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BundesklinikatlasVon „essentiell“ bis „verwirrend“ - Was das Aus für Patienten bedeuten könnte

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Ein Display im Foyer der Bundespressekonferenz zeigt den neu online geschalteten Bundes-Klinik-Atlas.

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) stellt den Bundes-Klinik-Atlas ihres Vorgängers Karl Lauterbach (SPD) auf den Prüfstand.

Der Atlas zählt zu den Prestigeobjekten von Karl Lauterbach (SPD).  Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will es beenden. Was das für Patienten bedeutet.

Der Bundes-Klinik-Atlas steht auf dem Prüfstand. Was bedeutet das für die Patientinnen und Patienten? Gibt es Alternativen zur Information? Wie transparent sind diese? Wir beantworten die wichtigsten Fragen für Nordrhein-Westfalen.

Was bietet der Bundes-Klinik-Atlas?

Das Portal existiert seit gut einem Jahr, es sollte Informationen liefern über die Angebote und die Qualität der 1611 deutsche Kliniken. Ins Leben gerufen hatte es der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Gestaltet ist der Atlas als Landkarte, einzelne Städte oder Gemeinden können herangezoomt werden. Es ist aber auch möglich, sich über die von einer Krankheit betroffenen Organe an insgesamt 26 Diagnosen heranzuklicken. Es besteht dann die Möglichkeit, Klinikangebote für diese Diagnosen zu vergleichen. Dabei können Filter die Ergebnisse sinnvoll einschränken.

Angegeben sind für die einzelnen Kliniken Adresse und Träger, aber auch Bettenzahl, Fachabteilungen und die Bewertung der Notfallversorgung. Ein Tachometer soll zeigen, wie hoch die Erfahrung der Klinik mit bestimmten Therapien ist, aber auch, wie günstig der Quotient von Personal zu Patienten ausfällt.

Warum geriet der Klinik-Atlas in die Kritik?

Zunächst fürchtete vor allem das NRW-Gesundheitsministerium, der Klinik-Atlas wäre ein Instrument des Bundes, um über die Zuweisung von Leistungsgruppen in die Planungshoheit der Länder einzugreifen, ehe hier eine Zuordnung erfolgt sei. Auch ein „zusätzlicher hoher Bürokratieaufwand“ stand im Raum. Die Krankenhausgesellschaft NRW spricht auf Anfrage gar von einem „Bürokratie-Booster“. Fachärzte seien hier dazu verpflichtet worden, „minutengenau und kontrollsicher zu dokumentieren, wieviel Arbeitszeit sie für welche medizinische Leistungsgruppe aufwenden“, diese „Bürokratielasten“ müssten schnellstens wieder abgeschafft werden.

Auch im Deutschen Krankenhausverzeichnis der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sind alle Kliniken aufgeführt – wenn auch mit anderen Inhalten, die zudem für Patienten weniger verständlich aufbereitet sind. Außerdem speisen sich die Informationen aus den Federn der Kliniken selbst, was die Unabhängigkeit der Bewertung einigen Kritikern zufolge in Frage stellt. Dennoch erfreut sich das Verzeichnis der DKG größerer Beliebtheit. Zuletzt registrierte man dort laut DKG 600.000 Zugriffe im Monat, der Klinik-Atlas kommt in gleicher Zeit auf 200.000 Zugriffe.

Was sagen Patienten- und Verbraucherschützer zum möglichen Atlas-Aus?

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund stand dem Lauterbach-Projekt schon von Beginn an kritisch gegenüber. Vor einem Jahr befürchtete man beispielsweise im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die Existenz des Atlas zu einer Diskriminierung älterer Patientinnen und Patienten führen könnte. Um die online aufgeführte Komplikationsrate zu drücken, könnten die Kliniken versucht sein, bevorzugt „jüngere, erfolgversprechende Patienten“ aufzunehmen. Nun fordert der Vorstand Eugen Brysch auf Anfrage Bundesgesundheitsministerin Warken zu einem radikalen Eingreifen auf: „Die Bundesgesundheitsministerin sollte das lange Sterben des Bundes-Klinik-Atlas sofort beenden. Es reicht nicht, das Vorhaben auf ein Abstellgleis zu stellen. Für die Patienten sind zwei Internetverzeichnisse nur verwirrend.“

Aber ist die Einstellung nicht auch ein Verlust?

Es gibt Institutionen, die den Atlas verteidigen. Die Verbraucherzentrale beispielsweise sagt, der Atlas biete Transparenz, und genau davon könne das Gesundheitssystem nicht genug haben. Der Sozialverband VdK warnte davor, dass Informationen zu Behandlungen künftig allein durch Klinikträger oder Klinikverbände bereitgestellt werden. Der Klinik-Atlas sei als unabhängige Quelle essenziell.

Auch das Gesundheitsministerium NRW lobt auf Anfrage die Zielrichtung des Atlas nämlich „die Schaffung von Transparenz über die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser und über die Qualität der medizinischen Behandlung“. Allerdings habe man es nicht geschafft, vollständige Daten für Laien verständlich darzustellen. Das Fazit des NRW-Ministeriums: „So, wie der Klinik-Atlas jetzt ist, sollte er nicht bleiben.“

Gibt es alternative Angebote zur Information?

Zunächst existiert das Deutsche Krankenhausverzeichnis der DKG. Dieses wurde - gerade durch die Konkurrenz vom Bundes-Klinik-Atlas - weiter ausgebaut. Beispielsweise wurde die Suche geordnet nach einzelnen Organen vereinfacht. Das Verzeichnis bietet laut Krankenhausgesellschaft NRW damit eine „große - auch laienverständliche - Informationstiefe, die die persönliche Entscheidung für das passende Krankenhaus unterstützen“. Bei der Krankenhausgesellschaft NRW ist man zudem der Meinung, dass „tiefergehende Fragen im persönlichen Gespräch“ mit Fachärzten angesprochen werden sollten.

Auch auf der Internetseite des Gesundheitsministeriums NRW sind alle Kliniken des Landes NRW mit entsprechenden Leistungsgruppen aufgeführt. Zudem bietet ein Privatunternehmen den - nach Bundesländern gegliederten - Klinikradar, der sich ähnlich wie das Krankenhausverzeichnis auf Daten stützt, die die Krankenhäuser beispielsweise an den Gemeinsamen Bundesausschuss senden müssen.