Rückschlüsse auf die Nebenwirkungen ziehen zu können. „Man muss damit rechnen, dass es zu einem Anstieg der Körpertemperatur kommt“, sagt Förster. „Dazu könnten Kopfschmerzen kommen, aber das ist alles noch unklar. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass die Lungenfunktion nicht beeinträchtigt ist.“

Es könnte ein Problem mit der Verträglichkeit geben. „Immerhin inhaliert man einen Virus. Da muss man mitunter etwas an der Dosis justieren“, sagt Förster. „Bei einer Impfung in den Arm werden kaum Immunzellen getroffen, hauptsächlich Muskeln. Die Lunge ist hingegen voll mit Immunzellen. Die sind darauf trainiert, sich mit eindringenden Erregern auseinanderzusetzen. Das machen die sehr gut. Die Frage ist: Machen sie es zu gut? Menschen bekommen deshalb eventuell zu starke Nebenwirkungen.“ Wenn es Förster und seine Kollegen schaffen, solche Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen, könnte das ein Durchbruch im Kampf gegen die Corona-Pandemie sein.

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